Bei institutionellen Investoren zählen heute nicht nur die Rendite-Aspekte einer Kapitalanlage. Pensionskassen, Versorgungswerke, Stiftungen und andere Großanleger berücksichtigen immer mehr die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien und die Grundsätze der guten Unternehmungsführung. Das betrifft nicht nur die Unternehmen, in die sie (ummittelbar oder mittelbar über Fonds) investieren. Die Aufmerksamkeit der Governance-Verantwortlichen gilt in zunehmenden Maße offenbar auch den Vermögensverwaltern, die das Geld treuhänderisch verwalten. Dieser Schluss drängt sich jedenfalls anhand der Vorkommnisse um den MainFirst Top European Ideas auf, der seit zwei Wochen unter hohen Mittelabflüssen leidet. Der Fonds wird vom prominenten Fondsmanager Olgerd Eichler verantwortet.
Rechtlich nicht zu beanstanden, Gschmäckle bleibt
Worum es im Kern geht: Der Eichler-Fonds erwarb kürzlich Anteile an der Muttergesellschaft MainFirst Holding, die neben der Vermögensverwaltung auch das Investment-Banking-Geschäft betreibt. Das hat ein Gschmäckle. Unser Fondsanalyst Simon Nöth, der den Eichler-Fonds regelmäßig analysiert, schreibt in einer aktuellen Einschätzung dazu: „MainFirst ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nichts vorzuwerfen. Die Aufsichtsbehörden wurden nach Angaben des Unternehmens informiert und die im Prospekt vorgeschriebenen Anlagegrundsätze wurden eingehalten.“ Einerseits.
Andererseits, so unser Analyst weiter, „kann man aber wohl davon ausgehen, dass hier nicht nur das Anlegerinteresse im Blick war, sondern durch die Weitergabe der MainFirst-Anteile auch die Interessen der MainFirst-Partner bedient wurden. Dass es sich bei den MainFirst-Anteilen durchaus für ein sinnvolles Investment für die Fondsanleger handeln kann, ändert nichts an der Tatsache, dass hier ein Interessenkonflikt vorliegt“.
„Infolgedessen“, so Simon Nöth weiter, „werden wir in Zukunft aber ein besonderes Augenmerk auf die Corporate-Governance-Praktiken des Unternehmens richten“. Das „Bronze“-Rating des Fonds bleibt derweil bestehen (lesen Sie mehr zu unserer Gesamteinschätzung des MainFirst-Deals hier).
Etliche Anleger haben Fondsanteile verkauft
Einen Schritt weiter gehen offenbar institutionelle Anleger und möglicherweise auch Privatinvestoren, die über die Berichterstattung des Manager Magazins von der Transaktion mit den MainFirst-Holding-Aktien erstmals am 24. April Wind bekommen haben.
Aus unseren Daten geht hervor, dass Anleger in der institutionellen C-Tranche seit der Berichterstattung des Manager Magazins in substanziellem Umfang Gelder abgezogen haben. Bis zum 24. April, dem Tag des Bekanntwerden des Deals, investierten institutionelle Anleger laut unseren Mittelfluss-Schätzungen in diesem Jahr im Schnitt täglich 1,63 Millionen Euro in die C-Tranche des MainFirst Top European Ideas. Am 25. April brachen dann die Dämme. An diesem Tag wurden 171,7 Millionen Euro aus dieser Tranche netto abgezogen. Die Absatzbewegung hält sich seitdem auf hohem Niveau. Bis zum 8. Mai wurden laut unseren Daten weitere 145 Millionen Euro netto aus der Tranche abgezogen.
Interessant ist, dass Privatanleger auf dieses fragwürdige Aktiengeschäft zunächst nicht reagiert haben. Die A-Tranche des MainFirst Top European Ideas verbuchte vom 25. April bis zum 2. Mai zwar im Vergleich zum bisherigen Jahresverlauf leicht unterdurchschnittliche, aber insgesamt ordentliche Zuflüsse von knapp 280.000 Euro täglich. Das änderte sich erst, nachdem die Berichterstattung in den Medien weitere Kreise zog und Finanzberater spätestens im Zuge der Berichterstattung des Branchendienstes Fondsprofessionell Online Kenntnis von der MainFirst-Transaktion erhalten haben dürften.
Fonds schrumpft in zwei Wochen um 17,5 Prozent
An den vier Handelstagen zwischen dem 2. und 8. Mai flossen aus der A-Tranche des MainFirst Top European Ideas 3,4 Millionen Euro ab. Auch wenn man solche Kurzfristtrends vorsichtig bewerten sollte, sind die Abflüsse aus der Privatanleger-Tranche seit Anfang Mai auffällig. Insgesamt mussten alle fünf Tranchen des MainFirst Top European Ideas zwischen dem 25. April und 8. Mai 329,33 Millionen Euro an Abflüssen hinnehmen. Das entspricht 17,53 Prozent des am 24. April gemessenen Fondsvermögens von 1,88 Milliarden Euro. Per 8. Mai belief sich das Vermögen des MainFirst Top European Ideas laut unserer Datenbank Morningstar Direct auf 1,54 Milliarden Euro.
Unter dem Strich dürfte dieser Vorgang dem Management von MainFirst (sowohl auf der Holding- als auch von der Fondsebene) zumindest kurzfristig keine große Freude bereitet haben. Ob nun das Investment in die Anteile des eigenen Unternehmens für den Fondsmanager Olgerd Eichler (und somit auch für die Anleger in dem von ihm verwalteten Fonds) ein guter Deal war oder nicht, wird sich im Zuge der künftigen Bewertung der nichtbörsennotierten Aktien zeigen.
Würde man genötigt, ein Zwischenfazit aus der Transaktion mit den Aktien der MainFirst Holding zu ziehen, ist man versucht, vom sprichtwörtlichen blauen Auge zu sprechen. Anleger haben dem Eichler-Fonds die gelbe Karte gezeigt. Nicht übrigens dem Unternehmen als solches: Abgesehen vom Flaggschifffonds haben die anderen Fonds der Gesellschaft seit dem 25. April Zuflüsse in Höhe von gut 18 Millionen Euro verbucht. Olgerd Eichler und die anderen Verantwortlichen bei MainFirst dürfen zumindest letztere Zahlen mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.