Wir sprachen mit Fondsmanager Michael Bretscher über seine Vorgehensweise.
Sie verfolgen einen quantitativen Ansatz. Wie muss man sich das vorstellen?
In der wissenschaftlichen Finanzliteratur haben sich ein paar Faktoren herauskristallisiert, die jeder für sich einen Mehrwert in der Aktienselektion liefert. Als bedeutendste Faktorgruppen haben sich Value (Bewertung), Momentum und Qualität etabliert. Jede Faktorgruppe entwickelt sich zyklisch und liefert langfristig eine positive risikoadjustierte Performance. Diese Erkenntnisse nutzt auch Swisscanto beim selbst entwickelten Modellansatz.
Bei der Suche nach Alphaquellen setzen wir einerseits eigens entwickelte Ideen auf den Prüfstand, andererseits durchforsten wir die akademische Literatur nach neuen Erkenntnissen und testen deren Praxistauglichkeit. Einen weiteren Mehrwert sehen wir in einer intelligenten Kombination der Faktoren basierend auf Synergie- und Diversifikationseffekten.
Wie funktioniert das?
Die Auswahl und Gewichtung der Faktoren ist von der Marktphase abhängig. Dabei nutzen wir bewusst Synergie- und Diversifikationseffekte. Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels illustrieren. Es genügt nicht, nur günstig bewertete Aktien aufzuspüren, da es vielfach gute Gründe gibt – beispielweise eine finanzielle Schieflage - dass ein Titel tief bewertet ist. Mit einer soliden Bilanz als zusätzlichem Kriterium werden "Value Traps" (optisch günstige, aber hochriskante Aktien) weniger wahrscheinlich. Die Kombination von Value und Qualität führt somit zu besseren Ergebnissen (=Synergieeffekt).
Zum Diversifikationseffekt: Value und Momentum zum Beispiel sind Faktoren, die sich oft gegenläufig entwickeln. Werden beide Eigenschaften vermischt, führt dies zu einer stabilen, stetigen Performance mit einem deutlich geringeren Risiko.
Sie verfolgen im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern eine 130/30 Strategie. Was versprechen Sie sich davon?
Mit unserem Ansatz können wir attraktive wie unattraktive Aktien identifizieren. Der 130/30 Investor hat viel mehr Freiheiten, seine Anlagemeinung umzusetzen. Auf der Long-Seite kann er 130% des Nettovermögens in die attraktivsten Titel investieren, was bedeutet, dass er ein breiteres Portfolio halten kann als ein klassischer Long-Only-Anleger. Zudem kann er seine negative Einschätzung gewisser Aktien umsetzen, indem er die unattraktivsten maximal untergewichten, d.h. auch leer verkaufen kann.
Sie investieren dabei stärker als viele Peers in Mid und Small Caps?
Wir beobachten die extremen Faktorexposures am häufigsten in den kleiner kapitalisierten Titeln. Zudem zeigt sich empirisch, dass die Faktorprämien bei den Small und Midcaps grösser sind als bei den Large Caps.
In Bezug auf die Sektoren hält sich der Fonds eng an den MSCI World?
Wir verwenden Sektormodelle. Wir suchen in jedem Sektor nach der geeigneten Faktorkombination. In manchen Sektoren kann das eher Qualität sein, in anderen spielen das Momentum und die Bewertung eine größere Rolle.
Sie aktualisieren Ihre Modelle monatlich. Wie hoch fällt dadurch der Turnover aus?
Wir arbeiten mit Monatsdaten, mit denen unser Modellportfolio aktualisiert wird. Der Fonds läuft parallel dazu und das Portfolio wird ggfs. angepasst. Wir haben dabei einen gewissen Spielraum und streben langfristig einen Turnover von 130% pro Jahr an.
Der Fonds ist einer der raren Vertreter seiner Kategorie, die in den letzten Jahren auch den breiten Markt (gemessen am MSCI World) übertroffen haben. Wie ist Ihnen das gelungen?
2014 hat die Aktienselektion in den Sektoren Konsum, Industrie und Basisgüter sehr gut funktioniert. In der längeren Frist ist sehr erfreulich, dass positive Performancebeiträge in praktisch allen Sektoren erzielt wurden.
Sie bieten auch eine Long-Only-Variante ihres Ansatzes an, den Swisscanto (CH) Equity Fund International, der mit dem 130/30-Fonds nicht ganz mithalten konnte. In welchem Maß hat im Swisscanto (LU) Equity Fund Selection International die Short-Seite zur Outperformance beigetragen?
2014 wurde die Performance v.a. von der Short-Seite getrieben. 2013 war es relativ ausgeglichen, 2012 dagegen hat die Short-Seite geholfen.
2012 hat sich der Fonds insgesamt jedoch schwer getan. Woran lag das?
2012 war ein schwieriges Jahr für die Strategie, weil sich die Faktorgruppen relativ synchron entwickelten und die Faktorspreads eher gering waren. 2012 war zunächst Qualität gefragt; dann kam der Bruch durch die Draghi-Rede.
Welche Marktphasen kommen dem Ansatz weniger entgegen?
Wenn alle Faktoren brechen und es eine Trendumkehr gibt. Aber auch wenn alle Faktoren gleich laufen und die Spreads gering sind.
Wie sind Sie derzeit positioniert?
Wir achten darauf, immer diversifiziert zu bleiben, passen aber die Gewichtung der Faktoren dem Marktumfeld an. Wenn das Marktumfeld positiv wird, gewichten wir das Momentum und die Bewertung höher und die Qualität tendenziell niedriger. Im Abwärtstrend erhält die Qualität mehr Gewicht. Derzeit haben wir eine Neigung zu Momentum und vermehrt auch zur Bewertung.
Vielen Dank für das Gespräch.