Lohnt es sich, in aktiv verwaltete Fonds zu investieren? Diese Frage wird bereits seit Langem unter Anlegern und Beratern diskutiert, und es steht nicht zu erwarten, dass diese Frage jemals abschließend beantwortet werden wird. Die Performance-Berechnung ist bei Fonds eine triviale Angelegenheit: Es stehen jedem Journalisten, Analysten, Berater oder Anleger genügend Tools zur Verfügung, um die Frage jeden Tag, jeden Monat und jedes Jahr aufs Neue zu stellen und, natürlich höchst vorläufig, zu beantworten. Weil viel Geld in Fonds investiert ist und viele aktiv verwaltete Produkte die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen, nimmt die Frage nach dem Sinn von aktivem Managements oft auch eine emotionale Dimension an. ETF-Anbieter leisten ihren Beitrag dazu, indem sie die langfristige Performance-Überlegenheit von Indizes gegenüber aktiven Managern hervorheben.
Dass aktiv verwaltete Fonds in Summe ihre Benchmarks verfehlen, ist eigentlich eine Binse: In Summe nähert sich der Performance-Durchschnitt von Fonds, jedenfalls bei großen Gruppen, der Markt-Performance an. Man spricht vom großen Gleichmacher, dem Durchschnittseffekt. Und weil bei aktiv verwalteten Fonds Gebühren anfallen, entspricht die Performance von größeren Fondsgruppen der Marktperformance abzüglich Kosten. Das könnte das Ende der Diskussion sein. Ist es aber nicht, wie die iterative Debatte der vergangenen Jahre zeigt.
Das Morningstar Active/Passive Barometer: Neue Sicht auf eine alte Debatte
Um eine Debatte, die sich im Kreis dreht, nach vorne zu bringen, haben unsere Kollegen in den USA bereits 2015 ein neues Erfolgsmaß entwickelt. In dem halbjährlich berechneten „Active/Passive Barometer“ haben sie die Performance von aktiv verwalteten Fonds nicht mit der Performance von Indizes verglichen, sondern aktive Fonds gegen die passiven Alternativen, ETFs und nicht-börsennotierte Indexfonds, laufen lassen. Diese Übung haben wir für den europäischen Markt nunmehr nachvollzogen.
Dabei geht es nicht darum, die einzelnen Manager aktiv verwalteter Fonds aus der Verantwortung zu entlassen. Sie haben nach wie vor den Auftrag, ihren Index nach Abzug von Kosten zu übertreffen. Geht es allerdings darum, generelle Aussagen über die Erfolgsaussichten für aktive Fonds zu treffen, sollten Investoren einen realistischen Blick für die Investment-Alternative entwickeln. Hier kommt die passive Seite ins Spiel. Allerdings die Fondsebene und nicht der Index, denn den Index kann man nicht kaufen.
Wer einen Indexfonds kauft, muss auch Kosten tragen, und die schmälern die Performance. Mit der zunehmenden Verbreitung von Indexfonds ist auch die Zahl der zugrundeliegenden Indizes gestiegen, die sich teilweise stark voneinander unterscheiden und entsprechende Performance-Unterschiede aufweisen. Zudem kommt bei jeder Form der Geldverwaltung die menschliche Imperfektion ins Spiel – auch bei der von ihm geschaffenen Technologie. Indexfonds weichen mitunter deutlich von ihren Indizes ab. Um diesen Punkt zu illustrieren, haben wir die Performance eines Emerging Markets ETFs aus den USA zwischen 2007 und 2009 aufgeführt. Auch wenn sich die Tracking-Qualität bei Indexfonds in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat, zeigt das Beispiel, dass die Performance – und somit auch der Tracking Error – von Indexprodukten mitunter deutlich von der Performance des Index abweichen kann.
Tabelle: Wie aktiv ist der ETF Ihrer Wahl?
Die nächste Übersicht zeigt eine Auswahl europäischer Aktien-Indexprodukte. Zwei Punkte fallen hier ins Auge: Die Kosten können sehr stark variieren – vor allem die Beispiele des UniExtra: EuroStoxx 50 und SEBinvest Europa Indeks zeigen, dass auch Indexprodukte teuer sein können. (Auf dem anderen Ende der Skala weisen die Indexprodukte von iShares und der UBS extrem tiefe Kosten auf). Zum anderen bilden die exemplarisch ausgewählten Europa-Aktien-Produkte nicht weniger als sechs verschiedene Indizes ab. Indexfonds ist also nicht gleich Indexfonds.
Tabelle: Auch bei Indexfonds können Kosten stark variieren
Doch kommen wir nun zur Adaption des „Active/Passive Barometer“ für den europäischen Markt. Die Untersuchungsperiode umfasst die Zeit zwischen Juli 2002 und Juni 2017 und gliedert sich in vier Einzelperioden: drei, fünf, zehn und 15 Jahre. Das Universum umfasst aktiv verwaltete Fonds, ETFs und nicht-börsennotierte Indexfonds. Die Gruppe der Strategic Beta ETFs haben wir dem Sample der aktiv verwalteten Fonds zugeschlagen. Wir haben den (einfach gewichteten) Durchschnitt der aktiv verwalteten Fonds gegen den (einfach gewichteten) Durchschnitt der passiven Fonds laufen lassen.
Um den Survivorship Bias zu eliminieren, haben wir als Erfolgsmaß die „Survivorship Rate“ verwendet. Diese drückt aus, wie viele Fonds die jeweilige Periode überlebt und zugleich den Durchschnitt der passiven Fonds in der identischen Kategorie übertroffen haben. Somit fließen die liquidierten Fonds in die Untersuchung ein.
Wir haben uns für 15 wichtige europäische Fondskategorien entschieden, fünf Rentenfonds- und zehn Aktienfondskategorien. Sie kommen per Ende Juni 2017 auf ein Vermögen von 2,2 Billionen Euro, was 45 Prozent der Assets in Aktien- und Rentenfonds europaweit ausmacht. In erster Linie haben wir uns am verwalteten Vermögen der Kategorien orientiert, aber auch an der Frage, wie marktgängig die Kategorien sind. Die Kategorie „Aktien Standardwerte Deutschland“, Aktien Standardwerte Schweiz“ und „Renten Schweiz“ sind nicht die größten, zählen für Investoren in der Region D-A-CH aber zu wichtigsten Anlagemärkten. Nicht zuletzt war für die Auswahl der Kategorie auch die Frage entscheidend, ob es dort vor 15 Jahren Indexfonds gab.
Tabelle: Das untersuchte Fondsuniversum
Kommen wir nun zu den Ergebnissen. Die Tabelle unten zeigt, wie erfolgreich aktiv verwaltete Fonds in den unterschiedlichen Perioden waren. Grün markiert sind die Zellen, wo die Ergebnisse am besten waren. Je schwächer die Zahlen werden, desto röter wird die Kolorierung. Bereits auf den ersten Blick wird klar, dass aktiv verwaltete Fonds kurzfristig deutlich besser abschneiden als langfristig.
Tabelle: Die kurz- und langfristige Erfolgsquoten von aktiv verwalteten Fonds
Die höchste Outperformance-Quote lieferten in den vergangenen drei Jahren die Kategorien "Aktien Schweiz" mit 54 Prozent Success Rate, gefolgt von "EUR Unternehmensanleihen" (53 Prozent), "Aktien Asien ex Japan" (49 Prozent) sowie "Aktien Eurozone" und "Aktien Großbritannien" (jeweils 46 Prozent). Am schwächsten fielen die Ergebnisse in der Kategorie "Aktien USA Standardwerte" aus, in der nur zwölf Prozent der Fonds überlebten und zugleich den passiven Composite übertrafen. Auch die Kategorien "Aktien weltweit" und "EUR Renten diversifiziert" schnitten mit einer Success Rate von 18 bzw. 19 Prozent seit 2014 schwach ab. Im Schnitt übertrafen 38 Prozent der Fonds in den Aktienkategorien und 34 Prozent der Fonds in den Rentenkategorien die passiven Composites.
Je weiter wir nach rechts rücken, also je weiter wir in die Geschichte zurückgehen, desto schwächer werden die Ergebnisse der aktiv verwalteten Fonds. Die Quote der erfolgreichen Aktienfonds sank von 38 Prozent in der Dreijahresbilanz auf 21 Prozent in der 15-Jahresbilanz. Bei Bonds ging die Quote von 34 Prozent auf 24 Prozent zurück. Langfristig waren die Ergebnisse für die Kategorien "Renten Schweiz", "Aktien Japan", "Aktien USA" und "Aktien weltweit" am schwächsten.
So weit, so ernüchternd aus Sicht der Verfechter des aktiven Managements. Auch wenn die Zahlen nicht so schlecht ausfallen wie gegen die maßgeblichen Indizes, so schneiden aktive Fonds langfristig gegen ihre Indexkonkurrenten schlecht ab, egal, ob man auf globale Aktienfonds aus den Industrieländern blickt, auf Schwellenländeraktienfonds oder auf Einzelländerfonds: Die Erfolgsquote verharrt teilweise bei deutlich unter 20 Prozent.
Bei Rentenfonds ist das Ergebnis ähnlich eindeutig, lässt man die lückenhafte 15-Jahreshistorie außen vor (2002 gab es nur wenige Renten-Indexfonds; die Indexfondsbranche ist aus verschiedenen Gründen historisch gesehen ein Aktiengeschöpf.), dann schnitten aktiv verwaltete Rentenfonds ähnlich (schwach) wie aktive verwaltete Aktienfonds ab.
Den Survivorship Bias beachten
Wie wichtig es ist, die liquidierten Fonds in die Rechnung einzubeziehen, verdeutlicht die untere Tabelle. Hier haben wir für zwei verschiedene Rechnungen aufgemacht. Die Spalte außen rechts ist identisch mit der 15-Jahresbilanz in der oberen Tabelle. Hier handelt es sich um die Success Rate, welche die liquidierten Fonds berücksichtigt. Links daneben haben wir die Outperformer-Quote aufgeführt und die toten Fonds außen vorgelassen. Das führt zu dramatisch besseren Ergebnissen, spiegelt aber nicht die Erfahrung von Investoren wider, die sich häufig mit der Schließung ihrer Fonds konfrontiert sehen.
Besonders eklatant sind die Unterschiede in den Kategorien „Aktien Großbritannien“. Exkludiert man die toten Fonds aus der Rechnung, sieht die Erfolgsquote von 54 Outperformern von heute 75 existierenden Fonds mit einer Outperformer-Quote von 72 Prozent sehr gut aus. Vergegenwärtigt man sich indes, dass zu Beginn der Periode 170 Fonds für britische Standardwerte existierten, relativiert sich dieser Anlageerfolg deutlich. Dann liegt die Success Rate bei deutlich bescheideneren 32 Prozent. Wer den 'Survivorship Bias' nicht konsequent eliminiert, läuft Gefahr, die Mechanismen des Marktes falsch zu verstehen und somit ein viel zu positives Bild zu zeichnen.
Tabelle: Erfolgsquoten mit und ohne Survivorship Bias (15 Jahre)
Zum Schluss blicken wir auf die Unterschiede zwischen der Gruppe der teuersten und der Gruppe der günstigsten aktiv verwalteten Fonds. Dabei haben wir Quintile gebildet und die Bilanz der 20 Prozent teuersten Fonds mit der Bilanz des günstigsten Quintils verglichen. Die untere Tabelle bestätigt eindrucksvoll unser Mantra, wonach Gebühren der wichtigste Faktor ist, wenn es um die Auslotung von Anlageerfolgschancen geht. Teure Fonds haben deutlich schlechtere Performance-Aussichten als günstige Fonds. In der Kategorie "Aktien Schweiz" liegt die Erfolgsquote der günstigsten 20 Prozent nach zehn Jahren bei 50 Prozent. Das teuerste Quintil hatte dagegen eine Success Rate von sage und schreibe null Prozent.
Ähnlich sieht es bei vielen anderen Kategorien aus. Im Schnitt liegt die Success Rate der teuren Aktienfonds-Gruppen bei neun Prozent, die Success Rate der teuren Aktien-Gruppen beläuft sich auf 33 Prozent. Bei Rentenfonds beläuft sich die Success Rate der teuersten Fonds auf sieben Prozent, dagegen waren 28 Prozent der günstigsten Rentenfonds erfolgreich.
Tabelle: Die Erfolgsquoten teurer und günstiger Fonds
Die Untersuchung lässt folgende, allgemein gehaltene Schlussfolgerungen zu:
- Die Bilanz aktiv verwalteter Fonds sieht insgesamt bescheiden aus. Auch wenn die Unterschiede zwischen den Kategorien variieren, so ist das Fazit en Gros klar: Aktiv verwalteten Fonds schaffen es nicht, in großem Stil zu überleben und zugleich die am Markt befindlichen passiv verwalteten Fonds zu übertreffen;
- Langfristig fallen die Ergebnisse besonders schwach aus; kurzfristig ist die Bilanz besser. Eine These lautet, dass sich der „Sterblichkeits-Malus“ im Zeitverlauf immer mehr bemerkbar macht;
- In manchen Kategorien fällt die Bilanz der aktiven Manager besonders schwach aus, etwa bei "Aktien USA". In Kategorien wie "Aktien Deutschland" und "Aktien Schweiz" ist die Bilanz besser. Hier könnte die die Breite bzw. Enge der jeweiligen Märkte eine Rolle spielen. Deutsche Standardwerte-Fonds tummeln sich typischerweise im DAX, der 30 Aktien umfasst. Das Schweizer Pendant SMI enthält nur 20 Aktien. Konzentriertere Indizes, auch was die Branchenkomposition anbelangt, könnten aktiven Managern möglicherweise bessere Performance-Chancen bieten. Bessere jedenfalls als bei sehr breit streuenden Indizes wie MSCI USA oder S&P 500;
- Der mithin klarste Befund der Untersuchung ist die Überlegenheit günstiger Fonds. Günstige aktiv verwaltete Fonds schlagen die teuren Pendants um Längen. Anleger täten also gut daran, gezielt nach günstigen Fonds Ausschau zu halten. Damit drängt sich das Fazit auf, dass viele Beobachter heute die falsche Frage stellen: Es geht in erster Linie nicht um die Frage 'aktiv oder passiv?', sondern um 'teuer oder günstig?'. Macht sich diese Erkenntnis breit (woran wir schon seit langem arbeiten), dürfte die Debatte um die Entflechtung von Vertriebs- und Produktkosten vorankommen. Die These, wonach Vertriebskosten in Gestalt von Kickbacks die Erfolgsaussichten von Fonds massiv bremsen, steht also im Raum.