Fernando Luque: Guten Tag, Ich bin Fernando Luque, Redakteur bei Morningstar in Spanien und ich spreche heute mit Andreas Riegler von Raiffeisen Capital Management. Er ist Global Head of Fixed Income und Fondsmanager der Raiffeisen-Euro-ShortTerm-Rent. Danke, dass Sie heute hier sind.
Andreas Riegler: Vielen Dank für die Einladung.
Fernando Luque: Wir werden heute über Anleihen sprechen und mein erster Punkt ist: Zuletzt haben ich gelesen, dass Analysten die weltweite Wirtschaftslage nicht ganz so gut einschätzen und dass wir möglicherweise weitere Unterstützung der Zentralbanken benötigen. Wie denken Sie darüber? Gibt es für Sie klare Unterschiede zwischen den USA und Europa und was sind Ihre Erwartungen hinsichtlich der Leitzinsen bis Ende 2015?
Andreas Riegler: Die Zinsen sind bei den Zentralbanken aktuell ein heiß diskutiertes Thema. Um Ihre Frage zu beantworten: ja, es gibt große Unterschiede zwischen den nächsten Schritten, die wir seitens der Zentralbanken in den USA und ein Europa erwarten. Das liegt daran, dass beide Institutionen völlig unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt sind. In den USA wird gerade der Zeitpunkt diskutiert, zu dem die FED erstmals seit Jahren wieder die Zinsen anhebt. Diese Diskussion wird schon seit über eineinhalb Jahren geführt.
In der Eurozone wird hingegen diskutiert, was die Zentralbank unternehmen soll, wenn die Tendenzen zur Deflation nicht abnehmen, wenn wir nicht das Wachstum sehen, das wir eigentlich bräuchten, etc. Von daher ist es relativ eindeutig, dass die kommenden Schritte der FED in Richtung Zinsanhebung gehen werden. Die Frage ist nur: „Wann“ und wie schnell dieser Zinsanhebungszyklus sein wird. In der Eurozone ist die Frage unterdessen eine andere. Die EZB hat sich dazu bereit erklärt, Staatsanleihen, Covered Bonds ABS bis Ende September 2016 zu kaufen. Die Frage ist, ob es bis dahin ausreicht, ob diese Form des QE dann endet oder wird das Programm ausgeweitet. Aus meiner Perspektive gibt es eindeutige Chancen, dass das aktuelle Anleihekaufprogramm noch über den September 2016 hinaus ausgeweitet wird.
Die EZB wird also die Geldmenge weiter erhöhen, während die FED möglicherweise schon beim Treffen am 17. September die Leitzinsen anhebt.
Fernando Luque: Lassen Sie uns diese Sichtweisen ganz praktisch auf den Anleihemarkt übertragen: Welche Anleihesegmente sind für sie aktuell am attraktivsten?
Andreas Riegler: Mit Blick auf die Gesamtsituation sind Spread-Produkte für uns vorteilhafter als Plain-Vanilla-Staatsanleihen. Und dabei meine ich vor allem den EURO-Anleihemarkt. Denn was vor drei, fünf oder zehn Jahren noch als sicheres Staatsanleihe-Investment galt, ist heute entweder ein Null-Rendite-Objekt so wie beispielsweise fünfjährige deutsche Staatsanleihen – sie rentieren gerade nahe der null Prozent. Dort kauft man quasi ein Risiko und erhält dafür keine Vergütung.
Oder es gibt spezifische Risiken. So, wie wir es bei griechischen Staatsanleihen gesehen haben. Deshalb sehe ich die Alternative also definitiv bei anderen Spread-Produkten wie Unternehmensanleihen, Hochzins-Produkten, vielleicht auch bei Emerging Markets, wenn man sich stark auf die Qualität der Anleihen fokussiert. Diese Produkte sind momentan attraktiver, als Anleihen aus entwickelten Märkten.
Fernando Luque: Um noch konkreter zu werden: Was empfehlen sie einem konservativen Anleger? Was sollten etwas risikofreudigere Anleger machen?
Andreas Riegler: Ich denke – wie schon gesagt – dass der konservative Anleger, der fünf oder zehnjährige Bundesanleihen in der Vergangenheit gekauft hat, mit der Volatilität und den Renditeaussichten nicht glücklich wird. Konservativ zu investieren heißt, dass man einen ausbalancierten Ansatz haben sollte. Man sollte verschiedene Anlegeinstrumente halten, die eine niedrige Korrelation miteinander aufweisen.
Ich würde also definitiv sagen, dass in einem ausgewogenen Portfolio ein High Yield Exposure Sinn ergibt, selbst mit Blick auf das Risiko. Ich glaube auch, dass Staatsanleihen zweifelsohne in ein ausgewogenes Portfolio gehören. Und unter den Staatsanleihen finde ich momentan, dass inflationsgesicherte Anleihen relativ attraktiv sind. Die Inflationserwartung ist gerade sehr niedrig. Das bedeutet, man würde mit Inflationsgesicherten Anleihen eine zusätzliche Rendite einfahren, wenn die Inflation zukünftig höher ist, als wir momentan erwarten. Es geht also um die richtige Mischung der verschiedenen Anlagen. Aus diesem Grund denke ich auch, dass das Investment über einen Fonds für einen konservativen Anleger mehr Sinn ergibt, weil man sich darüber die entsprechende Diversifikation in das eigene Portfolio holen kann.
Fernando Luque: Herzlichen Dank, dass Sie mit uns Ihre Sicht auf die Anleihemärkte geteilt haben.
Andreas Riegler: Vielen Dank.