Kurt Eichhorn leitet das Rentenfondsmanagement der Kepler-Fonds KAG aus Linz. Er ist zugleich Co-Manager des Kepler Vorsorge Mixfonds, der in diesem Jahr erneut den Morningstar Award für den besten EUR Mischfonds gewann (lesen Sie hier mehr). Wir sprachen mit ihm in Wien am Rande der Morningstar-Awards-Verleihung über Ertragserwartungen von Anlegern am Rentenmarkt und welche Risiken man für Zusatzerträge in Kauf nehmen sollte. Das Interview fand vor dem Hintergrund der Heta-Pleite statt, die Fragen über die staatliche Schuldentragfähigkeit aufwirft. Der österreichische Staat hat erklärt, die Bad Bank der früheren Hypo Alpe-Adria Bank nicht weiter zu unterstützen. Die österreichische Finanzmarktaufsicht hatte Anfang des Monats ein Schuldenmoratorium für die Abwicklungsgesellschaft der Bank, Heta Asset Resolution, verhängt, nachdem eine Prüfung ergeben hatte, dass offenbar eine erhebliche Wertberichtung des Bestand im Nominalwert von 18 Milliarden Euro nötig ist. Nunmehr werden auch Anleihegläubiger die Verluste mittragen. Auch wenn die EZB derzeit für fallende Renditen sorgt: Die Entwicklungen am Bond-Markt sorgt bei Eichhorn - und vermutlich bei vielen anderen vorsichtig arbeitenden Rentenmanagern auch - nicht für Jubel.
Herr Eichhorn, die Kepler Fonds-AG hält Heta-Bonds im Wert von rund 70 Millionen Euro. Was sind die noch wert?
Diese Frage treibt uns auch um. Ich muss gestehen, dass wir noch nicht zu einem finalen Urteil gelangt sind, wir sondieren noch. Die Lage ist nicht so klar, wie es vielleicht scheinen mag. Die Kurse der Heta-Anleihen sind allesamt unmittelbar nach der Ankündigung des Moratoriums von 65 und Mitte 80 Cent auf unter 50 Cent gefallen. Derzeit notieren die Anleihen unabhängig von der Laufzeit wieder bei knapp 60. Es gibt also am Markt auch die Hoffnung, dass nicht alles verloren ist.
Wie werden Sie sich verhalten?
Auch das kann ich noch nicht sagen, es kann sein, dass wir verkaufen, es kann sein, dass wir die Frist des Moratoriums abwarten. Die Entscheidung ist nicht gefallen.
Für die ehemalige Hypo Alpe Adria Bank wurden staatliche Garantien über insgesamt gut 10 Milliarden Euro übernommen. Das ist gut dreimal so viel wie die jährlichen Einnahmen des Bundeslands Kärnten. Was sind diese Garantien wert?
Da muss man unterscheiden. In der Diskussion ist viel durcheinandergegangen. Es gibt verschieden Arten von Garantien: Da ist zunächst eine Anleihe, die explizit vom österreichischen Staat garantiert wird. Dass die bedient wird, stand immer außer Frage, und die Kurse haben nur minimal nachgegeben; sie notieren derzeit bei etwa 108%. Dann gibt es noch die die Garantien vom Land Kärnten. Was sind diese wert? Möglicherweise nicht viel. Andererseits: durch die Landesgarantie waren die Anleihen mündelsicher, also gesetzlich als für die Veranlagung von Mündelgeldern geeignet erklärt.
Durch die Kärntner Landesgarantie waren die Heta Anleihen mündelsicher, also gesetzlich als für die Veranlagung von Mündelgeldern geeignet erklärt
…das Bundesland bereitet sich offenbar auf eine Insolvenz vor. Das wäre nach dem Schuldenmoratorium ein schwerer Schlag.
Wie gesagt, es gibt nach wie vor sehr viele Unklarheiten, unter anderem hat das damit zu tun, dass es kein Konkursrecht für Bundesländer gibt. Vielleicht muss ja die Republik Österreich doch einspringen? Deshalb ist die Frage nach dem Wert der Heta-Papiere auch ein spieltheoretisches Problem. Jeder Investor wird sich die Frage stellen: Wann nehme ich ein Kaufangebot an? Jetzt, wo die Kurse sehr tief sind? Das ist auch wie aus dem Lehrbuch der Spieltheorie: Je ängstlicher die Gegenseite gemacht wird, desto stärker ist meine Verhandlungsposition, so dass ich taktisch etwas anbieten kann. Die Finanz- und die Eurokrise haben uns eine ungewohnte Situation beschert. Wir müssen die Schuldentragfähigkeit von Staaten grundsätzlich hinterfragen. Diese Situation wird uns vermutlich in naher und nicht so naher Zukunft begleiten.
Blickt man auf die Auswirkungen der Heta-Krise auf die Kepler-Fonds, dann fiel beim Kepler Vorsorge Rentenfonds ein maximaler Tagesverlust von 1,5% Anfang März an. Ist das ein Teil der neuen Normalität - Verluste entstehen auf scheinbar sichere Positionen? Angesichts des gigantischen staatlichen Schuldenniveaus und der zugleich sehr hohen Bewertungen an den Bond-Märkten könnten häufigere Verluste auf Risiko-Positionen zum Alltag am Rentenmarkt von morgen werden, und das auch ohne eine krisenhafte Zuspitzung wie im Fall Heta in Österreich?
Ja, das sehe ich auch so. Wir haben in den letzten Jahren versucht, genau diese grundsätzlichen Risiken unseren Anlegern noch stärker zu kommunizieren. Die auf Investitionshorizont – meist 5 Jahre und länger - zu erwartenden Erträge werden auch deswegen erzielt, weil auf die kürzeren Zeiträume Bonitäts- und Zinsänderungsrisiken billigend in Kauf genommen werden. Die Ertragserwartungen müssen deutlich zurückgenommen werden, auch wenn derzeit die Renditen durch das Kaufprogramm der EZB auf neue, bisher kaum vorstellbare Tiefen gedrückt werden.
Was so stark steigt, kann auch stark korrigieren, vor allem Spread-Produkte?
Ja, das ist bittere Nachricht. Es wird in der Zukunft viel weniger Ertrag auf der Rentenseite geben als in der Vergangenheit, und selbst diese Erträge sind möglicherweise mit höheren Risiken verbunden. Nicht weil wir Rentenmanager aggressiver investieren würden als früher. Investments in Anleihen waren schon immer mit Risiken verbunden, diese inhärenten Risiken sind in der Vergangenheit nur nicht schlagend geworden. Sie hätten aber auch vor fünf Jahren schlagend werden können. Irgendwann wird das der Fall sein.
Welche Renditeerwartungen kann man an ein konservatives Rentenprodukt, einen mündelsicheren Fonds, künftig stellen?
Ich denke, dass bei 1,5 bis 2% pro Jahr die Oberkante ist. In dieser Region werden wir uns aber nur deshalb bewegen, weil wir eine Vielzahl von strategischen und taktischen Entscheidungen treffen werden. Wir werden beispielsweise weiter kleinvolumige Anleihen am Sekundärmarkt aufsammeln, bei denen die Geduld reicht, da geht es nicht um zusätzliche Kreditrisiken, sondern einfach nur Prämien, die wir durch eine Buy and Hold Strategie vereinnahmen.
Bei konservativen Rentenfonds sind 2% pro Jahr die Oberkante -- und aber nur deshalb, weil wir eine Vielzahl von strategischen und taktischen Entscheidungen treffen werden
1,5% Rendite klingt bitter.
Selbst diese bitteren 1,5 % werden künftig stärker glänzen, als man jetzt glaubt. Und, wie gesagt, dabei kommen wir nicht ohne Risiken aus. Die sollten wir nicht klein reden. Das erschwert zwar oberflächlich den Vertrieb, aber es bringt nichts, um das Rendite-Problem herumzureden.
Sie sprachen von einer Vielzahl von taktischen und strategischen Entscheidungen. Heute gibt es immer mehr so genannte „Unconstrained“ Rentenfonds, die auch Short-Strategien einsetzen...
Ach wissen Sie, wer heute erst das Thema Diversifikation entdeckt, hat vor 10 Jahren etwas ganz Entscheidendes verschlafen. Ich muss schmunzeln, wenn diese Themen als Lösungen präsentiert werden, denn jetzt vorzugeben, die ganze Klaviatur der Bond-Märkte spielen zu wollen, ist ein Eingeständnis, dass man es bisher nicht gemacht hat und in der Vergangenheit versagt hat. Vielleicht sollte man auch nur seinen Kunden offen kommunizieren, was sie erwarten können?
Das Motto Diversifikation hätte man also schon lange entdecken können. Was ist mit Long-Short-Strategien auf der Durationsseite?
Wer sich anschickt, eine Long-Short-Strategie aufzusetzen, muss sich wirklich seiner Sache sehr sicher sein. Ist wirklich klar, woher die langfristigen Performance-Beiträge kommen? Damit Sie mich nicht falsch verstehen, wir sind aktive Investoren, aber die Basis unseres Investment-Prozesses ist, Betas abzugreifen. Prämien zu ernten, und zwar über die ganze Bandbreite möglicher Strategien, also mit Blick auf Duration-, Kredit- oder Illiquiditätsrisiken. Das muss erst einmal stehen. Darüber hinaus kann man sich natürlich, aus welchen Quellen man welche Alphaansprüche haben kann. Long-Short ist nicht unsere Spielwiese, das sagen wir durchaus mit einer nötigen Portion Demut, denn letztendlich geht es darum, die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen.
Sie sprachen ja bereits über Risikoprämien. Glauben Sie an die Momentum-Prämie?
Das diskutieren wir intern und auch mit Kunden, ich bin da aber sehr zurückhaltend bei allen Lösungsvorschlägen, an die viele das Etikett „Alpha“ anheften. Denn ein Alpha kann auch negativ sein. Wir schauen uns viele Ansätze und mögliche Strategien an unter der Fragestellung: Woher kommt die Performance, warum ist etwas in der Vergangenheit so gelaufen und hätte es nicht auch anders kommen können? Da fällt schon viel von dem durch, was als innovative Lösung verkauft wird. Ein Wort noch zum Thema Momentum: Der Glaube an Trends impliziert auf der Metaebene eine extrem aggressive Positionierung. Das ist vielen so nicht bewusst. Durch die Pfadabhängigkeit unterliegen die langfristigen Ergebnisse viel stärker dem Zufall, als einem lieb sein kann. Für den klassischen Renten- oder konservativen Mischfondsinvestor würde ich diesen Ansatz nur sehr dosiert empfehlen.
Für den klassischen Renten- oder konservativen Mischfondsinvestor würde ich Momentum-Strategien nur sehr dosiert empfehlen
Reden wir vielleicht über Eier, die nie gelegt werden? Die Europäische Zentralbank fährt eine extrem expansive Linie, und sie drückt die Bond-Renditen in ungeahnte Tiefen. Vielleicht ist die Gefahr gar nicht so groß und man kann doch die langen Laufzeiten spielen?
Es könnte sein, dass das gut geht, aber ich warne davor, alles auf eine Karte zu setzen. Als Rentenmanager sollte man nicht den Helden spielen. Man muss die Risiken abschätzen können, wenn man sich aktiv positioniert. Ich höre schon seit 15 Jahren die immer wiederkehrenden Warnungen, dass die Renditen zu tief seien. Es kann sein, dass die Renditen steigen werden und das kann auch zwischendurch wehtun. Aber es kommt auf das Ziel an. Wenn ich einen mittelfristigen Anlagehorizont von, sagen wir sieben Jahren habe, dann ist die defensivste Variante eines Portfolios auf diesen Horizont zu veranlagen, egal, ob das Risiko zwischendurch höher ist oder nicht. Das muss man mit Risikoprämien hinbekommen, alle darüber hinaus gehenden Ertragsziele hängen von der Alphafähigkeit ab. Wir haben auch Alpha-Quellen, aber dieser positive Alphabeitrag bewegt sich – rein auf die Durationsentscheidungen bezogen - nicht im zweistelligen Basispunktebereich und ist auch nicht in jedem Zeitabschnitt positiv. In den vergangenen zwei Jahren war er negativ. Auch wenn wir beim Kepler Vorsorge Mixfonds den Abstand zur Peergroup vergrößert haben, haben wir gegenüber dem Index nachgelassen.
Sie waren Anfang 2014 zu defensiv mit Blick auf die Duration?
Ja, das ist eine der halbbitteren Erkenntnisse: Wir waren sensationell besser als der Durchschnitt unserer Peergroup, aber nur ganz OK im Vergleich zur Benchmark. 2014 lagen wir mit der Durationsprognose schon das zweite Jahr in Folge falsch, aber wir haben weniger geirrt als der Rest des Marktes, der auch auf der falschen Seite war. Dass die Renditen so tief nach unten gehen würden, haben auch wir nicht geglaubt.
Wie sind die Renten- und rentenlastigen Fonds der Kepler KAG heute aufgestellt?
Wir bleiben bei unserer leicht defensiven Positionierung auf der Durationseite. Das ist eher taktisch bedingt, weil wir erwarten, dass die Renditen in den nächsten 6-9 Monaten etwas steigen werden, vor allem bei den Kern-Euro-Ländern. Bei den Peripherie-Anleihen gibt es dagegen immer noch Spread-Eingengungspotenzial. Passend zum Veranlagungsnotstand gibt es Potenzial nicht nur in der Euro-Peripherie, sondern auch Illiquiditätsprämien bei Unternehmensanleihen zu heben.
Keine Zinswende in Sicht also? Auch nach dem gigantischen Schub nach unten bei den Renditen bleiben Sie also grundsätzlich optimistisch für die Bond-Kurse?
Unsere etwas defensivere Aufstellung gegenüber der Benchmark ist, wie gesagt, taktisch und nicht Ausdruck des Glauben, dass die Zinswende da ist oder auch nur vor der Tür stehen würde. Dagegen spricht immens viel.
Unsere defensivere Aufstellung ist taktisch und nicht Ausdruck des Glauben, dass die Zinswende da ist oder auch nur vor der Tür stehen würde
Don´t fight Mario Draghi…
Ja, und hinzu kommt das fundamentale Umfeld. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die alles, was in den vergangenen Jahren an den Bond-Märkten passiert ist, auf die Zentralbanken schieben. Erlauben wir uns doch mal folgendes Gedankenspiel: Vor sieben Jahren standen wir vor einer Finanz- und Wirtschaftskrise von gigantischem Ausmaß. Hätten die Zentralbanken nicht interveniert, dann wären die Renditen vielleicht noch weiter gefallen und wir würden heute in einer richtigen deflationären Spirale sein. Es ist meines Erachtens nicht ausgemachte Sache, dass die Renditen nur durch die äußere Einwirkung der Notenbanken künstlich niedrig gehalten werden und das Gummiband so gespannt ist, dass es vor dem Zerreißen stünde.
Die Fragen stellte Ali Masarwah