Die vielen Anschuldigungen, dass Indexfonds die Aktienmärkte verzerren, sind Legende. Sie entpuppten sich fast immer als Ausreden, die erfolglose aktive Fondsmanager aufs Tapet bringen, um von den eigenen Verfehlungen abzulenken. Schon lange bevor sich Indexfonds in den Anlegerdepots breit gemacht haben, hatten aktive Fondsmanager die unterschiedlichsten Erklärungen dafür gefunden, warum der Markt falsch lag, wenn ihre Portfolio-Favoriten unter die Räder kamen. Die meisten Anfeindungen überzeugen also nicht.
Dass sich Indexfonds mit Blick auf die Grundsätze der guten Unternehmensführung neutral verhalten, gilt dagegen als Binsenweisheit. Zwar profitieren die Anleger von Indexfonds wie andere Fonds-Anteilseigner auchwenn gut gemanagte Unternehmen einen Mehrwert erzielen. Doch Indexfonds halten eine Aktie auch dann, wenn es um die Corporate Governance eines Unternehmens nicht zum besten bestellt ist. Wenn die Unternehmensführung nicht im Sinne der Anleger agiert, können Indexfonds die Aktien nicht einfach verkaufen. Sie bleiben auf ihren Positionen sitzen. Diese gängige Argumentation ist einleuchtend und wird auch von Vertretern der Industrie nicht in Abrede gestelltVanguard-CEO Bill McNabb formulierte es in einer fiktiven Ansprache an Unternehmen beispielsweise so: „Wir halten deine Aktie, wenn du uns gefällst. Und auch dann, wenn wir dich nicht mögen. Wir kaufen dich dann, wenn alle dich kaufen, und auch dann, wenn dich alle verkaufen.“ Das verstärkt natürlich die Wahrnehmung, dass Indexfonds im Zweifel anlegerunfreundliche Praktiken durch Nicht-Engagement fördern.
Praktisch aktiv
Doch ganz so einfach ist es nicht, wie nun drei Business-School-Professoren ermittelt haben. Ihrer Untersuchung zufolge hat das Wachstum der Indexfonds die Corporate Governance sogar verbessert. Ihre Erkenntnisse wurden noch nicht veröffentlicht und sollen erst noch im „Journal of Financial Economics“ erscheinen, sind aber bereits vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin mit zwei Research-Auszeichnungen prämiert worden.
Einer der Autoren, Ian Appel, hat in der „Harvard Business Review“ die Vorgehensweise wie folgt zusammengefasst. Das Trio hat zwischen den kleinsten Unternehmen im Russell 1000-Index und den größten im Russell 2000-Index unterschieden. Die erste Aktiengruppe wird in der Regel seltener von Indexfonds gehalten als die zweite Gruppe. Dann haben die Autoren getestet, ob es zwischen den beiden Gruppen Unterschiede mit Blick auf das Corporate-Governance-Verhalten gibt.
Und die gibt es. Die Autoren fanden folgendes heraus: Unternehmen, deren Aktien von Indexfonds gehalten werden, berufen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit unabhängige Mitglieder in ihre Gremien, nehmen eher Abstand von Übernahme-Abwehrstrategien (so genannte „Poison-Pills-Strategien“) und räumen ihren Aktionären zudem häufiger gleichberechtigte Stimmrechte ein.
Unterm Strich zusammengefasst
Studienautor Ian Appel formuliert es so: „Unsere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass passive Investoren die Unternehmensführungen durch die Kraft ihrer Stimme beeinflussen. Ein Anstieg des Anteils passiver Investoren geht einher mit der abnehmenden Unterstützung für die Vorschläge des Managements und einer zunehmenden Unterstützung für die Vorschläge von Aktionären. Wenn passive Fonds einen größeren Anteil in der Besitzerstruktur ausmachen, wird das Management im Wesentlichen mit einer streitfreudigeren Aktionärsbasis konfrontiert.“
Ein weiterer Punkt für Gryffindor!
So viel dazu, dass passive Investoren tatsächlich passiv sind. Ein weiterer Punkt für Gryffindor! Nach meiner Zählung steht es jetzt in etwa 79 zu 2 zugunsten der Index-Tracker!
Doch gemach. Dieser Artikel sollte nicht als These verstanden werden, dass aktives Management dem Tode geweiht ist. Sollte der Anteil von Indexfonds an den Aktienmärkten extrem stark steigen, dann würde das Unternehmens-Research stark an Bedeutung verlieren und die Märkte infolgedessen weniger effizient werden. Das hätte wiederum zur Folge, dass die besten aktiven Manager spielend Indexfonds überträfen und entsprechend Marktanteile gewinnen würden. Die Indexbranche würde, bildlich gesprochen, ausatmen und die aktiven Manager wiederbelebt werden. (Doch „Überleben“ und „Prosperieren“ sind zweierlei. Wünschen sich aktive Manager letzteres, dann sollten sie weniger reden und mehr Research betreiben bzw. aktiver agieren.)
Die Autoren der Studie unternehmen übrigens auch den Versuch, aktive Manager zu trösten. Ein Mehr an Indexfonds würde den Block der anlegerfreundlich abstimmenden Aktionäre vergrößern. Das, so die Autoren, sollte das Leben der aktivistischen Fondsmanager erleichtern. Leider, das sei hinzugefügt, handelt es sich hier überwiegend um Hedgefonds und nicht um öffentlich vertriebene Publikumsfonds.