„Was hat er, was ich nicht habe?“

Eine quantitative Auswertung zeigt, warum manche Fonds Anlegergelder auf sich ziehen und andere nicht. Statistische Analyse fußt auf globalen Morningstar Absatzdaten für Fonds und vergleicht die Trends in den unterschiedlichen globalen Märkten. Kosten, Performance, Ratings, alles.

Ali Masarwah 16.11.2015
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Dass Vergangenheits-Renditen, Vertriebsprovisionen und die Person des Fondsmanagers wichtige Faktoren im Vertrieb sind, ist eine Binsenweisheit unter Beratern und Vermögensverwaltern. Auf Basis unserer monatlichen Absatzdaten für Fonds, die wir auf Industrieebene seit 2008 erfassen, leiten auch wir immer wieder Schlussfolgerungen über die Spur der Anlegergelder ab. Neue Fonds sind im Vertrieb der Renner, ebenso wie Fonds, die über ein Fünf-Sterne-Rating verfügen, und dass Anleger (und auch etliche Berater) gerne auf Gurus setzen, zeigen die extrem hohen Zuflüsse, die Produkte wie die Mischfonds Ethna Aktiv, Flossbach von Storch Multiple Opportunitieds oder Carmignac Patrimoine anziehen (vor allem nachdem sie einen guten Lauf hatten). 

Statistiker würden ob so viel qualitativer Analyse indes die Nase rümpfen und nach harten Beweisen verlangen. Diesem Wunsch sind nunmehr unsere quantitativen Analysten in Chicago nachgekommen. Sie haben im Rahmen einer Attributionsanalyse etliche Faktoren, die die Geldflüsse in Fonds bestimmen, identifiziert und in Einklang mit den von uns monatlich geschätzten Mittelflüsse gebracht. Dabei wurde eine Vielzahl von Faktoren abgeklopft. 

Das organische Wachstum als abhängige Variable 

In den Fokus wurden dabei nicht die Nettomittelflüsse, sondern die Wachstumsdynamik von Fonds in den Mittelpunkt gestellt. Die von uns berechnete organische Wachstumsrate bereinigt Veränderungen im Fondsvermögen in einem definierten Zeitraum um die Performance-Komponente, um die „echte“ Nettovertriebsleistung zu identifizieren. Das organische Wachstums wurde in der Untersuchung als die abhängige Variable definiert. Danach wurden gut 20 unabhängige Variablen bestimmt. Im Anschluss wurden monatliche Querschnittsregressionen vorgenommen, um den Einfluss dieser einzelnen Variablen auf die Flow-Dynamik zu isolieren bzw zu quantifizieren. Dabei wurden die Messergebnisse standardisiert (in der Statistik heißt das Z-Transformation), um sie miteinander vergleichbar zu machen (mehr zur Methodologie finden Sie im Anhang unserer Analyse, auf die wir am Textende verlinkt haben). 

In die Untersuchung eingeflossen sind die großen drei Fondsgruppen: Aktien, Renten und Mischfonds. Es wurden globale Fondsdaten verwendet, wobei die europäischen Daten sich in den Gruppen „Europa“ und „Cross-Border“ wiederfinden. Diese Zweiteilung wurde vorgenommen, weil UCITS nicht nur in Europa, sondern auch weltweit vertrieben werden. Grenzüberschreitende Produkte werden typischerweise an den großen Produktionsstandorten Luxemburg und Dublin aufgelegt. Es wurden in der Untersuchung keine ETFs berücksichtigt. 

Gut ist billig? „Ja“, sagt man in den USA, „egal“ in Europa 

Kommen wir zu den wichtigsten Ergebnissen. Zunächst zu einer in ihrer Eindeutigkeit überraschenden Erkenntnis. Für die Dynamik der Mittelflüsse spielen Kosten in den USA eine sehr große Rolle, in Europa jedoch nicht. Das untere Schaubild zeigt, dass in den USA teure Fonds in einem inversen Verhältnis zu ihrer organischen Wachstumsrate stehen: Je höher die Kosten, desto schwächer die dynamik der Mittelflüsse. Wie aus unseren Flow-Daten hervorgeht, gingen dem Fondsquintil mit den tiefsten Kosten zwischen 2003 und 2015 93% der Mittelflüsse zu). 

Nicht so in Europa: Hier spielen Fondskosten keine Rolle im Vertrieb. Anleger achten also bei aktiv verwalteten Fonds nicht so stark auf die Kosten. Viele Fondsvertreter dürfte dieser Umstand freuen, Anleger sollte es dagegen bedenklich stimmen. 

Grafik: In den USA spielen die Kosten eine große Rolle im Vertrieb, in Europa nicht

 

Eine weitere Erkenntnis: Fonds, die ethische, soziale und ökologische Kriterien bei der Wertpapierselektion berücksichtigen, spielen vor allem bei grenzüberschreitend vertriebenen europäischen Produkten und --- etwas geringer --- in den USA eine wichtige Rolle, weniger jedoch an den anderen europäischen Fondsstandorten. (Nicht unterschieden wurde dabei, ob die Fonds Negativ-Screenings, Positivkriterien oder aktivistische Strategien anwenden.) 

Wenig überraschend wurde ein Fünf-Sterne-Morningstar Rating ebenfalls als starker Treiber von Mittelzuflüssen identifiziert. Während Fonds mit unterdurchschnittlichen Ratings (1 und 2 Sterne) sowie durchschnittlichen Ratings (3 Sterne) die Flows negativ beeinflussen, ziehen mit Fünf Sternen bewertete Fonds Gelder an. Interessant ist dabei, dass dies nicht ausschließlich als Past-Performance Wirkung interpretierbar ist, da der Faktor Alpha, also die Überrendite eines Fonds gegenüber dem Vergleichsindex, eine andere Variable darstellt, deren Wirkung isoliert betrachtet wurde (sie war ebenfalls eindeutig positiv). 

Auch ein positives Morningstar Analyst Rating („Gold“, „Silver“ oder „Bronze“) zieht Mittelflüsse an, wobei naturgemäß die Marktabdeckung bei unseren qualitativen Analysen deutlich geringer ist als die Marktabdeckung durch das Sterne Rating. (Zur Erinnerung: die abhängige Variable war das --- relative --- organische Wachstum, nicht die absoluten Mittelflüsse.) 

Grafik: Fünf-Sterne Fonds ziehen das Geld an

 

Interessanterweise ziehen auch neue Fonds das Anlegergeld an. Wie unsere Auswertung ergab, steht das Alter eines Fonds in einem inversen Verhältnis zu seinem Wachstum. Je länger ein Fonds am Markt ist, desto träger die Zuflüsse. Dieses Ergebnis lässt sich durch unsere (qualitativen) Beobachtungen interpretieren: Vor allem an den Bankschaltern, und hier sind vor allem die Märkte Italiens und Spaniens zu nennen, wo Laufzeitfonds massiv in den Markt gedrückt werden, gelten neue Fonds als ein sehr wichtiger Faktor im Vertrieb. Dass dies ein konträrer Faktor zum (positiven) Sterne-Rating ist, das nur nach einer Mindestfondshistorie von drei Jahren vergeben wird, versteht sich von selbst. Das gilt übrigens auch für die Fondsmanager-Historie: Je länger sie ist, desto positiver wirkt sich das auf die Flow-Dynamik aus. 

Intuitiv einfach zu begründen ist dagegen die Tatsache, dass große Fonds nicht so dynamisch wachsen wie kleinvolumige Fonds: Der Sprung von 100 Millionen auf 200 Millionen Euro ist schneller gemacht als die Verdoppelung des Vermögens eines Zehn-Milliarden-Euro-Fonds. 

Grafik: Alter und Größe schützen nicht vor Abflüssen

Die vollständige Untersuchung: What Drives Investment Flows? finden Sie hier

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich