Die Suche nach der Outperformance ist wie die Suche nach dem heiligen Gral. Value-Aktien versprechen hier ein möglicher Ansatzpunkt zu sein. Aber was ist eigentlich Value? Oftmals heißt es, dass man bei solchen Aktien den Gegenwert von einem Euro für 70 Cent einkauft. Doch es gibt viele Maßstäbe, die man ansetzen kann, um aus der Vielzahl an Aktien solche Unternehmen zu finden, deren Wert die Marktbewertung nicht widerspiegelt. Die Rede ist beispielsweise vom Kurs-Gewinn-verhältnis (KGV), Kurs-Buch-Verhältnis (KBV), von der Dividendenrendite oder der Eigenkapitalrendite. Das übergeordnete Ziel ist es, eine Outperformance gegenüber dem breiten Markt zu erzielen.
Anleger sollten sich bewusst sein, dass bei der Betrachtung bestimmter Kennzahlen innerhalb eines Investmentuniversums aufgrund der Kapitalstruktur, der Profitabilität oder des Geschäftsmodells bestimmte Unternehmen viel eher als Value-Titel gelten als andere. Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken, sind oft günstig zu haben, weil nicht klar ist, ob die Talsohle erreicht ist. Value kann also hässlich sein. Value kann auch solchen Unternehmen zugesprochen werden, die nicht stark wachsen. Oder ein schlechter Newsflow hat die Kurse in den Keller geschickt. Oftmals gelten nach solchen Maßstäben Telekommunikationsunternehmen, Energiewerte oder Versorger als Value-Werte. Hierin liegt allerdings auch das Risiko: liegt der Investmentfokus zu stark auf einer Branche, kann das in Krisenzeiten, so wie etwa vor acht Jahren als die Finanzkrise ausgebrochen ist, verheerende Folgen haben. In solchen Fällen kann eine breitere Diversifikation vorteilhafter sein.
Somit gilt auch bei der Suche nach ETFs mit Investmentfokus Value-Aktien, dass man ein Auge auf Länder, Branchen oder Einzeltitelgewichtungen haben sollte und sich nicht nur von günstigen Bewertungen beeindrucken lassen sollte. Die Indexanbieter haben eine Reihe solcher Indizes auf Basis bestimmter Kennzahlen im Angebot, wobei die Zusammensetzung und Auswahl der Titel deutlich auseinander geht. Wir stellen vier Indizes vor, die von den nach Volumen größten ETFs abgebildet werden.
MSCI Europe Value
Der Investmentfokus des MSCI Europe Value liegt auf Westeuropa und umfasst 15 Länder. Er enthält insgesamt 226 Einzeltitel, die allesamt aus dem Mutterindex MSCI Europe stammen und von dem er gut 50% abdeckt. Um dem Value-Ansatz des Indexes umzusetzen, werden für alle Unternehmen des Mutterindex drei Kennzahlen Berechnet: Dividendenrendite, Preis-Buch-Verhältnis und der erwartete Gewinn auf 12-Monats-Sicht. Diese werden wiederum anhand statistischer Kennzahlen in eine Reihenfolge gebracht, wobei abschließend die 50% Unternehmen des MSCI Europe, bei denen die berechneten Kennzahlen am höchsten sind, in den Subindex MSCI Europe Value aufgenommen werden. Änderungen im Index können sich alle sechs Monate ergeben, wenn die Zusammensetzung überprüft wird.
Bei der Ländergewichtung ist das Bild relativ ähnlich zum breiter aufgestellten MSCI Europe. Gut drei Viertel machen UK (36,9%), Frankreich (17,5%) Deutschland (14,6%) und Spanien (7%) aus, wobei UK und Frankreich etwas stärker gewichtet sind (5% respektive 2%). Auf Sektorebene zeigt sich die Auswirkung des Value-Ansatzes hingegen deutlich und das Bild ist anders als bei den meisten breiten Indizes. Im MSCI Value sind Finanzwerte (35%), Versorger (13,4%), Industrieunternehmen (9%) und Telekommunikationswerte (8,7%) am stärksten gewichtet – Konsumgüter und Gesundheitsaktien sind hingegen deutlich weniger ausschlaggebend.
Die Größten Einzelpositionen sind HSBC (4,5%), British Petroleum (3,1%), Royal Dutch Shell (2,9%) Sanofi (2,9%) und Total (2,7%) – die Die Top-10-Werte machen insgesamt 27% aus, was alles andere als kopflastig ist.
STOXX Europe Strong Value 20
Es handelt sich hierbei um einen Subindex des STOXX Europe TMI, der gut 95% der frei gehandelten Marktkapitalisierung in 18 Ländern Westeuropas abdeckt. Von den knapp 1070 Small, Mid und large Caps des Mutterindex befinden sich 20 Einzelwerte im STOXX Europe Strong Value. Die Auswahl der Aktien erfolgt anhand von sechs Kriterien: erwartetes Kurs-Gewinn-Verhältnis, erwartetes Gewinnwachstum, aktueller KGV und Gewinnwachstum, Preis-Buch-Verhältnis sowie die Dividendenrendite. Im Anschluss wird ein Ranking der einzelnen Unternehmen erstellt und unter Einfluss einer statistischen Kennzahl (z-Score) letztlich die Titelselektion für den Index erstellt. Ein Unternehmen darf maximal 15 ausmachen, wobei die Überprüfung des Index einmal im Jahr stattfindet. Die Gewichtung der Unternehmen erfolgt nach Value-Punkten.
Auf Länderebene sieht das Bild hier völlig anders aus als bei MSCI: Das stärkste regionale Gewicht die Schweiz (42,2%). Weit abgeschlagen sind andere europäische Länder wie Deutschland (11%), Italien (10%), Frankreich (10%) und Tschechien (9%). Großbritannien, das Schwergesicht im MSCI Value Index, macht hier gerade mal 5,4% Aus. Außerdem ist ein starker Bias hin zu Finanzdienstleistern erkennbar: Versicherungen (31,7%), Immobilienunternehmen (26%) und Banken (11%) haben das größte Gewicht gefolgt von Energiekonzernen (9,3%). Da sich im Index vergleichsweise wenige Einzelaktien befinden, ist es wenig verwunderlich, dass er sehr kopflastig ist. Die Top-10-Werte machen gut 55% aus. Dazu gehören Hannover Rück, die Schweizer Banque Cantonale, der Chemikalienhersteller Givaudan, Swiss Prime Site, und der Versicherer Ageas (je 5% bis 6%).
MSCI EMU Value
Ähnlich wie beim oben beschriebenen paneuropäischen Value-Index aus dem Hause MSCI handelt es sich auch hier um einen Subindex, allerdings mit regionalem Fokus auf den Euro-Währungsraum. Mit seinen 133 Einzelwerten umfasst der Index zwar weniger Werte, deckt aber ebenso 50% des Mutterindex (hier der MSCI EMU) ab. Die Auswahl der Indexkomponenten erfolgt auch hier nach dem oben beschriebenen Muster anhand der drei Variablen Preis-Buch-Wert, Dividendenrendite und Gewinnwachstum auf 12-Monats-Sicht. Die Gewichtung der Länder im Subindex unterscheidet sich nur um wenige Prozent vom breiteren Mutterindex. Die meisten Werte stammen aus Frankreich (34%), Deutschland (29%), Spanien (13,9%) und Italien (9,1%). Bei den Sektoren ist ein starkes Gewicht auf Finanztiteln (30,4%), gefolgt von Industriewerten (12,3) und zyklischen Konsumgütern (11,4%), was den Index mit Value-Ansatz sehr ähnlich zu seinem Mutterindex macht. Die größten Einzelwerte sind Sanofi (3%), Bayer (2,9%), Total (2,8%), Banco Santander (2,6%) und Inbev Anheuser-Busch (2,4%). Die Neugewichtung erfolgt zwei mal pro Jahr.
Euro STOXX TMI Value Large
Die Value-Variante auf den Europäischen Währungsraum aus dem Hause STOXX ist ebenso ein Subindex des breiteren STOXX Europe Total Market Index. Die Auswahl der Value-Titel erfolgt nach der gleichen Logik wie beim STOXX Europe Strong Value 20. Allerdings befinden sich im Index 52 Small, Mid und Large Caps, wobei die Anzahl der Komponenten Variabel ist. Eine Deckelung der Größe einzelner Werte im Index ist daher nicht vorgesehen. Die Top-10-Werte machen allerdings gut 50% aus; zu ihnen gehören Total (8,7%), Banco Santander (7,2%), Daimler (6,5%), Allianz (5,3%) und Telefonica (4,5%). Die Ländergewichtung ist etwas anders als beim Euroland-Value-Index von MSCI. Deutsche Unternehmen (27%) haben den größten Anteil, vor französischen (25%), spanischen (22,6%) und italienischen (14,5%). Auf Sektorebene mach der Euro STOXX TMI Value Large einen etwas ausgewogeneren Eindruck, auch wenn hier Banken (22,1%) wieder das Gros ausmachen, sind die anderen Sektoren Rohstoffe (13,6%), Versicherungen (13,5%), Versorger (13,5%) und Telekoms (12%) etwas gleichmäßiger Vertreten als bei den anderen Indizes. Die Neugewichtung erfolgt alle zwei Monate wobei hier nicht die erreichten Value-Punkte ausschlaggebend sind. Der Euro STOXX TMI Value Large ist klassisch nach der Marktkapitalisierung gewichtet. Das bedeutet, dass große Unternehmen den Index stärker beeinflussen als kleine und mittlere.
ETFs mit Value-Fokus
Kommen wir nun zu den ETFs, mit denen Anleger die verschiedenen Value-Ansätze ins eigene Portfolio holen können.
Die größten und zugleich ältesten Produkte folgen den zuletzt beschriebenen Indizes mit Unternehmen aus der Europäischen Währungsunion. Der Anbieter Lyxor stellt den ältesten und zugleich größten ETF unserer Auswahl. Das Produkt wurde vor etwas mehr als zehn Jahren aufgelegt und hat mittlerweile ein Vermögen von 330 Millionen Euro. Der zweitälteste Value-ETF kommt von iShares, folgt allerdings dem auf Sektorebene etwas günstiger Aufgestellten Euro STOXX TMI Large Value. Beide ETFs schlagen mit 0,4% jährlichen Kosten zu Buche. Deutlich günstiger (0,25% pro Jahr laufende Kosten) ist da UBS, die in direkter Konkurrenz zum Lyxor-ETF. Mit gut 20 Millionen Euro ist der ETF der Schweizer trotz seiner längeren Historie von mittlerweile sechs Jahren vergleichsweise klein. Er repliziert den Index physisch, was zu einer genaueren Abbildung der Performance des Underlyings führt.
Von den europaweiten Indizes haben sind in unserer Auswahl zwei Produkte, die den MSCI Europe Value mit starkem Großbritannien-Gewicht abbilden. Vom Anbieter Source stammt der mit Abstand größte ETF mit gut 260 Millionen Euro und zugleich den geringsten Kosten von 35 Basispunkten. Nicht in unserer Tabelle aufgeführt sind ETFs der Anbieter SPDR MSCI Europe Value Weighted UCITS ETF (IE00BSPLC306) und iShares MSCI Europe Value Factor (IE00BQN1K901), da beide ETFs erst in diesem Jahr aufgelegt wurden und dementsprechend noch keine ausreichend lange Performance-Historie vorweisen können. Beide ETFs tracken ebenso den paneuropäischen Value-index von MSCI, sind mit 25 Basispunkten laufender Kosten aber die günstigsten Produkte auf dem Markt.
Der stark mit Schweizer Value-Titeln besetzten STOXX Europe Strong Value 20 wird seit März 2008 von der Deka abgebildet und kostet mit 0,65% den Anleger am meisten.
Euroland-Value-ETFs enttäuschen auf 5-Jahres-Sicht
Bei einem ersten Blick auf die Performance des laufenden Jahres sowie der letzten drei und fünf Jahre stimmt das Bild. Auf paneuropäischer Ebene ist der STOXX-Index etwas besser gelaufen als der MSCI Europe Value, der maximale Drawdown der letzten drei Jahre war mit gut 6% bis 6,5% bei allen Produkten nach unten erträglich und nur minimal über dem Niveau der breiten Standardindizes auf europäische Aktien.
Bei den Euro-ETFs ist das Bild ebenfalls recht positiv. Im laufenden Jahr konnten die Indizes bereits gut 18,5% gut machen auf drei-Jahres-Sicht sogar 24,8% jährlich, in fünf Jahren sind es immerhin knapp 12% pro Jahr. Mit einem Maximalen Wertverlust von gut 7,7% ging es bei den Value-Aktien um gut 1% bis 1,5% stärker nach unten als beispielsweise beim breiter gefassten MSCI EMU oder dem Euro STOXX.
Um die Performance-Zahlen der Value-fokussierten Indizes in Perspektive zu setzen, haben wir an der rechten Seite der oben abgebildeten Tabelle zusätzlich die Indizes abgebildet, die wir standardmäßig für Produkte der Morningstar Kategorien Aktien Europa Standardwerte Value und Aktien Euroland Standardwerte heranziehen. Im ersten Fall handelt es sich im den bereits erwähnten MSCI Europe Value und wie zu erwarten, sind hier die Wertentwicklung des Index und der entsprechenden ETFs nahezu identisch. Anders sieht es jedoch beim Deka-Produkt auf den nur 20 Werte umfassenden STOXX Europe Strong Value Index aus. Von April 2012 bis April 2015 ist der ETF um insgesamt 12,5% besser gelaufen als der MSCI-index, auf fünf Jahre liegt er nur noch um insgesamt 0,1% vorne.
Bei Euroland-Standardwerten ist das Bild völlig anders. Der Standardindex dieser Morningstar Kategorie ist der MSCI EMU, der oben bereits erwähnt wurde. Auf drei Jahre haben Anleger, die alleine in die Value-Titel dieses Index investiert haben, kumuliert etwa 5% mehr Rendite eingefahren. Auf eine Sicht von fünf Jahren ist das Bild aber deutlich eingetrübt. Value-Werte – zu einem Großteil häufig Banken und Finanzdienstleister, sind in dieser Zeit deutlich schlechter gelaufen. Im Ergebnis hätte der MSCI EMU über die letzten fünf Jahre insgesamt 14% mehr an Wertentwicklung gebracht als der Spin-off-Index mit Value-Fokus. Investoren des iShares-ETFs auf den Euro STOXX Large Value sind auf längere Sicht sogar nochmal um 2,5% schlechter dran. Der Grund für dieses Auseinanderdriften der Performances liegt auch Telekom-Werten, Versorgern und Energiefirmen, die in den Value-Indizes ein bedeutendes Gewicht haben. Vor fünf Jahren haben sich Anleger vor solchen Aktien noch gescheut, aber seit drei Jahren feiern sie gewissermaßen ihre Renaissance.