Allen Unkenrufen zum Trotz: Es war ein gutes Jahr für ETFs in Europa. Das verwaltete Vermögen ist bis Ende November 2012 um 20% im Vergleich zum Vorjahr gewachsen, was sich auf Nettozuflüsse von rund 15 Mrd. Euro und auf Wertsteigerungen zurückführen lässt. Insgesamt vereinen ETFs nun rund 275 Mrd. Euro auf sich. Im Jahr 2011 war das verwaltete Vermögen im Vergleich zu 2010 noch gesunken, da die Wertverluste, die hauptsächlich an den Aktienmärkten entstanden, positive Nettozuflüsse überstiegen.
Welche ETFs waren 2012 gefragt?
Investoren blieben bei ihrer Kapitalanlage vorsichtig, da sich trotz eines positiven Ausblicks für die Weltwirtschaft am Anfang des Jahres Bedenken über eine Abkühlung breiter machten. Die Wachstumsraten einiger Länder wurden im Laufe des Jahres nach unten korrigiert, da man einsah, dass sich die Schwellenländer nicht über Nacht von einer exportorientierten Wirtschaft zu einer konsumorientierten Wirtschaft entwickeln können.
Deshalb konnten risikoärmere ETF-Anlageklassen, wie ETFs und andere Indexprodukte auf Anleihen und Gold, die meisten Nettozuflüsse verbuchen. Im Bereich der Anleihen wurden ETFs, die auf Unternehmensanleihen und Anleihen von Schwellenländern setzten, am meisten nachgefragt. Allerdings schnitten türkische Aktien-ETFs sowie ETFs, die auf Aktien europäischer Versicherungsunternehmen und Automobilwerte einschließlich Zulieferfirmen notieren, aus Renditesicht am besten ab. Bei den börsennotierten Rohstoffprodukten ließen Angebote, die auf Silber, Weizen und Soja setzten, Goldwerte hinter sich zurück.
Trotz hoher Zuflüsse bei den Anleihen –und Rohstoff-ETPs, machen Aktien-ETPs mit 58,5% nach wie vor den Großteil des gesamten verwalteten ETF-Vermögens aus. Das verwaltete Vermögen in Aktien-ETFs entsprach 2012 rund 160 Mrd. Euro vs. 130 Mrd. Euro im Jahr 2011. Der Zuwachs erklärt sich hauptsächlich aus den Wertsteigerungen an den Aktienmärkten.
Der Markt für ETFs auf Anleihen konnte in den vergangenen zwölf Monaten von 15,5% des verwalteten Vermögens auf 17,5% ansteigen. Rohstoff-Produkte liegen unverändert bei rund 20% des verwalteten Vermögens. Verlieren waren dagegen Geldmarkt-ETFs, die in einem Umfeld von extrem niedrigen Zinsen weniger nachgefragt wurden.
Regulatorische Änderungen bei den ETFs
Das Jahr 2012 war durch klare neue Regulierungen gekennzeichnet. Die ESMA (European Securities and Markets Authority) publizierte nach einer langen Entscheidungsphase die endgültigen Richtlinien für ETFs Ende Juli 2012. Morningstar begrüßt diese Richtlinien, da sie zu mehr Transparenz für die einzelnen Produkte führt und damit dem Kapitalanleger dienen.
Die Debatte um die physisch- und synthetisch replizierbaren ETFs konnte mit den neuen Richtlinien ebenfalls beendet werden. Beide Methoden wurden durch die Kommission akzeptiert. Die Anbieter dieser Produkte führten noch 2011 heftige Diskussionen um die Vor- und Nachteile beider Methoden, kamen aber bereits vor Verabschiedung zu einem ‚Friedensvertrag‘, da sie wahrscheinlich merkten, dass die Reputation der Branche darunter litt. Schlagender Beweis hierfür war die Tatsache, dass nunmehr auch die Deutsche Bank, die bisher ausschließlich synthetische ETFs anbot, nunmehr auch angefangen hat, physische Produkte aufzulegen.
Damit geht die Deutsche Bank mit dem Zeitgeist: Kapitalanleger favorisierten 2012 erneut eindeutig physisch replizierbare ETFs. Die Daten von Morningstar zeigen, dass 2011 noch rund 45% des verwalteten Vermögens in synthetischen ETFs in Europa angelegt war. 2012 war hier nur noch 35% des verwalteten Vermögens investiert. Neben der Deutschen Bank hat sich übrigens auch Lyxor für physisch replizierende Produkte entschieden. Damit sind die größten Anbieter von Swap-ETFs so umgeschwenkt, wie es 2010 noch Anbieter wie iShares und ETFlab bereits getan hatten, als sie einige Swap-ETFs auf den Markt brachten. (Der Vertriebserfolg von iShares und ETFlab mit synthetischen Produkten seit 2010 ist übrigens überschaubar, was zeigt, dass es sich nicht immer lohnen muss „dabei“ zu sein.)
Konsolidierung und Schließungen innerhalb der ETF-Welt
Im Jahr 2012 wurden 60 ETPs geschlossen. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass in den vier vergangenen Jahren jeweils 20-25 Produkte vom Markt genommen wurden. Es kann sogar sein, dass sich einige Anbieter ganz vom Markt zurückziehen werden. Beispielsweise bietet Credit Suisse sein ETF-Geschäft zum Verkauf an. Der Deal wurde vor wenigen Tagen verkündet: BlackRock ist zum Zuge gekommen, und der Marktführer iShares wird damit noch größer. Das weist auf den Anfang einer Konsolidierungsphase am Markt hin.
Selbstverständlich sollte man aber im Auge behalten, dass es nach vier Jahren rasanten Wachstums in der Branche zu einer ersten Ausdünnung kommt. Unter ETF-Experten ist man sich einig, dass es zwei bis drei Jahre dauert, bis sich ein ETF am Markt behauptet hat. Die erhöhte Anzahl von Schließungen zeigt daher, dass die Anbieter jetzt bereit sind, unprofitable Produkte vom Markt zu nehmen anstatt sie weiter künstlich am Leben zu erhalten. Damit können unnötige Kosten gespart werden, was wiederum zu geringen Managementgebühren für die profitablen Produkte führen könnte.
Die Hälfte der geschlossenen Indexprodukte im Jahr 2012 waren Fonds, die auf Aktienindizes ausgerichtet waren, während rund 25% auf alternative Investments entfiel. Diese Kategorie enthält ETFs mit Hebel sowie inverse ETFs, die eher für die kurzfristige Anlage geeignet sind. Nur 15% der ETFs, die geschlossen wurden, entfielen auf Rentenindizes. Das liefert ein Bild, wie sich die Branche in Europa entwickelt hat und wo die Reise möglicherweise in der Zukunft hingeht.
Ausblick für die ETF-Branche im Jahr 2013
Da der Markt für Flaggschiffprodukte auf der Aktienseite bereits sehr ausgereizt ist, ist zu erwarten, dass es sich bei den neuen Angeboten eher um Spezialprodukte handeln wird. Darunter fallen sogenannte Smart Beta ETFs, die sich auf Strategie-Indizes beziehen oder auf einen alternativ gewichteten Index. Es handelt sich hierbei in erster Linie um aktiennahe Investments, die Zwitter zwischen aktiven und passiven Produkten darstellen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis ähnliche Produkte bezogen auf den Rentenmarkt aufgelegt werden. Apropos: Da der ETF-Rentenmarkt deutlich jünger ist als das ETF-Aktiensegment, besteht noch Nachholbedarf. Auf der Bond-Seite gibt es noch Raum für die Lancierung neuer Flaggschiffprodukte auf marktbreite Indizes.
Das Ziel vieler ETF-Anbieter wird es sein, eine Produktpalette anbieten zu können, die alle Anlageklassen abdeckt, die für einen Investor aus taktischer und strategischer Sicht interessant sein könnten. Andere Anbieter werden sich dagegen mit Nischen-Strategien begnügen – hier stellt sich die Frage nach der kritischen Masse – zumindest mittelfristig.
Wahrscheinlich wird sich 2013 ein weiterer Trend in den Vordergrund spielen. Der Trend hin zu Dachfonds, die sich auf ETFs spezialisieren. Wir haben diesen Trend bereits frühzeitig aufgegriffen und vor wenigen Tagen eine Marktübersicht über ETF Managed Portfolios (ETFMP) erstellt (lesen Sie hier mehr).
Gleichzeitig bleibt es wichtig, dass Anleger über Produktneuheiten informiert werden. Trotz des beachtlichen Wachstums der ETF-Branche in Europa in den letzen fünf Jahren machen ETFs nur 5% des Investmentfonds-Vermögens aus. Das heißt mit anderen Worten, dass ein weiteres Wachstum durchaus möglich ist, wenn die Produkte stärker (und besser) vermarket werden.
In den einzelnen europäischen Ländern gibt es hier große Unterschiede, was sich hauptsächlich auf die unterschiedlichen regulatorischen Bestimmungen zurückführen lässt. In einigen Ländern werden diese Produkte sicherlich weiterhin nur für institutionelle Investoren verwendet werden. In Großbritannien hingegen ist zu erwarten, dass sich ETFs auch bei den Privatanlegern durchsetzten werden. Die Finanzaufsichtsbehörde FSA hat seit Ende 2012 neue Bestimmungen für die Ausweisung anfallender Beratungsgebühren für Privatanleger in Kraft gesetzt, um die Transparenz zu erhöhen. Es wird erwartet, dass das ETFs einen Schub geben wird.
Die Maßnahmen der Zentralbanken werden ebenfalls einen Einfluss auf die Entwicklung in der Investmentbranche haben. Die lockere Geldpolitik und die damit verbundenen niedrigen Zinsen lassen Kapitalanleger nach risikoreicheren Anlagemöglichkeiten suchen. Die amerikanische FED und die Bank of England verfolgen sicherlich einen anderen Ansatz bei ihrer Geldpolitik als die europäische Zentralbank, insbesondere wenn es um die Inflation geht. Das wiederum wird die Wechselkurse beeinflussen, die Kapitalanleger stark im Auge behalten sollten.