Herr Weise, es ist auffällig, dass Ihre Fonds M&W Privat und M&W Capital in den vergangenen Jahren vor allem dann gut performt haben, als es auf den Aktienmärkten turbulent zuging, also 2008 und 2011. In den vergangenen Jahren lagen die Fonds weit hinten. Sind Sie wirklich flexibel oder doch nur ein Portfoliobaustein für das Risikomanagement?
Das liegt im Auge des Investors und an seinen Zukunftserwartungen. Viele Investoren setzen heute auf uns, weil sie auch der Meinung sind, dass wir mit einer Geldsystemkrise konfrontiert sind und die Risiken im System immer schwerer einzuschätzen sind. Die kennen unsere Makrosicht und wissen, dass Edelmetalle zurzeit bei uns gesetzt sind. Aber das war natürlich nicht immer der Fall. In der Vergangenheit haben wir nicht nur defensiv gearbeitet, sondern die Flexibilität voll ausgenutzt. 1999 hatten wir keine Aktien in unseren Fonds, 2003 waren wir zu 95% in Aktien investiert, und vor dem Ausbruch der Finanzkrise haben wir alle Aktien im Jahr 2007 verkauft und die Edelmetalle hoch gewichtet. Aber auch hier haben wir Gold-Position 2008 temporär zurückgefahren.
Stehen sie heute nicht unter dem Zwang, flexibler zu agieren? Ihre Weltsicht ist das eine. Das andere ist, dass Sie heute offenbar keine taktischen Positionen eingehen und damit Chancen auslassen. Wo ist da die Flexibilität?
Nur, weil wir nicht aktionistisch hin und her traden, heißt das nicht, dass wir nicht flexibel sind. Wenn der Goldpreis morgen nach oben schießen würde und wir zu dem Schluss kämen, dass sich beim Goldpreis eine Blase gebildet hat, würden wir unsere Goldposition reduzieren oder sogar ganz verkaufen. Heute sehen wir Gold aber eher als unterbewertet, und deshalb gibt es keinen Anlass, uns da herauszubewegen. Im Gegenteil: Nach der Übertreibung nach unten im ersten Halbjahr haben wir unsere physische Goldquote in unseren Fonds deutlich auf bis zu 45 Prozent erhöht. Natürlich lässt sich immer im Nachhinein immer sagen, dass das eine oder andere nicht die richtige Allokation war, aber im Nachhinein ist jeder schlauer.
In der Vergangenheit haben wir nicht nur defensiv gearbeitet, sondern die Flexibilität unserer Fonds voll ausgenutzt.
Dass die Eurokrise heute nicht gelöst ist, ist das eine, das andere ist, dass die Wirtschaft in den USA anzieht, die Anleiherenditen sind deutlich gestiegen. Wie haben Sie auf diese Veränderungen reagiert?
Gar nicht, weil die gestiegenen Anleiherenditen die systemischen Probleme noch deutlich verschärfen, die in der Finanzkrise manifest geworden sind: Das Überschuldungsproblem. Heute soll es mit dem untauglichen Mittel einer noch höheren Verschuldung bekämpft werden. Und inzwischen muss man erkennen, dass die Notenbanken die Kontrolle verlieren. Wenn FED-Chef Ben Bernanke sagt, er verstehe den Zinsanstieg bei Treasuries nicht, dann ist das eine interessante Bemerkung. Die Risiken im System sind da, und sie werden auch noch eine Weile die Weltwirtschaft bedrohen. Das diskontieren die Aktienmärkte überhaupt nicht. Wenn man sich anschaut, wie stark die Schwellenländer nach unten rauschen – und das sollten noch zu Jahresanfang die Hoffnungsträger der Weltwirtschaft sein -, dann muss man vermuten, dass die Risiken an den etablierten Märkten auch nicht geringer geworden sind. Die Eurokrise verschlimmert sich immer weiter. Es werden immer neue Rettungspakete geschnürt, und die EZB wird immer mehr Staatsanleihen finanzieren müssen. Die Lösung der großen Probleme wird immer weiter in die Zukunft verschoben. Wir haben zwar keine Ahnung, wie diese Geldexperimente ausgehen werden, aber allein das Beispiel Japans stimmt einen akut bedenklich. Japan geht seit Jahren diesen expansiven Weg und muss inzwischen fünfzig Prozent seiner Steuereinnahmen für den Schuldendienst aufwenden. Jetzt springt die Notenbank ein und kauft praktisch alle Staatsschulden. Das heiß doch nur, dass Japan faktisch pleite ist!
Die Risiken im System sind da, und sie werden auch noch eine Weile die Weltwirtschaft bedrohen. Das diskontieren die Aktienmärkte überhaupt nicht.
Es gibt den Spruch: Sie müssen tanzen, so lange die Musik spielt. Sie tanzen nicht mit. Die Märkte spielen aber das Erholungsszenario.
Auf diese Feststellung würde ich mit PIMCO-Chef Bill Gross antworten: „Wir sehen überall Blasen, und wir wissen nicht, wann sie platzen werden“. Genau aus diesem Grund tanzen wir nicht mit.
Was sind Ihre Konsequenzen aus dieser Erkenntnis? Wie setzen Sie Ihr Crash-Szenario um in Ihren Fonds?
Es muss nicht zwangsläufig auf einen Crash hinauslaufen. Wie ich bereits erwähnte, setzen wir vor allem auf physisches Gold und auch auf Goldminen, die wir mit rund 17% gewichten. Diese beiden Anlageklassen sind nicht überbewertet. Dann wird es bei Aktien aber auch schon schwierig. Unserer Meinung nach sind die Konsensschätzungen für die Weltwirtschaft und die Unternehmensgewinne viel zu hoch. Es bestehen erhebliche Risiken in den Emerging Markets, und auch die US-Wirtschaft wird sich nicht so signifikant erholen, wie es die meisten Analysten prognostizieren. Dass die Erholung eher statistischer Natur ist, zeigt sich, wenn man nicht die klassische Arbeitslosenstatistik, sondern die Zahl der Menschen in den USA, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, betrachtet. Oder wenn man sich die Rekordzahl der Empfänger von Lebensmittelmarken vergegenwärtigt. Von einem sich selbst tragenden Aufschwung, einer nachhaltigen Erholung, kann nicht die Rede sein.
Ihre Investoren halten Ihnen die Treue, was bemerkenswert erscheint, wenn man sich die schlechte relative Performance Ihrer Fonds in den vergangenen drei Jahren vergegenwärtigt. Wie sieht ihr typischer Investor aus?
Inzwischen ist unsere Investorenbasis so breit gestreut, dass man das so nicht pauschal sagen kann. Ich vermute aber, dass der klassische Investor in unseren Fonds unserer Erkenntnis folgt, dass die grundsätzlichen Probleme im Geldsystem ungelöst sind. Wir haben unsere Einschätzung immer sehr klar vertreten, die können Investoren sehr gut nachvollziehen.
Fällt Ihr Investment in Goldminenaktien da nicht aus dem Rahmen? Die Performance dieser Aktien hängt nicht 1:1 am Goldpreis, und auch die klassische Einschätzung, dass Goldaktien einen Hebel auf den Goldpreis entfalten, ist heute umstritten. Wäre nicht ein Investment in klassisch defensive Branchen naheliegender als in zyklische Minenwerte zu investieren?
Minenaktien haben inzwischen eine ganz eigene Story entwickelt. Die Unternehmen haben zur Kenntnis genommen, dass sie sich mit den großen Investitionen in der Vergangenheit verhoben haben und zu hohe Risiken eingegangen sind. Sie sind umgeschwenkt und sind stark auf die Kostenbremse getreten. Dann kam der jüngste Verfall beim Goldpreis, der die Kurse noch stärker gedrückt hat. Aber die abgeschlossene Berichtssaison hat gezeigt, dass der Trend zu Kostensenkungen gut funktioniert hat. Goldminen sind stark unterbewertet, und sie können heute eine ganze Menge Druck aushalten. Wir haben die Positionen aufgestockt, weil die grundlegende Story noch stimmt und wir den Goldpreis für niedrig halten.
Goldminen sind stark unterbewertet. Wir haben die Positionen aufgestockt, weil die grundlegende Story noch stimmt und wir den Goldpreis für niedrig halten.
Sie halten auch nach wie vor hohe Cash- und Bond-Positionen von über 35 Prozent in Ihren Fonds.
Ja, und um die mache ich mir die größten Sorgen. Mit Anleihen und Cash steht man nach heutigem Stand langfristig am schlechtesten da. Insofern dürften wir da etwas verändern. Wir haben einige defensive Aktien und andere Qualitätstitel auf der Watch List, aber wir haben das Gefühl, dass wir die deutlich günstiger bekommen werden, wenn erst klar wird, dass die Gewinnerwartungen viel zu optimistisch sind. Dann kommen die Kurse unter Druck.
Oder die Märkte laufen Ihnen davon …
Das glaube ich nicht, schauen Sie sich die Umsätze der US-Einzelhändler, beispielsweise von Wal Mart an. Da steht sich schon die Frage, wo der Aufschwung in den USA bleibt. Unilever oder Nestlé sind interessante Unternehmen mit einer soliden Bilanzstruktur, einem guten Produktmix und einer starken Marke, aber die Gewinne hängen stark an den Emerging Markets, deren Währungen gerade abtauchen.
Über allem schwebt allerdings die Frage, wann sich Ihr Crash-Szenario materialisieren wird, auf das Sie Ihre Fonds ausgerichtet haben.
Wir haben keine Glaskugel, und es gibt keinen Zeitplan für unser Szenario, und es muss wie gesagt, auch keinen Crash geben. Fest steht, dass wir in einer Ära der zentralen Planwirtschaft der Notenbanken leben. Die Märkte glauben – noch! – dass die Notenbanken alles unter Kontrolle haben, aber die Schwarzen Schwäne sind schon da. Das Geldsystem ist an seine Grenzen gestoßen. Wo werden die Schwarzen Schwäne herkommen, und wo schlagen sie zu? Wir wissen es nicht. Gold ist unsere Versicherung gegen Unfälle im Finanzsystem, mit denen wir zu rechnen haben. Ob das in einem deflationären Schock mündet, in Krisen in den Emerging Markets oder in einer galoppierenden Inflation können wir heute noch überhaupt nicht sagen.
Das Beispiel Japans zeigt, dass eine Wirtschaftskrise ziemlich lange dauern kann…
Ja, man sollte sich nicht hinstellen und sagen: Wir bereiten uns auf den Weltuntergang vor. Das ist auch nicht die Bedingung dafür, dass unsere Fonds eine Outperformance erzielen. Es würde schon reichen, wenn das Finanzsystem fünf Jahre mit zweistelligen Inflationsraten zu kämpfen hat. Dann würde unsere Goldposition eine sehr solide Performance ermöglichen.
So lange das Notenbankgeld nicht in den Wirtschaftskreislauf gelangt und das Wachstum anämisch bleibt, klingt eine Deflation aber wahrscheinlicher.
Das hängt stark davon ab, wie lange und wie viele Schulden die Notenbanken monetarisieren werden, wobei ich auch deflationäre Schocks nicht kategorisch ausschließen würde. Ich glaube schon, dass Inflation eher das Thema sein wird. In Asien ist die Inflation bereits ein sehr großes Thema. In Hongkong liegt die Rate bei über 6,5, in Indien bei zehn Prozent. Das ist ja auch der Grund, warum die Nachfrage nach physischem Gold dort so groß ist.
Wenn sich die Wirtschaft nun nicht erholt und die Sozialsysteme über die Notenpresse finanziert werden, dann kommt die Inflation schneller, als es viele glauben.
Auch in Deutschland sehen wir ein beunruhigendes Bild. Die Preise für Nahrungsmittel, und die betreffen alle Bürger gleichermaßen, sind sehr stark gestiegen. Wenn sich die Wirtschaft nun nicht erholt und die Sozialsysteme über die Notenpresse finanziert werden, dann kommt die Inflation schneller, als es viele glauben. Ich glaube, es gibt kein Zurück für die Notenbanken mit Blick auf die expansive Politik.
Das Interview führte Ali Masarwah