Die Norweger haben es auf die Spitze getrieben: Wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, hat die Aufsicht in Oslo im vergangenen Herbst den Asset Manager DNB angewiesen, die Gebühren eines Fonds wegen zu großer Indexnähe zu senken oder die Investmentstrategie aktiver zu gestalten. (Offenbar hatte das Konsequenzen. Wie meine Morningstar Kollegen in Oslo berichten, wird dieser Fonds, beileibe kein Leichtgewicht, inzwischen deutlich aktiver gemanagt. Jedenfalls ist der Active Share dieses Fonds deutlich gestiegen.)
Die Indexnähe eines Fonds ist also zum Fall für die Aufsicht geworden. Europaweit findet in diesen Tagen eine aufgeregte Debatte statt, an der sich auch Asset Manager beteiligen. Indexfondsanbieter und aktive Manager haben gleichermaßen die Anbieter verkappter Indexfonds regelrecht zu Feinden erklärt. Roger Signer, Leiter des Fonds Selection Teams bei Credit Suisse, befürchtet, dass diese Fonds nicht nur dem Ruf des aktiven Managements schaden. Er befürchtet vielmehr auch, dass sich die Aufsichtsbehörden dem Thema verstärkt widmen werden.
Zahlreiche Asset Manager stellen derzeit den Active Share ihrer Fonds ins Schaufenster, um sich so von den Anbietern verkappter Indexfonds abzuheben. Die Debatte gewinnt damit dadaistische Züge, denn sie geht am eigentlichen Probelem vorbei. Zur Klarstellung: Ja, der Active Share ist eine wichtige Kennzahl, die – richtig verstanden – Anlegern einen Mehrwert verschafft (lesen Sie hier mehr). Prinzipiell würden wir es begrüßen, wenn diese Kennzahl künftig Eingang in die Fondsinformationsblätter finden würde. Sie verdient allemal so viel Beachtung wie die allfälligen Angaben zur Volatilität oder der Tracking Error.
Aber den Active Share als einzig glückselig machende Kennzahl zu stilisieren, lenkt vom eigentlichen Problem ab. Anstatt semi-aktive Fonds zu verteufeln, sollte man sich die Frage stellen, warum derartige Produkte überhaupt eine Chance am Markt haben. Man benötigt keinen Active Share um chronisch nicht-performante Produkte mit hohen Kosten ausfindig zu machen. Man sollte erwarten können, dass aufgeklärte Anleger von sich aus solche Produkte meiden, oder dass spätestens ihr Berater ihnen bei der Ordererteilung in den Arm fällt.
Merken Sie etwas? Ja, genau hier liegt der Hund begraben!
Die Anlegerrendite wird nicht von einer weiteren Fondskennziffer gerettet. So lange der Vertriebsmarkt in Europa verzerrt ist, werden ahnungslose Kunden weiter schlechte Fonds kaufen.
In weiten Teilen Europas liegt es im Interesse des Vertriebs, teure und damit oft nicht-performante Fonds zu verkaufen. Hohe Produktkosten schaden den Kunden, nutzen aber dem Vertrieb, dessen Vergütung direkt an den Produktkosten hängt. Je höher die Fondskosten, desto höher die Kickbacks. Es gibt keinen nennenswerten Wettbewerb zwischen den Vertrieben. Ihre Lage ist bequem, weil es keinen Grund gibt, alles daran zu setzen, die Kunden-Rendite zu erhöhen.
Verschärft wird das Problem dadurch, dass die meisten Anleger nicht genug Sachverstand mitbringen, um die faulen Eier von den Goldnuggets im Schaufenster ihrer Bank unterscheiden zu können. Die fehlenden Incentivierung des Vertriebs und das Desinteresse der Kunden führen also dazu, dass viel Renditepotential verschenkt wird.
Es gibt Anzeichen, dass es sich bei dieser unguten Melange nicht um eine Ewigkeitssuppe handelt. In den Ländern, in denen gesetzlich gegen den verzerrten Vertriebsmarkt vorgegangen wird, wie etwa in den Niederlanden und Großbritannien, steigt der Vertrieb von Indexprodukten exponentiell. Berater und Plattformen müssen ihren Kunden effiziente Portfolios zusammenstellen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Sie setzen nunmehr entweder auf Indexfonds und/oder auf aktive Manager, die ihr Geld wirklich wert sind. Interessanterweise haben Urteile des Schweizer Bundesgerichts ähnliche Konsequenzen – die eidgenössischen Banken stellen ihre Vertriebsmodelle um bzw. bereiten sich aktiv auf eine neue Vertriebswelt vor, die weitgehend frei sein dürfte von Retrozessionen.
Insofern spricht viel dafür, dass es sich bei der Diskussion um semi-aktive Manager um eine Phantomdebatte handelt. Nicht die verkappten Indexfonds sind das Problem, sondern die Vertriebsstrukturen, die die Existenz dieser Produkte möglich machen -- und die ahnungslosen Kunden, die provisionsgetriebene Vertriebe beständig mit neuen Geldströmen versorgen.