Wir haben ein quartalsregelmäßiges Artikel-Format gestartet, in dem wir die neuen ESG-Produkte am Markt in Europa unter die Lupe nehmen. Mit welchen Produkten erschließen Fondsanbieter den Markt? Wer sind die neuen Akteure und womit reüssieren sie? Welche Asset-Klassen werden abgedeckt? Welche Rolle spielen Indexfonds im ESG-Fondsmarkt? Wie viel Geld wurde in diesen Produkten eingesammelt? Wir machen den Start mit einer Übersicht über das abgelaufene Jahr. Künftig werden wir 2-3 Wochen nach dem jeweiligen Quartalsende eine Übersicht über das abgelaufene Quartal liefern.
Im ersten Teil unseres Artikels haben wir das große Ganze in Augenschein genommen. In diesem Jahr wurden mehr ESG-Fonds aufgelegt als in den Vorjahren, und dabei haben Aktienfonds, vor allem dank der regen Emissionstätigkeit von Indexfondsanbietern, dominiert (lesen Sie hier weiter). Wir wollen nun schauen, wie die neuen ESG-Fonds sich im Spiegel unseres Sustainability Researchs, das wir Anfang des laufenden Jahres lanciert haben, darstellen. Unter diesem Blickwinkel betrachten wir nun die neuen Produkte. Wir segmentieren die Neulinge nach Morningstar Kategorie. Abschließend blicken wir auf die Nachhaltigkeitsbilanz der größten Neuemissionen am Markt.
Global anlegende Produkte dominieren
Kommen wir nun zur Ebene der Morningstar Kategorien. 19 der 101 neuen Produkte entstammen der Kategorie Aktien weltweit Standardwerte (Blend). USA Aktien Standardwerte (Blend) folgten auf Platz zwei mit sechs neuen Fonds, vor Emerging Markets (fünf) sowie Kapitalschutzfonds und Aktienfonds für Eurozonen-Standardwerte (jeweils vier).
Im Vorjahr wurden ebenfalls global anlegende Standardwertefonds am häufigsten aufgelegt (14), gefolgt von europäischen Aktien-Standardwertefonds (sieben) und jeweils sechs nachhaltig anlegende Kapitalschutzprodukten und defensiven Mischfonds.
Die untere Tabelle ist nach dem höchsten verwalteten Vermögen der neuen ESG-Fonds nach Morningstar Kategorie sortiert. Sie finden die ESG Bilanz im der Fonds auf Kategorie-Ebene in den jeweiligen ESG-Teilbereichen. Rot sind die Durchschnittswerte unterlegt, die ein schwächeres Profil als der (überwiegend aus Fonds ohne ESG-Mandat bestehenden) Kategorie zeigen; grün markiert sind die ESG-Eigenschaften, in denen die neuen Fonds gegenüber dem Kategorie-Durchschnitt glänzen.
Tabelle: In welchen Kategorien ESG-Fonds 2016 dominierten
Insgesamt zeigt die Übersicht nach Kategorie das erwartete Bild: Die neuen ESG-Fonds am Markt schneiden nach unserem Bewertungschema überdurchschnittlich gut ab im Vergleich zu konventionellen Fonds der identischen Kategorie. Diese günstige Bilanz haben wir bereits in vorherigen Untersuchungen festgestellt. Nachhaltigkeitsfonds erfüllen im Großen und Ganzen die an sie gestellten Erwartungen.
Doch es gibt einige prominente Ausnahmen. Das höchste Vermögen bringen die neuen ESG-Fonds mit Schwerpunkt global anlegende Standwerte mit 1,2 Milliarden Euro auf die Waage. Die Bilanz ist im Schnitt wenig beeindruckend: Sowohl bei Umweltbelangen als auch mit Blick auf die soziale Komponente schneiden die neuen ESG-Fonds der Kategorie schwächer ab als der Durchschnitt. Nur beim Faktor Governance liegen die neuen global anlegenden Fonds über dem Schnitt vergleichbarer Fonds.
Sektorfonds für Ökologie punkten am ehesten in der Skandalbilanz
Auch die neuen Fonds in den Kategorien Kapitalschutz und Aktien Ökologie schneiden im Kategorie-Durchschnitt schwach ab. Auch letzterer Befund ist nur auf den ersten Blick erstaunlich: Auch die ESG-Qualität der bereits am Markt existenten Ökofonds ist eher bescheiden. Sie punkten eher bei der Skandalbilanz, das heißt ihre Bestandteile weisen weniger Kontroversen auf als konventionell verwaltete Investmentprodukte. Das ist auch bei den neuen Ökofonds der Fall. Zudem sollte man sich mit abschließenden Urteilen etwas zurückhalten angesichts des kleinen Samples – es wurden nur drei dieser ESG-Sektorfonds im zur Neige gehenden Jahr auf den Markt gebracht.
Grundsätzlich fällt auf, dass die durchschnittlichen Werte der ESG Scores nach Kategorie stark schwanken. Sie fallen besonders hoch bei europäischen Unternehmenswerten aus, werden bei amerikanischen Unternehmen jedoch deutlich niedriger (wenngleich sie über der 50 Punkte-Marke verharren, welche den Median auf Kategorie-Ebene darstellt); Unternehmen aus Japan weisen die schwächsten ESG-Scores unter allen Industrieländern aus. Besonders schwach sind die Governance-Noten japanischer Unternehmen, die entsprechende Fonds im Governance-Bereich unter die 50-Punkte-Marke drücken.
Wenig überraschend kommt indes der Umstand, dass Unternehmen aus den Schwellenländern im Schnitt noch schwächer abschneiden als alle Unternehmen aus den Industrieländern abschneiden. Besonders schwach sind Emerging Market Unternehmen im Governance-Bereich, gefolgt von der sozialen Bilanz. Am stärksten, wenngleich auf insgesamt auf bescheidenen Niveau, schneiden Unternehmen aus den Schwellenländern in der Umweltbilanz ab.
Angesichts der Tatsache, dass US-Unternehmen und - wenn auch in deutlich geringerem Umfang – japanische Unternehmen in Fonds für globale Standardwerte stark vertreten sind verwundert der Umstand nicht, dass global investierende Fonds deutlich niedrigere ESG Scores aufweisen als das bei europäischen Kategorien der Fall ist.
Kommen wir nun zur ESG-Bilanz auf der Produktebene. Die untere Tabelle liefert Aufschluss über die ESG-Qualitäten der größten neuen ESG-Fonds am Markt. Hierfür verwenden wir das Morningstar Sustainability. Das Rating „High“ entspricht fünf Globen und ist die höchste Rating-Stufe, „Above Average“ signalisiert ein überdurchschnittliches Rating von vier Globen, „Average“-Ratings entsprechen drei Globen, und „Below Average“ und „Low“ entsprechen zwei Globen bzw. einem Globus und sind die schwächsten zwei Noten. In den drei Spalten auf der rechten Seite der unteren Tabelle findet sich die Bilanz in den drei ESG-Teilbereichen im Vergleich zu Fonds der jeweils identischen Kategorie.
Tabelle: Die Nachhaltigkeitsbilanz der größten 20 neuen ESG-Fonds am Markt
Auffällig ist, dass unter den bewerteten BNP-Produkten, allesamt ETFs, nur der Pazifik ex Japan Fonds das höchste Rating aufweist. Alle anderen Fonds, die MSCI Indizes abbilden, haben allenfalls die Note „Durchschnittlich“ bekommen, der BNPP Easy MSCI Europe ex Controversial Weapons ETF hält sogar ein unterdurchschnittliches Morningstar Sustainability Rating. Der Grund hierfür liegt darin, dass die BNP-ETFs ihre Nachhaltigkeit nur daraus ableiten, dass sie nicht in Unternehmen investieren, die geächtete Waffen herstellen. Das betrifft allerdings eine höchst überschaubare Zahl an Unternehmen, sodass die BNP-Portfolios dem typischen Profil eines Länder- bzw. Regionen-Index des Hauses MSCI recht nahekommt, und die kommen in der Regel recht konventionell daher.
Dies verdeutlicht, dass auch ESG-Fonds nicht zwangsläufig ein überdurchschnittlich hohes Nachhaltigkeitsniveau aufweisen müssen. Nachhaltigkeit liegt also gewissermaßen im Auge des Betrachters.