Die Medien sind oft ein Spiegel des Diskurses über aktuelle Themen. Jüngst verpasste die Financial Times (FT) so genannten verkappten Indexfonds (im Englischen spricht man von „closet index funds“) eine Breitseite. In der Finanzsprache werden so Produkte bezeichnet, die auffällige Ähnlichkeiten mit ihrem Vergleichsindex aufweisen. Der Artikel in der FT wurde ausgelöst durch eine Studie, wonach verkappte Indexfonds in „allen Fondsmärkten“ weit verbreitet seien. Das, so die Schlussfolgerung der Zeitung, sei gleichbedeutend mit einer gigantischen Fehlleistung im Vertrieb. Ein Professor an einer Londoner Wirtschaftsuni fasst die Stimmung so zusammen: Die Existenz von verkappten Indexfonds sei das „dreckige kleine Geheimnis“ der aktiven Fondsmanager. In Schweden forderte der Chef der Aktionärsvertreter Regulatoren auf, heimliche Indexfonds mit mehr als 0,8% an jährlichen Gebühren kurzerhand zu verbieten.
Widerspruch ernten die Kritiker der verkappten Indexfonds nicht. Der Grund ist, dass viele Anleger und auch Wissenschaftler der Überzeugung sind, dass diese Fonds dazu verurteilt sind, eine relativ schlechte Performance zu erzielen. Da die Anlagerichtlinien solcher Fonds so restriktiv seien, könnten die verkappten Indextracker gar nicht genug Geld mit ihren aktiven Entscheidungen verdienen, um die Kostennachteile zu überwinden, so der Tenor. Zudem hört man oft den Vorwurf der Täuschung, da für eine mäßige Leistung Gebühren verlangt würden, die eher auf einen aktiven Manager schließen lassen.
Gegenmeinung zu einem bedenklichen Gleichklang
Es ist an der Zeit, dem Meinungsgleichklang etwas entgegen zu setzen. Verkappte Indexfonds haben keine Verteidiger? Ab heute schon. Doch lassen wir zunächst einige akademische Erkenntnisse zum Thema aktives Management Revue passieren:
- Die Finanzmärkte sind in aller Regel sehr effizient;
- wenn aktive Manager ihren Index übertreffen, ist das in der Regel Zufall;
- es gibt einige Manager, die wegen ihres Talents den Fondsindex übertreffen;
- es gibt bedauerlicherweise nur wenige talentierte Manager;
- ebenso bedauerlich ist, dass die wenigen talentierten Manager nur schwer von den vielen Managern, die nur Glück haben, unterschieden werden können.
Diese akademischen Erkenntnisse lassen Indexfonds als attraktive Alternative erscheinen. Wenn man die Glückspilze nicht von den wirklich talentierten Managern unterscheiden kann, dann werden die kurzzeitigen Gewinner auf Dauer enttäuschen, so die Annahme. Sie überstrapazieren ihr Glück und werden bestenfalls künftig Indexrenditen (minus Kosten) liefern. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Investment in einen extrem niedrigpreisigen Indexfonds als gute Wahl.
Das ist eine inzwischen bekannte Leier, und die grundlegenden Prämissen stimmen, wenn man an diesem Punkt innehält. (Man könnte zum Beispiel den Versuch unternehmen, die Glücksritter von den Alpha-Managern zu separieren.) Die Frage, die mich beschäftigt, ist jedoch wie die vielen Beobachtern von dieser allgemeinen Erkenntnis zu dem sehr speziellen Schluss kommen, dass verkappte Indexfonds die schwärzesten aller Schafe unter den aktiven Managern sind.
Die verkappten Indexfonds können dann als die schlimmsten Sünder der Asset Management Branche identifiziert werden, wenn man davon ausgeht, dass der Erfolg eines Fonds vom Grad der Aktivität seines Ansatzes abhängt. Die Väter der Kennzahl Active Share, die die Aktivität von Fonds misst, vertreten diese These. Je aktiver ein Fonds, desto höher seine Outperformance-Chancen, so das Papier von Antti Petajisto und Martijn Cremers.
Der Grad der Aktivität lässt (leider) nicht auf den Erfolg schließen
Diese Ansicht ist nicht unumstritten. Fidelity und AQR Management haben Gegenstudien präsentiert, und auch Morningstar hat Zweifel an der These angemeldet, dass es einen zwingenden Zusammenhang zwischen dem Grad der Aktivität und dem Erfolg einer Investmentstrategie gibt. Fidelity, AQR und Morningstar sind bekennende Anhänger des aktiven Managements und würden es allesamt gerne sehen, dass ein aktiver Ansatz, ausgedrückt durch einen hohen Aktive Share, eine Prognosequalität darstellt; leider haben sich dafür keine Belege gefunden. (Wir haben bereits häufiger über diesen unterstellten Zusammenhang berichtet, lesen hier, hier und hier).
In den USA kamen in den 1990er Jahren verstärkt Fonds mit konzentrierten Portfolios auf den Markt. Die Marketing-Botschaft lautete seinerzeit, dass diese geringer diversifizierten Fonds, die nur die Top-Favoriten der Manager enthielten und insofern zwingend hohe Active Share Werte erreichten, Vorteile gegenüber konventionellen, mäßig aktiven Fonds hätten. Diese Annahme hat sich nicht bewahrheitet. Viele dieser Produkte sind inzwischen in der Versenkung bzw. von Markt verschwunden.
Spiegelbildlich hat die Historie gezeigt, dass Fonds, die nur geringfügig von ihren Indizes abweichen, nicht zwangsläufig schlechter abschneiden müssen als diese Benchmarks. Vier der sieben Produkte des Anbieters „American Funds“ haben den S&P 500 in den vergangenen zehn Jahren übertroffen; in den vergangenen 15 Jahren waren sie sogar allesamt besser als ihr Index. Auch insgesamt ließen US-Aktienfonds in den vergangenen 15 Jahren plus kein Muster a la: „aktiv=erfolgreich, semi-aktiv= nicht erfolgreich“ erkennen.
Wenn ein Fondsmanager Talent hat, hat er Talent. Punkt
Diese Ergebnisse überraschen nicht. Wenn ein Fondsmanager Talent hat, hat er Talent. Punkt. Wenn er von der Investmentstrategie des von ihm verantworteten Ansatzes eingeschränkt wird, dann werden diese Einschränkungen selten so weit gehen, dass er gar keine Chance hat, seinen Index zu übertreffen. Wer in der Lage ist, bei sechs von zehn Wetten richtig zu liegen, die nur 30 Prozent des Portfolios ausmachen, kann getrost den Rest des Portfolios indexieren. Er wird dennoch locker eine Outperformance von zwei Punkten pro Jahr erzielen können.
Natürlich könnte man nun argumentieren, dass besagter Manager bei einem vollständig freien Investmentansatz ein Mehrfaches an Überrendite gegenüber dem Index hätte erzielen können. Diese Feststellung ist gleichermaßen richtig wie in diesem Zusammenhang irrelevant. Denn das Gleiche gilt auch für die Manager, die nur Glück hatten. Ja, sie hätten das Glück mit mehr Anlagefreiheiten potenzieren können, aber das stellt ebenso wenig ein Kaufargument dar, wie das obere gegen den talentierten Fondsmanager mit eingeschränkter Flexibliltät spricht.
Fassen wir zusammen: Verkappte Indexfonds werden mit ähnlich großer Wahrscheinlichkeit ihre Indexes übertreffen wie aktive verwaltete Fonds. Natürlich sind dann ihre potenziellen Überrenditen geringer, aber das gilt spiegelbildlich auch für das Enttäuschungspotenzial. Natürlich werden die verkappten Indexfonds in Summe hinter ihren Indizes liegen. Aber die gleiche Konstellation gilt auch für aktive Manager. Deshalb gibt es keinen Grund, die verkappten Indexfonds als böse Buben zu brandmarken und den aktiven Managern einen Persilschein auszustellen.
Arglistige Täuschung im Spiel?
Und wie verhält es sich mit dem Vorwurf, verkappte Indextracker würden Anleger täuschen? Auch hier sollte man die Kirche im Dorf lassen. Jeder Fondsmanager wird, unabhängig vom Grad seiner Aktivität, behaupten, seinen Index übertreffen zu können, frei nach dem Motto: Je aktiver der Manager, desto höher sein Outperformance-Anspruch. In der Realität besitzen nur die wenigsten Manager diese Fähigkeit. Warum verzeiht man aktiven Managern diese Maßlosigkeit und wirft nur den verkappten Indexfonds Unehrlichkeit vor?
Man kann geteilter Meinung sein über den Wert von aktivem Management; man kann aktive Manager hochleben lassen, ihnen misstrauen oder was auch immer. Man sollte aber nicht mit zweierlei Maß messen: Was für aktive Manager zutrifft, gilt auch für verkappte Indexfonds.