Nachhaltige Schwellenländer-Aktienfonds: SRI ist nicht gleich SRI

Der zweite Teil unserer Serie über nachhaltiges Investieren in den Emerging Markets beschäftigt sich mit einzelnen Fondskonzepten und führt Anlegern die underschiedlichen Spielwiesen von SRI-Fonds vor Augen.

Natalia Wolfstetter 08.06.2015
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Im ersten Teil unserer Serie ging es um den Nutzen nachhaltiger Anlagestrategien in den Schwellenmärkten und wie sich diese in den betreffenden Portfolios niederschlagen. Nun gehen wir auf einige der erfolgreicheren Fonds näher ein:

First State Global Emerging Markets Sustainability

Die 2009 aufgelegte ESG-Version des langjährig erfolgreichen Schwellenmarkt-Klassikers First State Global Emerging Markets (Morningstar Analyst Rating ‘Gold’) schneidet bisher sogar noch besser ab als das ‚konventionelle‘ Original. Mit diesem hat sie vieles gemeinsam, darunter das erfahrene Team und die qualitätsorientierte, langfristige ausgelegte Aktienauswahl, die die Verlustrisiken begrenzen soll.

In der Branchenstruktur gibt es dadurch gemeinsame Akzente, darunter die gegenüber der Kategorie deutlich ausgeprägte Präferenz für defensive Konsumwerte, während Energietitel (nahezu) gar nicht vertreten sind. Allerdings hält der nachhaltige Fonds mehr Technologiefirmen (wenn auch weniger als die Vergleichsgruppe) und weniger Rohstoffhersteller.

Auch auf Länderebene sind die Unterschiede gegenüber der Vergleichsgruppe ausgeprägt. Beide Fonds investieren stark in indischen Unternehmen. Zuletzt waren es rund 18% des Portfolios, was schon seit Jahren ein deutliches Übergewicht gegenüber der Kategorie und dem MSCI Emerging Markets darstellt und die Performance 2014 beflügelte. Auf Platz 2 folgen chilenische Unternehmen. Weitere Unterschiede liegen in der hohen Gewichtung von Unternehmen aus Nigeria und den Philippinen (jeweils rund 6%), die bei Konkurrenzfonds kaum vertreten sind.

Große Unterschiede zwischen Original und SRI-Fondsversion

Dennoch liegt die Überschneidungen zwischen den beiden First-State-Fonds (gemessen an der Kennzahl Active Share) nur bei rund 50%. Der nachhaltige Fonds hält weniger Titel und ist konzentrierter in den Top 10. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung liegt bei beiden unter der Kategorienorm, wobei sie im Nachhaltigkeitsfonds nochmals geringer ausfällt. Mehr als zwei Drittel des Portfolios erstrecken sich auf Small und insbesondere Mid Caps. Hier kommen die Besonderheiten des Nachhaltigkeitsansatzes zum Vorschein. ESG-Überlegungen werden zwar bei First State in allen Fonds in die Unternehmensanalyse integriert, doch setzen die Fondsmanager der Sustainability-Mandate bevorzugt auf Unternehmen, die von einer nachhaltigen Entwicklung profitieren oder zu dieser beitragen. (Mehr zum Ansatz im Ratingbericht des vom selben Team gemanagten First State Asia Pacific Sustainability.)

Während vorab keine Unternehmen ausgeschlossen werden, läuft dies in der Praxis darauf hinaus, dass viele Rohstoffwerte, aber auch Sektoren wie Tabak oder Glückspiel nicht für den Fonds in Frage kommen. Zudem besteht eine gewisse thematische Ausrichtung, auch wenn es keine thematischen Schwerpunkte im engeren Sinne (wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz oder Umwelt) gibt. So werden bei den Konsumgüterherstellern jene präferiert, die ‚gesunde‘ Produkte herstellen, wodurch z.B. der Cola-Abfüller Coca-Cola HBC im First State Global Emerging Markets vertreten ist, in der Sustainability-Strategie aber nicht.

Beide Fonds gehören über die letzten fünf Jahre zu den erfolgreichsten ihrer Vergleichsgruppe, während viele – wenn auch nicht alle - Risikokennzahlen deutlich unter dem Durchschnitt lagen. Sie profitierten von ihrer konservativen Branchenallokation, doch funktionierte auch die Aktienauswahl in den meisten Sektoren sehr gut. Der Nachhaltigkeitsfonds war nicht zwangsläufig die risikoärmere der beiden Strategien, zumal auf Portfolioebene die Bewertungskennzahlen höher ausfielen. Dem nachhaltigen Fonds kam aber zugute, dass er noch weniger (oder gar nicht) in Rohstoff- und Energiewerten investiert war und die Aktienauswahl bei Konsum- und Finanzwerten, aber auch Versorgern bessere Ergebnisse lieferte. Aus Ländersicht profitierten beide Fonds von ihrer geringen Gewichtung in Brasilien, China und Russland, zumal sie bei staatsnahen Unternehmen aus Gründen der Corporate Governance sehr zurückhaltend sind. Viel Rückenwind kam dagegen von den Investments in Indien.

Vontobel Sustainable Emerging Markets Leaders

Bei Vontobel gibt es - im Gegensatz zu den First State Fonds – nahezu keine Überschneidungen zwischen dem 2011 aufgelegten Vontobel Sustainable Emerging Markets Leaders und dem von Rajiv Jain seit 1997 mit einem Quality-Growth-Ansatz gemanagten Klassiker des Hauses, dem Vontobel Fund Emerging Markets Equity (Morningstar Analyst Rating ‚Silver‘). Ersterer hat mit Roger Merz und Thomas Schaffner (seit Febr. 2013) auch andere Manager. Sie gehören dem in Zürich ansässigen globalen Aktienteam von Vontobel an. Das Team verwaltet auch andere regionale ESG-Mandate, darunter den Vontobel Global Sustainable Leaders.

Im Vontobel Sustainable Emerging Markets Leaders ist die für Nachhaltigkeitsstrategien typische Präferenz für Technologiewerte erkennbar, die zuletzt knapp 40% des Portfolios ausmachten (das zweifache Gewicht der Benchmark), während Energie- und Rohstoffwerte geringer (derzeit gar nicht) vertreten sind. Der zweitgrößter Sektor sind Finanzwerte mit einem Anteil von mehr als 30%. Im Fonds spielen Unternehmen aus Asien die Hauptrolle, was ebenfalls nicht ungewöhnlich für Nachhaltigkeitsstrategien ist, hier aber noch deutlicher zu Tage tritt. Insbes. Unternehmen aus China und Hong Kong waren Ende April 2015 nahezu doppelt so hoch gewichtet wie im MSCI Emerging Markets. 

Vontobel-Fonds setzt auf große Unternehmen

Eher untypisch für einen ESG-Fonds ist allerdings der deutliche Schwerpunkt auf Large Caps, während viele Konkurrenten bis zu rund einem Viertel Small und Mid Caps halten. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung der Aktien im Portfolio lag damit zeitweise über dem Kategorie- und Indexniveau. Mit 30-50 Positionen zählte der Fonds zu den konzentrierteren unter den Nachhaltigkeitsstrategien, aber auch im Vergleich zur breiten Kategorie. Dies resultiert aus dem Ansatz, der die profitabelsten Unternehmen einer Branche (gemessen am Cash Flow Return on Investment CFROI) präferiert. Diese sollen zudem attraktiv bewertet sein und Mindest-ESG-Anforderungen genügen. Manche Unternehmen, wie bspw. der Top-10-Wert Samsung, erfüllen diese Anforderungen nur knapp, weswegen sie unter besonderer Beobachtung stehen. In begrenztem Ausmaß werden auch bestimmte Unternehmen im Vorfeld ausgeschlossen (Tabak, Waffen, hoher Anteil an Nuklearenergie), dies gilt jedoch nicht generell für die Bereiche Alkohol und Glücksspiel.

In den Risikokennzahlen schlägt sich dieser Ansatz positiv nieder, auch wenn der Betrachtungszeitraum mit knapp vier Jahren noch recht überschaubar ist. So lagen die Verluste 2013 unter der Kategorienorm. Die Wachstums-, Qualitäts- und Profitabilitätskennzahlen der gehaltenen Aktien liegen deutlich über dem Durchschnitt. Das gilt im Gegenzug auch für die meisten Bewertungskennzahlen (mit Ausnahme des KGV) – Qualität hat ihren Preis – sie fallen aber weniger hoch aus als bspw. beim Vontobel Emerging Markets Equity. Getrieben wurde der Renditevorsprung des Fonds gegenüber der Benchmark im Zeitraum seit seiner Auflage insbes. durch Technologiewerte aus Taiwan, Indien und China.

Swisscanto (LU) EF Green Invest Emerging Markets

Für den bereits 2008 aufgelegten Swisscanto (LU) EF Green Invest Emerging Markets hat das Fondsmanagement acht Schlüsselbereiche für ein ressourcenschonenderes und sozialverträglicheres Wachstum definiert. In diesen suchen die Fondsmanager Raphael Lüscher (seit Juli 2014) und Gerhard Wagner (seit Auflage) nach aussichtsreichen Unternehmen, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und nicht unter die Ausschlussbereiche fallen (dies betrifft rund 200 der über 800 Unternehmen aus dem MSCI Emerging Markets aufgrund umweltgefährdender Aktivitäten, Herstellung von Waffen, Tabak u.ä.).

Zu den Schlüsselthemen zählen u.a. der Zugang zu Finanzdienstleistungen, die Energieversorgung und –effizienz sowie Bildung und digitale Innovation. Sie machten Ende März 2015 rund zwei Drittel Portfolios aus. Diese Schwerpunktsetzung deckt sich mit vielen anderen Nachhaltigkeitsfonds, doch sticht in diesem Fonds die höhere Berücksichtigung von Pharmawerten ins Auge, die ebenfalls als ein Schlüsselbereich angesehen werden. Hier war der Fonds zeitweise mit mehr als 10% investiert, während sie im Index und Konkurrenzfonds kaum eine Rolle spielen. Aus regionaler Sicht war über die Jahre eine tendenziell höhere Gewichtung in Lateinamerika (mehr als 20% des Fondsvermögens) zu Lasten von asiatischen und insbesondere auch osteuropäischen Werten zu beobachten.

Der Fonds war in den ersten Jahren seines Bestehens stark in Mid und Small Caps engagiert, deren Anteil rund 70% erreichte. Large Caps gewannen in den letzten drei Jahren an Bedeutung, doch kommen mittelgroße und kleine Unternehmen weiterhin auf über ein Drittel des Portfolios. Insbesondere Small Caps sind im Fonds weiter deutlich stärker vertreten als bei vielen Wettbewerbern. Die Wachstumsindikatoren der Unternehmen im Portfolio liegen generell über dem Durchschnitt. Die Bewertungskennzahlen sind im Vergleich zur Kategorie in den letzten Jahren angestiegen, und die Qualitäts- und Profitabilitätskennzahlen haben sich verbessert, liegen aber noch unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe.

Diese Wechselhaftigkeit spiegelt sich auch in der Performance wider, die in den Anfangsjahren Hochs und Tiefs hatte. So verbuchte der Fonds 2011 merklich höhere Verluste als andere ESG-Fonds und hatte auch gegenüber der breiten Kategorien ‚Aktien Schwellenländer‘ das Nachsehen, wozu die Nebenwerteorientierung beitrug. Dies ist auch an den Risikokennzahlen abzulesen, die sich aber, wie die Performance, in den letzten drei Jahren verbessert haben. Diese wurde nicht zuletzt durch die gute Entwicklung der Pharmawerte im Portfolio beflügelt. Unterstützung kam auch von den Industriewerten im Portfolio, darunter verschiedene in der Abfallwirtschaft tätige Unternehmen.

Fazit: Unterschiedliche Wege führen zum SRI-Ziel

Anhand dieser drei Fonds wird schnell klar, dass ESG-Fonds nicht gleich ESG-Fonds ist. Neben einigen Gemeinsamkeiten wie dem strukturellen Untergewicht in Rohstoff- und Energiewerten sind die Unterschiede doch signifikant. So investiert z.B. der First State Global Emerging Markets Sustainability vergleichsweise wenig in chinesische Unternehmen, während der Vontobel Sustainable Emerging Markets Leaders hier einen Schwerpunkt hat. Er ist mit seinem klaren Large-Cap-Fokus in der Gruppe der Nachhaltigkeitsfonds eher die Ausnahme, da sich eine thematisch enger eingegrenzte Nachhaltigkeitsstrategie mit Nebenwerten (Mid und Small Caps) leichter darstellen lässt. Eine solche geht wiederum mit höheren Liquditätsrisiken einher und birgt die Gefahr, auf die 'falschen' Themen zu setzen.

Die Performance kann sich bei allen drei Fonds bisher sehen lassen (wenn auch eine längerfristige Bewährungsprobe noch aussteht), doch sprechen die Risikokennzahlen keine eindeutige Sprache. So stehen diese Fonds beispielhaft für die sehr heterogene ESG-Fondslandschaft und an einer genaueren Betrachtung jeder einzelnen Strategie führt kein Weg vorbei.

 

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Über den Autor

Natalia Wolfstetter  ist Director Fund Analysis bei Morningstar