Zeit für mehr Defensive im Portfolio?

Viele Aktien-Indizes notieren nahe ihren Höchstständen. Wer mit einer Konsolidierung rechnet, könnte auf defensive Aktien schauen. Unser wöchentlicher Bericht über Indizes, ETFs - und ihre Kosten.

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Die Aktienmärkte haben in den vergangenen Wochen neue Höhen erklommen. Gestützt wurden die Kurse zum einen durch ein Ausbleiben der erwarteten Strafung der monetären Politik in den USA. Zum anderen gab es erfreuliche Konjunkturdaten in Europa, den USA oder China. Einige Aktienanalysten sehen den DAX nächstes Jahr sogar bei über 9.000 Punkten.

Aber wie immer gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. In Deutschland stehen nach den Wahlen schwierige Koalitionsverhandlungen an, in den USA muss wieder um die Erhöhung der Schuldenobergrenze debattiert werden, und der Konflikt in Syrien ist immer noch nicht gelöst. Zudem haben die steigenden Kurse dazu geführt, dass Aktien teilweise teuer geworden sind und viele Vermögensverwalter im Zuge dessen ihre Aktienquote reduzieren. Das Risiko einer Korrektur scheint also realistisch zu sein.

Sollten Sie das Glas also eher als halb leer betrachten, bietet sich die Übergewichtung defensiver Sektoren an. Hierzu zählen unter anderem Versorger, Telekommunikationsunternehmen oder der Gesundheitssektor.

Insgesamt gibt es weit über 20 Produkte, welche die europäischen Sektoren Versorger, Telekommunikation und Gesundheit abdecken. Wir haben uns in der heutigen Analyse auf die drei größten Produkte in jeder dieser Morningstar-Kategorie beschränkt.

Tabelle: Die größten ETFs aus defensiven Aktienbranchen in der Übersicht 

Kommen wir nun zur Indexbeschreibung: 8 von 9 ETFs bilden den Sektor-Index STOXX Europe Familie ab. Dabei wird der STOXX Europe 600 Index zu Grunde gelegt und alle Unternehmen des jeweiligen Sektors berücksichtigt. Der STOXX Europe 600 Index bildet die Performance von den 600 größten Unternehmen nach, die an den Börsen der entwickelten europäischen Staaten gelistet sind. Insgesamt deckt der Index 90 Prozent der Marktkapitalisierung ab und ist anhand der Streubesitz- Marktkapitalisierung gewichtet. Bei den Versorgern bildet Amundi noch den Sektor-Index des MSCI Europe ab. Der MSCI Europe Index bildet derzeit knapp über 500 Unternehmen aus Europa ab und ist auch anhand der Streubesitz- Marktkapitalisierung gewichtet.

Was die unterschiedlichen Indizes ausmachen

Der STOXX Europe 600 Telecommunications Index und der STOXX Europe 600 Health Care Index sind im Vergleich zum STOXX Europe 600 Utilities Index sehr kopflastig und weisen daher eine größeres Einzelaktienrisiko auf. Während die Top-3 Unternehmen in den beiden ersteren Indizes noch ca. 55% vom Indexwert repräsentieren, sind es beim Versorger Index lediglich 35%. Die etwas bessere Diversifikation kann die weiteren Spreads eventuell teilweise erklären, da ein größerer Hedging-Basket nötig ist und dadurch Zusatzkosten entstehen.

Anleger sollten bei solchen Produkten auch die Kosten im Blick haben. Bei ETFs fallen vielfältige Gebühren an. Die Management-Gebühren sind dabei das eine. Das andere sind die Gebühren, die beim An- und Verkauf anfallen, die Spreads. Wir haben schon häufiger darauf hingewiesen, dass Anleger neben der Management-Gebühr diese oft übersehene Kostenkomponente beachten sollten (lesen Sie hier mehr).  Neben den wichtigsten Kennzahlen der ETFs am Markt enthält unsere Tabelle auch eine Aufschlüsselung der Kostenkomponenten.

In den 30 Handelstagen vom 15. August bis 25. September weisen die Produkte bei den Telekommunikationsunternehmen und dem Gesundheitswesen relativ vergleichbare Spreads auf. Während beim Telekommunikationssektor die Spreads zwischen 13 und 15 Basispunkten liegen, sind es beim Gesundheitssektor 10 bis 16 Basispunkte. Bei den Versorgern müssen Investoren  etwas tiefer in die Tasche greifen, da die Spreads zwischen 13 bis 24 Basispunkten liegen.

Je nach Haltedauer unterschiedliche Kostenkennziffern beachten

Bei den „Estimated Holding Costs“ schaut das Bild wieder etwas anders aus. Generell sollte diese Kennzahl positiv sein, da sie Kosten impliziert. Eine negative Kennzahl deutet hingegen auf einen positiven Renditeeffekt. Während es bei ETFs auf den Gesundheitssektor noch tatsächliche Kosten sind, suggeriert die Kennzahl bei den anderen beiden Sektoren eine Outperformance. Im Schnitt machen die ETFs im Gesundheitssektor zudem den „besten“ Job - nämlich den Index möglichst nahe abzubilden.  Am „günstigsten“ wird es hingegen bei den Versorgern, die durchschnittliche Estimated-Holding-Costs von -46 Basispunkten aufweisen. Die hohe Outperformance der iShares-Produkte lässt sich teilweise durch die Erträgen aus der Wertpapierleihe erklären.

Bei den Management-Gebühren gibt es hingegen ein recht einheitliches Bild. Während die Produkte von iShares in allen drei Sektoren mit 45 Basispunkten die teuersten ETFs sind, verlangt die Konkurrenz 25 bzw. 30 Basispunkte.

Bei der Kostenanalyse sollten Investoren dennoch alle Faktoren berücksichtigen. Die „Estimated Holding Costs“ ist zwar ein sehr guter Ansatz, da eine einzige Zahl alle beeinflussende Faktoren berücksichtigt, jedoch hat jeder Investor einen anderen Anlagezeitraum. Je kürzer dieser ist, desto wichtiger werden die Spreads, je länger dieser ist, desto wichtiger wird der TER. Zudem sind die „Estimated Holding Costs“ nur Schätzungen für die Kosten über die nächsten 12 Monate. Investoren sollten also immer den gesunden Menschenverstand benutzen und sich über die Unterschiede zwischen den einzelnen Kennzahlen bewusst sein.

 

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Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.