Ungeachtet der konjunkturellen Eintrübung in Europa sind die Aktienmärkte 2012 und auch 2013 weit vorausgeeilt. Umso relevanter ist heute deshalb die Frage nach den Bewertungen. Wir haben den europäischen Aktienmarkt zunächst aus der Vogelperspektive betrachtet (lesen Sie hier mehr). Nun wollen wir uns die einzelnen Branchen vornehmen. Wir starten unsere Umschau auf europäische Aktien mit der Frage, ob und wo Substanz in den Branchen Konsum und Finanzen zu finden ist.
Konsumgüter: Die Hellenen trinken keine Cola mehr
Natürlich gilt die alte Regel: Wenn sich an den Märkten die Unsicherheit breit macht, sind Basiskonsumgüter eine (relativ!) sichere Bank. Das ist logisch, denn auf Nahrungsmittel, Klopapier, Seife, Zahnpasta usw. verzichtet man auch dann nicht, wenn man den Gürtel enger schnallen muss. (Und da es genug Reiche gibt, die in schlechten Zeiten eben nur etwas weniger reich sind, gilt diese Regel eigentlich auch für Luxuskonsumgüter).
Besonders in Nordeuropa läuft es noch rund: Coca-Cola berichtet von einem leicht steigenden Absatz in Deutschland in 2012, Diageo hat es im vergangenen Jahr sogar auf mittlere einstellige Steigerungsraten in Deutschland, der Türkei und Russland gebracht, und Beam profitiert von einer starken Nachfrage in Deutschland nach Hochprozentigem.
Gut schlagen sich auch Luxusgüterhersteller wie LVHM, auch wenn Gewinn und Cashflow 2012 leicht unter den Erwartungen blieben. Besonders gut lief es im vergangenen Jahr in China. Noch besser verdiente Hermes, der Wachstumsraten von mehr als 20% verzeichnete. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 40 ist die Aktie allerdings kein Schnäppchen mehr. Ähnlich teuer ist Prada.
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 40 ist die Aktie von Hermes kein Schnäppchen mehr.
Allerdings tun sich auch viele Kosumgüterhersteller schwer, ihren Absatz in diesem Konjunkturumfeld zu steigern. Dies gilt zum Beispiel für viele Getränkehersteller. So hat jüngst Diageo bekanntgegeben, dass das Südeuropageschäft schwächelt. Vor allem in Spanien werde man sich bis in das zweite Quartal schwertun. Noch dramatischer sieht es bei Coca-Cola Hellenic aus, das sein Geschäft vor allem in Südeuropa betreibt. Auch bei den Herstellern alkoholischer Getränke schwächelt das Europageschäft, etwa bei Carlsberg, ein Haus, das bislang rund 50% seines Gewinns in Europa erzielte.
Das attraktivste Rendite-Risiko-Profil weisen im Bereich zyklischer und defensiver Konsum die Aktien von Accor, Carrefour, Wm Morrison und Wolters Kluwer auf. Diese Aktien sind allesamt mit vier Sternen bewertet (keine Aktie weist fünf Sterne auf - die höchste Stufe im Aktien-Rating von Morningstar). Sie finden hier die Details unserer Aktien-Coverage-Liste für europäische Rohstoff- und Konsumgüterhersteller.
Banken: Noch ein Hund, der weit vorausgeeilt ist
Kaum einer hat das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Börse so plakativ und dennoch treffend beschrieben wie der legendäre Investor Andre Kostolany. Es verhält sich so wie ein Mann und seinem Hund beim Spaziergang: Der Mann läuft gleichmäßig in eine Richtung, der Hund rennt vor und zurück. Beide bewegen sich im Ergebnis in die gleiche Richtung, der Mann stetig, der Hund sprunghaft.
Um im Bild zu bleiben: Die Bankaktien sind seit vergangenem Sommer der Realwirtschaft weit vorausgeeilt. Wir sehen deshalb derzeit aus Bewertungssicht wenig Spielraum für größere Gewinne.
Doch verharren wir zunächst bei den positiven Aspekten für die Banken und Finanzdienstleister. Die unmittelbare Gefahr eines Auseinanderbrechens der Eurozone ist gebannt, und das verbesserte Sentiment für die Eurozone macht sich zaghaft bei den Ergebnissen der Banken bemerkbar. Die Handelsumsätze sind im vierten Quartal gestiegen und sind offenbar auch im Januar 2013 robust gewesen. Sinkende Abschreibungen auf Kredite bei der Deutschen Bank sowie eine Entspannung beim Hypothekenportfolio von Barclays sind Beispiele für die durchaus vorhandenen Lichtblicke.
Bei Banken und Finanzdienstleistern gibt es aus Bewertungssicht 2013 wenig Spielraum für weitere Kursgewinne
Doch der Gesamtausblick ist trübe. Angesichts der niedrigen Zinsen und der stagnierenden Wirtschaft gibt es kaum Anzeichen für steigende Zins- oder Provisionsmargen. Auch wenn sich die Quote von so genannten non performing loans (NPL), also der Anteil fauler Kredite, auf niedrigem Niveau befindet, ist sie dennoch im Anstieg begriffen, so etwa bei KBC in Belgien.
Besondere Sorgen bereiten uns italienische Banken. Die Kreditvergabe ging im Dezember zurück, und der Anteil fauler Kredite stieg per Ende 2012 auf 3,3% von 2,7% Ende 2011. Bei Cariparma, dem italienschen Arm von Credit Agricole, betrug der NPL-Anteil sogar 8,1% per Ende vergangenen Jahres.
Nach der rund achtmonatigen Hausse finden sich kaum noch attraktive Banken in unserem europäischen Aktien-Universum. Vier Sterne weist bei den Banken nur die Aktie der Julius Bär Gruppe auf. Bei Finanzdienstleistern ist die Aegon-Aktie ebenfalls mit vier Sternen bewertet. Sie finden hier die Übersicht über die Bewertung von europäischen Bank- und Finanzdienstleisteraktien per Ende Februar.
Sie gelangen hier zum nachsten Teil unserer Umschau auf europäische Aktien: Pharma und Versorger.