Eigentlich widerstrebt es mir, in der jetzigen Situation mit Rohstoff-Fonds hart ins Gericht zu gehen. Sie hatten eine fürchterliche Zeit – seit Jahren ist die Performance schlecht, und Anleger haben ihr Geld aus diesen Produkten abgezogen. In vielen Fällen passierte das allerdings zu Recht. Denn diese Produkte sind häufig mangelhaft konstruiert. Sie sind statisch und somit nicht in der Lage, die - durchaus vorhandenen - Performance-Chancen, die die Rohstoff-Märkte bieten, abzuschöpfen.
Es mag viele Anleger überraschen, aber man kann - ganz im Gegensatz zu Aktien und Anleihen - bei einem Investment in herkömmliche Rohstoff-Futures nicht automatisch davon ausgehen, eine Rendite oberhalb des risikofreien Zinssatzes zu erzielen. Um zu verstehen, wie diese Märkte funktionieren, ist es hilfreich, sich den Future-Markt für Rohstoffe als Marktplatz vorzustellen, auf dem Versicherungen gehandelt werden. Dort trifft man auf zwei Typen von Akteuren, zum einen jene, die Versicherungen anbieten, das sind die Spekulanten (freundlicher formuliert: die Finanzinvestoren); zum anderen gibt es die auf Sicherheit bedachten Akteure, die sogenannten Absicherer (Englisch: hedger).
Marktplatz der beabsichtigten Renditelosigkeit
In der Gesamtbetrachtung entsteht auf diesem Marktplatz keine positive Rendite. Es ist ein Nullsummenspiel: der Gewinn des Einen beruht auf dem Verlust des Anderen, abzüglich Transaktionskosten. Das ist durchaus so gewollt. Hedger zahlen an die Spekulanten eine Versicherungsprämie und nehmen gleichzeitig eine negative Rendite in Kauf, um dafür ihr Risiko zu minimieren.
Nach der Normal-Backwardation-Theorie von John Maynard Keynes sind Rohstoff-Produzenten von Natur aus auf Sicherheit bedacht, es sind also Hedger. Sie kompensieren die Versicherer – die Spekulanten – mit einer positiven Roll-Rendite, also mit einem Profit, der sich daraus ergibt, wenn man einen lang laufenden Future durch einen kürzer laufenden ersetzt. Die positive Roll-Rendite kommt dann zustande, wenn die Preise von Futures, die etwas weiter in der Zukunft auslaufen, niedriger sind als der aktuelle Spotpreis (der Preis, der bei der sofortigen Lieferung eines Rohstoffs fällig wird). Man nennt diese positive Rendite auch Backwardation. In solchen Fälle müssten also Anleger, die in klassische Rohstoff-Indizes investieren, positive Renditen erwarten können.
Backwardation-Annahme wird nicht bestätigt
Die Historie zeigt jedoch ein anderes Bild: Die durchschnittliche Rollrendite von 12 der größten GSCI Commodity Futures für die Zeit zwischen Januar 1983 bis Ende Januar 2012 ist negativ. Mit anderen Worten war der Markt im Contango, das genaue Gegenteil von Backwardation, der Markttreiber. Es wird also etwas anderes an den Märkten gespielt.
Es gibt einen besseren Erklärungsansatz für die negativen Rollrenditen in der Vergangenheit. Genauer gesagt spricht einiges für die Annahme, dass sich zwei Ansätze ganz gut ergänzen: die sogenannte Hedging-Pressure-Hypothese und die Storage Theorie. Erstere ist etwas genereller als die oben erwähnte Normal-Backwardation-Theorie: Die Hedging-Pressure-Hypothesis besagt, dass die Futures-Kurve dann im Backwardation ist, wenn Rohstoff-Produzenten sehr stark auf Sicherheit setzen. Dann werden klassische Long-Positionen, die durch Rohstoff-Indizes abgebildet werden, mit positiven Renditen „belohnt“. Wenn indes die Verbraucher mehr Sicherheit verlangen, tendiert die Futures-Kurve Richtung Contango – die Roll-Renditen werden negativ.
Zwei Alternativen zur Keynes
Kommen wir zur zweiten Alternative zur Keynesschen Backwardation-Theorie. Nach der Storage Theorie können Backwardation und Contango primär durch die physichen Lagerbestände erklärt werden: Wenn die Lagerbestände niedrig sind, gibt es auf dem Markt mehr Backwardation, bei hohen Lagerbeständen eher Contango.
Im Ergebnis liefern beide Annahmen die Erklärung dafür, dass Investoren, die in Produkte investieren, die klassische Rohstoff-Indizes abbilden nicht zwangsläufig mit positiven Renditen rechnen sollten. Eine entsprechende statische Allokation in Rohstoffindizes kann innerhalb eines Marktzyklus Phasen aufweisen, in denen Versicherungsprämien gezahlt werden oder ausfallen. Die Hoffnung des Investors auf stetige Prämien nach dem Backwardation-Modell Keynes´ wird also phasenweise enttäuscht werden.
Es gibt also gute Gründe für die Annahme, dass die erwartete Rendite von Commodity Futures nicht besonders hoch sein wird. Die Wissenschaftler Claude Erb und Campbell Harvey schlagen in einer Studie vor, die Renditen eines Rohstoff-Portfolios in folgende vier Komponenten aufzuschlüsseln: der risikolose Zins, die Rendite auf Basis der Spotpreise, die Rollrenditen und die Rendite, die auf Diversifikation beruht:
- Der Risikofreie Zins: Dieser Zinssatz ist heute natürlich ziemlich niedrig. Voll abgesicherte Futures-Anleger verdienen nichts. In der Vergangenheit hat der risikofreie Zinssatz allerdings etwa die Hälfte der Renditen des GSCI-Index ausgemacht, dem bekanntesten Commodities-Index.
- Die Spot-Preis Renditen: Auf lange Sicht sind die Rohstoff-Preise tendenziell gesunken. Drastische Preisanstiege in den letzten zehn Jahren lassen sich durch die gestiegene Nachfrage aus China erklären – mit Blick auf die gesamte historische Preisentwicklung sind sie aber eine Ausnahme.
- Die Rollrenditen: Als der Commodity-Boom vor der Finanzkrise 2008/9 losging, sind die Rollrenditen in den freien Fall übergegangen. (Sie haben zuletzt wieder positives Terrain erreicht).
- Die Diversifikations-Rendite: Historisch betrachtet wiesen Rohstoffe untereinander eine niedrige Korrelation und eine hohe Volatilität auf. Durch die bloße regelmäßige Neugewichtung (rebalancing) haben viele Indizes eine positive „Diversifikations-Rendite“ erzielt. Sie ist zu einem großen Teil für die überdurchschnittliche Rendite von Commodity-Indizes verantwortlich. Allerdings haben Ke Tang und Wei Xiong bereits 2012 einen sprunghaften Korrelationsanstieg zwischen verschiedenen Commodity Futures festgestellt, insbesondere beim GSCI und dem Dow Jones-UBS Commodity Index. Die Rendite aufgrund der Diversifikation hat bei den großen Indizes langfristig rund 3% pro Jahr ausgemacht. Wenn die Korrelation zwischen den einzelnen Commodity Futures weiterhin so hoch bleibt, könnten sich diese Vergangenheitsrenditen aufgrund der Diversifikation jedoch halbieren
Eine plausible Performance-Projektion nach dem Baukastenprinzip könnte so aussehen:
Rendite von Rohstoff-Indizes = Risikoloser Zins + Spot-Preis Rendite + Rollrendite + Diversifikationsrendite = 0% + 0% + 1% + 2% = 3%
Ausblick: Es könnten weniger als 3% pro Jahr werden
Doch das ist nicht alles: Es gibt noch einen weiteren Grund für die Annahme, dass die Rohstoff-Indexrenditen niedriger ausfallen werden, als es vermutlich viele Anleger erwarten: Die Anzahl der „Versicherer“, also derjenigen, die Prämien kassieren möchten, ist in der letzten Zeit im Verhältnis zu den „Versicherten“ gestiegen. Ob Hedgefonds, Pensionsfonds, individuelle Anleger: Alle haben in den vergangenen Jahren Rohstoff-Investments entdeckt. Proportional sind die Akteure, die eine Absicherung suchen, weniger geworden. Eigentlich ist es sogar so, dass Anleger mit langlaufenden Futures dazu übergegangen sind, sich abzusichern. Ganz konkret: Sie suchen eine Inflationsabsicherung, was allerdings zu Lasten der Rendite geht.
Neben den Backwarding- und Contango-Effekten, mit denen negative Rollrenditen einhergehen können, kommt allerdings noch hinzu, dass die beliebtesten Indizes schrecklich ineffizient sind. Man kann quasi die Uhr danach stellen, wann sie jeden Monat eine riesige Menge an Future-Kontrakten handeln. Und man kann entsprechend sicher sein, dass diese vorab bekannten Transaktionen von Händlern auf Kosten der Indexanbieter ausgenutzt werden. Yiqun Mou von der Columbia University schätzt, dass Arbitrage-Transaktionen den GSCI zwischen Januar 2000 und März 2010 eine annualisierte Rendite von 3,6% „gekostet“ haben. Anleger müssen also für das Index-Tracken teuer bezahlen – ohne dass dies für sie sichtbar wäre.
Sind dynamische Roll-Modelle Rendite-Retter?
Doch Anleger müssen jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen. Wer überzeugt ist, dass Rohstoffe aufgrund von Rendite- und Diversifikationsvorteilen einen Platz im Portfolio haben, können mit dynamischen Rohstoffanlagen, also Produkten der Generation 2.0, die Fehler die Mängel der klassischen Rohstoff-Investments zumindest relativieren, insbesondere dann, wenn diese die Faktoren Momentum und Backwardation zu ihrem Vorteil nutzen.
Gerade das Momentum ist eine starke Triebkraft bei der Performance. In einer Studie aus dem Jahr 2008 haben Ana-Maria Fuertes, Joelle Miffre und Georgios Rallis herausgefunden, dass Momentum-basierte Strategien extrem profitabel waren. Ein Beispiel ist eine Strategie, bei der man auf die 20% der Rohstoffe long geht, die über die letzten 12 Monate die höchsten Renditen geliefert haben und zugleich die über die letzten 2 Monate schlechtesten 20% der Commodities leer verkauft – bei einer monatlichen Neugewichtung. Von Januar 1980 bis Januar 2007 haben Rohstoff-Indizes mit einer solchen Strategie annualisiert 12,6% zugelegt. Die regulären Rohstoff-Indizes haben im selben Zeitraum nur 3,4% p.a. gebracht (Ergebnisse in US-Dollar gerechnet).
Beim Thema Backwardation sind die Wissenschaftler zu einem ganz ähnlichen Ergebnis gekommen. Wer long geht auf die besten 20% Commodities hinsichtlich Backwardation und short auf die schlechtesten 20% Commodities geht, macht ein annualisiertes Plus von 11,7%.
Einige Wissenschaftler, zu ihnen gehören Gary Gorton, Fumio Hayashi und K. Geert Rouwenhorst argumentieren, dass Momentum- und Backwardation-Strategien eigentlich Informationen über Lagerbestände ausnutzen und sie deuten damit an, dass solche Ansätze auch in Zukunft positive Überschussrenditen erzielen werden.