Wie Anleger von fallenden Bond-Kursen profitieren können

Dank der niedrigen Zinsen notieren Staatsanleihen in Europa auf historischen Höchstständen. Was langjährige Bond-Anleger freut, lässt den Ausblick kurz- und mittelfristig wolkig erscheinen. Wir stellen Ihnen ETFs vor, die von fallenden Bond-Kursen profitieren. 

Michael Haker 29.05.2015
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Deutsche Anleihen notierten bis Mitte April auf historischen Höchstständen. Die langjährige beängstigend stetige Rally bei Bundesanleihen hat vor allem seit Anfang des Jahres traumhafte Züge angekommen. Die Kurse stiegen und stiegen, die Rendite zehnjähriger Papiere sank auf 0,05%. Zuletzt hatten Anleger in fünfjährige Papiere zum Zeitpunkt der Emissionen sogar negative Renditen in Kauf genommen.

Dafür waren zuletzt die Bond-Käufe der Europäischen Zentralbank verantwortlich. Und kurzfristig sind viele Investoren noch immer optimistisch. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Käufe der EZB in den kommenden Wochen noch aggressiver vorangetrieben werden sollen, um die tiefere Liquidität im Sommerloch zu umgehen.

Brachte der "König der Bonds" Bundesanleihen ins Wanken?

 

Doch zugleich werden viele Anleiheexperten nervös und prognostizieren angesichts der hohen Kursstände in Europa – gerade beim Bund Future – fallende Kurse. In manchen Schlagzeilen ist sogar die Rede von einem baldigen Platzen der „Bond Bubble“. Dazu hat einer der wohl bekanntesten Anleiheexperten beigetragen: Am 21. April twitterte Bill Gross, Fondsmanager des Janus Global Unconstrained Bond Fund, vom „Short of a Lifetime“ mit Blick auf deutsche Anleihen. Und tatsächlich: In den 3 Wochen zwischen Ende April und Mitte Mai gingen die Kurse deutscher Bundesanleihen auf Tauchstation. Die Renditen der zehnjährigen Papiere kletterten beispielsweise auf bis zu 0,7%. Auch wenn sich der Bund Future seitdem etwas erholt hat, dürfte die Korrektur vielen Anlegern die Gefahren am Bond-Markt vor Augen geführt haben. 

Angesichts der nach wie vor hohen Anleihekurse und der zunehmenden Nervosität an den Märkten haben wir einige Indexprodukte zusammengestellt, mit denen Anleger auf fallende Kurse deutscher und europaweiter Staatsanleihen setzen können. Bei unserer Auswahl haben wir uns an den verschiedenen Short-Möglichkeiten orientiert. Kommen wir zunächst zu den Indizes, die eine positive Wertentwicklung bei fallenden Anleihekursen abbilden.

Anleihe-Short-Indizes auf Bunds und Europa

Zunächst wollen wir kurz auf den Bund Future eingehen. Beim Bund Future handelt es sich streng genommen um einen Vertrag, der auf die Zukunft gerichtet ist. Käufer und Verkäufer des Futures einigen sich dabei auf den Preis, die Menge und den Zeitpunkt der Ausführung bzw. Lieferung des Vertragsgegenstandes. Im speziellen Fall handelt es sich um eine fiktive Anleihe der Bundesrepublik Deutschland, die bei ablaufen des Futures eine Restlaufzeit von zehn Jahren hat und mit 6% jährlich verzinst wird. Pro Futures-Kontrakt müssen solche Schuldverschreibungen im Gegenwert von 100.000 EUR geliefert beziehungsweise abgenommen werden. Auch der Liefertag ist festgelegt: es ist der zehnte Werktag in den Monaten März, Juni, September oder Dezember.

Den Preis eines solchen Future-Kontraktes zu ermitteln ist eine Rechenübung und hängt maßgeblich von den Zinsen für reale Bundesanleihen ab. Genauer gesagt sind es solche Anleihen, die zum Ablaufdatum der jeweiligen Future-Kontrakte am günstigsten sind und noch eine Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahre haben. Da die auf dem Markt gehandelten Bundesanleihen eine unterschiedliche Verzinsung haben können, wird ein Konvertierungsfaktor hinzugezogen. Dieser Faktor wird von der Eurex Clearing AG für jede Bundesanleihe bestimmt und folgt einer bestimmten Berechnung. Beide Faktoren werden herangezogen, um den Preis für einen Future-Kontrakt über eine reale Bundesanleihe zu berechnen, wenn es ansonsten auf dem Markt die 6%-Bundesanleihe gäbe. Als Daumenregel kann man sagen, dass bei sinkenden Zinsen auf reale Bundesanleihen, deren Preis steigt.

Als magische Grenze galt beim Bund Future lange Zeit der Wert von 160 Euro, da über diesem Wert die Anleihen der Bundesrepublik negativ verzinst werden. Manche Marktteilnehmer waren der Meinung, dass das nicht möglich sei. Zur Erfüllung der Future-Kontrakte stehen allerdings Anleihen mit Laufzeiten zwischen 8,5 und 10,5 Jahre zur Verfügung. Da sie, je nach Marktlage, unterschiedlich verzinst werden, kann sich dadurch ein höherer Preis als 160 für den Bund Future ergeben. Zudem hat die Schweiz Mitte April 2015 eine zehnjährige Anleihe mit negativer Verzinsung (- 5,5 Basispunkte = -0,055%) herausgegeben. Dänemark hat dieses Kunststück schon 2010 vollbracht. Bund-Future-Kurse jenseits der der Marke von 160 sind also faktisch möglich.

FTSE MTS Short Government Broad IG Index

Während der Bund Future ausschließlich die Wertentwicklung deutscher Anleihen widerspiegelt, beinhaltet der FTSE MTS Government Broad IG Index Anleihen von mehreren Ländern der Eurozone. Die Emittenten müssen von mindestens zwei der drei großen Kreditrating-Agenturen die Bewertung „Investment Grade“ haben. Ferner werden für den Index nur solche Anleihen berücksichtigt, deren Emissionsvolumen sich auf mindestens zwei Milliarden Euro beläuft und die eine Restlaufzeit von einem Jahr haben.

Aktuell sind die größten Positionen im Index französische und italienische Anleihen, die mit je 24% gewichtet sind. Deutsche Papiere machen 19% und spanische Anleihen 13% aus. Die Neugewichtung des Index erfolgt monatlich, was vergleichsweise häufig ist. Die Short-Variante bildet die umgekehrte Wertentwicklung des FTSE MTS Government Broad IG Index ab – fallen also die Anleihe-Kurse, wenn die Zinsen steigen, dann steigt auch der FTSE MTS Short-Index.

Short iBoxx EUR Sovereigns Eurozone Total Return Index

Der Index spiegelt die negative Wertentwicklung des iBoxx EUR Sovereigns Eurozone TR Index wider. Allerdings ist auch hier, wie bei Shortprodukten nicht unüblich, der EONIA-Zinssatz abzüglich Reproduktionskosten für Leerverkäufe der Indexbestandteile hinzuzurechnen.

Das Underlying des Index sind auf Euro lautende Staatsanleihen der europäischen Währungsunion, wobei die Gewichtung der Schuldverschreibung nach dem ausstehenden Volumen erfolgt. Wesentliche Aufnahmekriterien sind auch hier wieder ein Minimum bei der Restlaufzeit von einem Jahr und ein Emissionsvolumen von nicht weniger als zwei Milliarden Euro. Das bedeutet, dass auch hier größtenteils italienische und französische Anleihen (je 23,5% bis 24,5%), Deutsche (18,6%) und Spanische Anleihen (12,1%) die Entwicklung des Index bestimmen.

Von den Laufzeiten her ist das Bild weniger ausgewogen: Kurzläufer mit Restlaufzeit bis zu drei Jahren machen 22,1% aus, Langläufer ab zehn Jahren machen etwa 30% aus, mittelfristige Papiere zwischen drei und zehn Jahren machen knapp die Hälfte im Index aus. Die Neugewichtung erfolgt einmal im Monat.

DB Eurozone Sovereign Double Short

Der zweifache Short-Index auf Anleihen europäischer Staaten bildet die doppelte umgekehrte Wertentwicklung des Deutsche Bank Eurozone Sovereigns Total Return Index. Er ist nahezu identisch mit dem oben beschriebenen iBoxx EUR Sovereigns Eurozone-Index: In Frage kommen nur Anleihen von Emittenten aus der Eurozone, deren Schuldverschreibung auf die Gemeinschaftswährung lauten und noch mindestens 12 Monate laufen. Bei der Länderaufteilung kommen gut 75% der Anleihen aus Italien (25%), Frankreich (23%), Deutschland (19%) und Spanien (12%).

In dem Hebel liegt die Würze – und die Tücke

Exchange Traded Produkte, die von fallenden Anleihekursen profitieren, gibt es schon seit gut sechs Jahren. Das älteste und zugleich größte Produkt unserer Auswahl stammt von der Deutschen Bank und ist Short auf europäische Anleihen. Das Fondsvolumen beläuft sich auf knapp 170 Millionen Euro. Mit 15 Basispunkten ist der x-tracker, der Short auf den iBoxx EUR Sovereigns Eurozone ist, nur leicht teurer als die Alternative von Amundi. Seit Ende 2009 bietet der französische Asset Manager ETFs an, um auf fallende Kurse bei staatlichen Euro-Anleihen zu setzen. Mit je knapp 10 Millionen Euro Fondsvermögen handelt es sich hier aber auch um sehr kleine Produkte. Beide bilden die Wertentwicklung des FTSE MTS Short Government Broad IG Index ab, der sehr ähnlich zu den anderen erwähnten Europa-Short-Indizes ist. Mit 14 Basispunkten macht es Amundi für Anleger am kostengünstigsten, Euro-Anleihen zu shorten.

Tabelle: Short-Produkte auf Europa-Anleihen und 10-jährige deutsche Anleihen


Wer es etwas sportlicher mag, der kann mit dem db x-tracker auf DB Eurozone Sovereign Double Short Index mit einem zweifachen Hebel auf fallende Anleihe-Kurse setzen. Allerdings lässt sich die Deutsche Bank das Investment auch mit den doppelten Kosten vergüten.
Bei Betrachtung der Fondsvolumina scheint es so, als ob Anleger den deutschen Bundesanleihen eher fallende Kurse zutrauen als europäischen. Der Lyxor ETF mit doppeltem Hebel Short auf den Bund Future ist mit knapp 640 Millionen Euro der größte ETF unserer Auswahl und mit 20 Basispunkten auch eines der günstigsten. Comstage stellt das zweitgrößte Produkt mit beinahe 550 Millionen Euro Fondsvolumen. Die sehr gewagten Produkte mit einem Hebel von drei bis fünfzehn sind hingegen winzig, bei den Kosten jedoch am höchsten – genauso wie beim Rendite- bzw. Verlustpotential.

Die Kunst beim Short gehen: Timing oder Glück?

Ein Blick auf die Performance der Anleihe-Short-Produkte lässt einem angst und bange werden und man wünscht niemandem solche Zahlen im Portfolio: im laufenden Jahr ging es bei allen Produkten nach unten: einfach gehebelt um 1 bis 1,5%. Auf Drei-Jahres-Sicht sehen die Renditen schlimm aus: Der Gesamtverlust zwischen Mai 2012 und Ende April belief sich bei Short-Wetten auf den Bund-Future auf mindestens 17,6%, bei den ganz sportlichen, mehrfach gehebelten Produkten schlägt mit einem Minus von 97,4% fast ein Totalverlust zu Buche. Das zeigt, das sich Short-Wetten nur für erfahrene Anleger eignen und keinesfalls länger als wenige Tage gefahren werden sollten.

Solche eine Wette hat sich zuletzt gelohnt. Betrachten wir daher den Zeitraum, ab dem Bill Gross den „Short of a Lifetime“ ausgerufen hat. Der deutsche Bund-Future erreichte sein hoch am 17. April 2015 mit einem Kurs von knapp 160,4 Euro. Wer damals Gross Glauben geschenkt hat und im Idealfall am 13. Mai 2015 seine Position wieder veräu¬ßert hat, konnte mit einfachem Hebel satte 4,8% einstreichen, mutige Anleger die sich für Positionen mit einem Multiplikationsfaktor entschieden haben, konnten sich sogar über bis zu 96% in diesen dreieinhalb Wochen freuen. Anleihen auf Emittenten aus dem gesamten Euroraum haben nicht ganz so stark zugelegt, brachten aber dennoch gut 4,1%. Mittlerweile haben sich die Kurse des Bund-Future wieder leicht erholt und sind seit dem 13. Mai in den letzten beiden Wochen wieder auf 155,3 Euro geklettert.

Das Bild unserer Tabelle oben zeigt zweierlei: Auf der einen Seite haben Anleger, die auf steigende Rentenkurse gesetzt haben – also „long“ gegangen sind – in den letzten Jahren von fallenden Zinsen ordentliche Gewinne verbucht. Auf der anderen Seite scheint bietet die stark gestiegene Nervosität im Anleihemarkt auch Chancen. Es kann also durchaus lohnenswert sein, über eine Short-Wette nachzudenken. Dass dabei auch die Profis die hohen Risiken fest im Blick haben, zeigt ausgerechnet das Beispiel Bill Gross. Sein „Short of a Lifetime“-Tweet war offenbar eine pures Gedankenspiel. Gehandelt hat er wohl nicht darauf, was einem Online-Dienst den süffisanten Kommentar entlockte: „Hätte Bill Gross doch nur auf Bill Gross gehört!“

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Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.