Auf der Suche nach Rendite sind Risiko-Anlagen, von Peripherieanleihen bis hin zu High-Yield-Bonds, bei Anlegern immer wieder stark gefragt. Auch globale Nischenmärkte, die im Hinblick auf die Entwicklung und Reife ihrer Finanzinstitutionen noch hinter den gängigen Schwellenländermärkten herhinken, sind in den Fokus vieler Anleger gerückt. Diese so genannten Frontier-Märkte (deutsch ‚Grenzmärkte‘)— wie z.B. Vietnam, Ghana oder Libanon—sind kleiner, weniger gut zugänglich und meistens weniger transparent als Schwellenländermärkte wie Brasilien oder China. Trotzdem konnten sie in den letzten Jahren die Akzeptanz von europäischen Investoren gewinnen.
Seit Anfang 2013 sind rund 2,4 Milliarden Euro in die entsprechende Morningstar Kategorie ‚Aktien Global Frontier Märkte‘ geflossen. Neben den 10,8 Milliarden Euro, die über denselben Zeitraum in konventionelle Schwellenländer-Aktienfonds investiert wurden, mag diese Summe nicht beeindrucken. Aber die Zuflüsse der letzten rund zwei Jahre haben dazu beigetragen, das investierte Vermögen in dieser Kategorie mehr als zu verdreifachen, von 1,4 Milliarden Euro Ende 2012 auf 5 Milliarden Euro Ende September 2014. Von den 31 Aktienfonds, die sich heute in der Kategorie befinden, wurden 11 erst seit Anfang 2013 aufgelegt.
Frontiermärkte auch für Bond-Investments
Auch auf der Rentenseite stoßen solche Länder seit geraumer Zeit auf wachsendes Interesse. In diesem Zeitraum ist die Zahl der auf Grenzmärkte spezialisierten Fonds innerhalb der Morningstar Kategorie ‚Anleihen Schwellenländer‘ von einem auf fünf gestiegen. Das darin verwaltete Vermögen wuchs von 342 Millionen auf 1,6 Milliarden Euro an.
Das Interesse an den Grenzmärkten dürfte sich auch aus deren jüngerer Performance speisen. Über die 12 Monate bis Ende September 2014 hat der MSCI Frontier Markets Index eine Rendite von 39,3% erwirtschaftet, während der MSCI Emerging Markets Index auf 11,8% kam. Über 3 und 5 Jahren hat er die konventionelle Schwellenländer-Benchmark ebenfalls übertroffen, interessanterweise bei niedrigerer Volatilität. Auf der Rentenseite ist das Bild ähnlich. Auf Sicht von einem Jahr beträgt die Rendite des J.P. Morgan NEXGEM Index, der aus Dollar-Anleihen der Frontier-Märkte besteht, 17,5%, während der breiter gefasste J.P. Morgan EMBI Global Diversified Index um 9,7% zulegte.*
Im Visier: Wachstum, Wachstum, Wachstum!
Anleger in Fonds für Grenzmärkte setzen typischerweise auf ein höheres Wachstumspotenzial als in ‚Mainstream‘-Schwellenländern. Während bei einst beliebten Märkten wie China und Russland vor einer Produktivitätsflaute gewarnt wird und andere wie Südafrika unter dem Rückgang der Rohstoffpreisen leiden, verfügen viele Grenzmärkte wie Sri Lanka oder Senegal über eine junge, wachsende und aufstrebende Bevölkerung. Investoren erhoffen sich von der so genannten „demografischen Dividende“, kombiniert mit einem niedrigen Ausgangsniveau, ein überdurchschnittliches zukünftiges Wachstum.
Der Reiz liegt nicht nur in höheren Renditechancen. Da Anleihen und Aktien aus Frontier-Ländern an den globalen Finanzmärkten bisher nur eine geringe Rolle spielen, ist die Korrelation ihrer Kursschwankungen zu Blue-Chip-Aktien oder Staatsanleihen der Industrieländer auch geringer. Während sich der MSCI Emerging Markets Index über die letzten drei Jahre die Hälfte der Zeit parallel zum MSCI World bewegt hat, war die Korrelation des MSCI Frontier Markets Index zum MSCI World nur 8%.
Frontier-Märkte-Anleihen kamen auch besser durch die ‚Tapering-Krise‘ 2013, während klassische Emerging-Markets-Anleihen starke Verluste hinnehmen mussten. 2013 erzielte der Index für Frontier-Märkte-Anleihen sogar ein Plus von 5,1%, während der JPM EMBI 5,3% einbüßte.
Irak, Sri Lanka, Belize und Jamaika taugen nur bedingt als Aushängeschilder
Trotzdem gibt es gute Gründe, die gegen ein überstürztes Investment in den Grenzmärkten sprechen. Obwohl sie sich in den jüngsten Jahren mit guter Performance ausgezeichnet haben, bleiben Aktien und Anleihen der Grenzmärkte weiterhin wesentlich risikoreicher als Wertpapiere aus konventionellen Schwellenländern (und natürlich aus Industrieländern). Zum einen sind sie mit viel größeren politischen Risiken belastet—der J.P.Morgan NEXGEM Index umfasst unter anderem Länder wie Irak und Sri Lanka, die in Bürgerkriege verwickelt sind oder waren, sowie Belize und Jamaika, die 2013 eine Umschuldung durchliefen, um einen Zahlungsverzug zu vermeiden. Die Transparenz und Corporate Governance dieser Länder kann zudem weit hinter dem Standard der gängigen Emerging Markets zurückbleiben.
Die vergleichsweise geringe Volatilität, die Aktien und Anleihen der Frontier Markets in den letzten Jahren aufwiesen, kann zudem täuschen. Da Wertpapiere aus Grenzmärkten weniger gehandelt werden als konventionelle Schwellenländerwerte, werden sie von massiven Marktbewegungen durch ihre Illiquidität abgeschirmt. Als Schwellenländer-Rentenfonds im Sommer 2013 mit massiven Mittelabflüssen konfrontiert wurden, haben viele Manager erst die Papiere veräußert, die sie am schnellsten verkaufen konnten (z.B. brasilianische oder türkische Anleihen).
Hätte die Marktpanik länger angehalten, wären mehr Manager gezwungen gewesen, auch exotischere Emittenten zu verkaufen. Im Krisenjahr 2008 haben Anleihen aus Ländern wie Ghana oder Georgien wesentlich mehr gelitten als der breitere Schwellenländerindex. Auf der Aktienseite verlor die Benchmark MSCI Frontier Markets seinerzeit auch mehr als der MSCI Emerging Markets Index, und das über einen kürzeren Zeitraum.
Hinzu kommt, dass Grenzmarkt-Fonds relativ teuer sind. Der durchschnittliche Vertreter der Morningstar Kategorie ‚ Aktien Global Frontier Märkte‘ erhebt eine jährliche laufende Vergütung von 2,50%. Das liegt rund einen halben Prozentpunkt über dem Durchschnitt der Fondskosten in der Kategorie ‚Aktien Schwellenländer‘. Angesichts der Risiken und der hohen Kosten sollten sich Anleger dieser neuen Anlageregion mit Vorsicht nähern.
* Zahlen für den J.P. Morgan NEXGEM Index und den J.P. Morgan EMBI Global Diversified Index sind in USD. Alle anderen Zahlen sind in EUR.