Es geht folgendes Bonmot um zum heutigen Verhältnis zwischen Zinsen und Kurssteigerungen: „Früher haben Anleger Anleihen gekauft, um die Kupons zu vereinnahmen, und sie haben in Aktien investiert, um von Kurssteigerungen zu profitieren; heute kaufen sie Anleihen für das Kurspotenzial und Aktien für die Kupons.“ Tatsächlich sind seitdem die Notenbanken das Ruder an den Bond-Märkten übernommen haben die Kurse dort derart gestiegen, dass bis in den Herbst hinein große Teile des Marktes für Staatsanleihen der Industrieländer negative Renditen aufwiesen. Dagegen sind die (Dividenden-)Renditen von Aktien in den vergangenen Jahren deutlich weniger stark gesunken, was sie für Zinsjäger immer attraktiver erscheinen lässt.
Kein Wunder also, dass Dividenden-Investments heute das Gebot der Stunde sind. „Dividenden sind der neue Zins“, heißt es sogar häufig, wenn die Werbetrommel für Dividendenfonds gerührt wird. Diese Behauptung ist natürlich höchst fragwürdig. Denn wer Dividenden vereinnahmen will, muss in Aktien investieren, und, wie wir alle wissen, unterliegen Aktien anderen Risiken als Zinspapiere. Wir haben verschiedentlich das Thema Dividenden-Investments aufgegriffen und ausschüttungshungrige Investoren vor einer allzu blauäugigen Herangehensweise gewarnt (lesen Sie hier, hier und hier weiter).
Dividendenfähigkeit als Qualitätsmerkmal
Dividenden-Investments sind dennoch ein nicht wegzudenkender Bestandteil des europäischen Fondsmarkts. Dass es sich keinesfalls um ein Marketing-Gag handelt, lässt sich mit dem logischen Sachverhalt belegen, dass nur finanziell gesunde Unternehmen in der Lage sind, nachhaltig stabile Dividenden zu zahlen. Wessen Cashflows indes instabil sind und wer nicht in der Lage ist, nachhaltige Gewinne zu erwirtschaften (ganz zu schweigen von Unternehmen, die sich in einer finanziell prekären Lage befinden!), der wird am ehesten den Kapitalfluss an die Investoren reduzieren oder sogar ganz stoppen.
So weit, so klar also. Dividenden-Investments führen Anleger zu tendenziell zu stabilen Geschäftsmodellen. Doch die Sache hat einen Haken. Alles ist im Fluss. Man weiß zwar, wer in der Vergangenheit die ordentlichen Dividendenzahler waren, aber ob es sich auch um die Ausschüttungskönige der Zukunft handelt, steht in den Sternen. Investoren stehen nun prinzipiell zwei Optionen offen. Die erste lautet, die Waffen zu strecken, keine Prognose zu wagen und einfach auf die Dividendenkönige der Vergangenheit zu setzen. Das ist keinesfalls so hasardeurhaft wie es vielleicht anmuten mag. Zum einen ist es ehrlich: Wer keine Möglichkeit sieht, eine Prognose aufzustellen, sollte es bleiben lassen. Zum anderen bemühen sich Unternehmen in der Regel sehr um eine kontinuierliche Ausschüttungspraxis. Es muss schon einiges schiefgehen, bevor ein Unternehmen seinen Eigenkapitalgebern die Dividende kürzt oder streicht. Investoren hassen nichts so sehr wie die Streichung von Dividenden und quittieren derartige Ankündigungen in der Regel mit dem Verkauf der betreffenden Aktie. Das ist ein mächtiges Disziplinierungsinstrument!
Die zweite Option wird häufiger gezogen, und sie ist nicht nur typisch für die Manager aktiv verwalteter Fonds. Hier geht es darum, vermittels Prognosen und qualitativen Filtern sicherzustellen, dass die soliden Dividendenzahler auch künftig im Portfolio landen. Nun ist dieses Unterfangen zwar nicht ganz so schwierig, wie die Unternehmensgewinne der Zukunft zu prognostizieren, doch es gilt, einige Klippen zu überwinden. Die wichtigste ist, dass die Aktien mit den höchsten Dividendenrenditen häufig nicht ohne Grund hohe Ausschüttungsquoten aufweisen: Ihre Kurse sind zuvor stark gefallen, weil sie in Schwierigkeiten geraten sind. Es spricht einiges dafür, eher auf kontinuierliche Dividendenzahler zu setzen als auf die Zahler der höchsten Dividenden. Es gilt, den Spagat hinzubekommen, einerseits eine überdurchschnittliche Ausschüttungsquote im Vergleich zum gewählten Referenzmarkt zu sichern und andererseits potenzielle Pleitekandidaten zu vermeiden. Die Preisfrage lautet also: Wie viel Aktivität ist nötig, diesen Spagat hinzubekommen?
Reichen günstige Kosten aus, den Managern von aktiv verwalteten Dividendenfonds den Schneid abzukaufen?
Sie merken, liebe Leser, es läuft, wie so oft in diesen Zeiten, auf die Frage „Aktiv oder Passiv“ heraus. Auch im Bereich Dividenden-Investments gibt es inzwischen zahlreiche ETFs am Markt. Diese passiven Dividendenstrategien weisen natürlich nur einen Bruchteil der Kosten auf, die Anleger bei vergleichbaren aktiv verwalteten Fonds berappen müssen. Reicht das aus, um den aktiven Managern den Schneid abzukaufen? Im ersten Teil unseres Artikels zu Dividenden-Investments untersuchen wir einige prominente passive Strategien auf ihre Tragfähigkeit, bevor wir im zweiten Teil auf aktive Ansätze eingehen.
DivDAX: Konzentrierte Wette auf die Dividendenkönige der Vergangenheit
Fangen wir beim Produktangebot auf der passiven Seite an. Der älteste Dividenden-ETF im deutschsprachigen Raum ist ein Produkt, das die Performance des deutschen Dividenden-Index DivDAX abbildet. Das iShares DivDAX wurde bereits 2005 aufgelegt. (Damals segelte es noch unter der Indexchange-Flagge.) Inzwischen gibt es einen weiteren ETF auf den DivDAX, der von der Commerzbank-Tochter ComStage angeboten wird. Der Index vereint die 15 Top-Dividendenzahler im DAX 30, die nach Marktkapitalisierung gewichtet werden. Mit jährlichen Kosten von zwischen 0,25 und 0,31 Prozent sind diese passiven Produkt deutlich günstiger als der Durchschnitt der (überwiegend aktiv verwalteten) Fonds für deutsche Standardwerte, die im Schnitt knapp 1,6 Prozent an laufenden Gebühren aufweisen. Die Dividendenrendite von rund 3,5 Prozent übertrifft deutsche Bundesanleihen naturgemäß um Längen.
Dennoch sind ETFs auf den DivDAX Index nicht empfehlenswert. Zum einen ist dieser nur 15 Aktien umfassende Index hochkonzentriert. Das Einzeltitelrisiko kann viel stärker manifest werden, als dies typischerweise bei Fonds üblich ist. Illustriert wird dies beispielsweise durch das hohe Gewicht der Volkswagen-Aktie im Spätsommer 2015. Während das Gewicht von VW im DAX per Ende August 2015 bei 3,2 Prozent lag, war die Aktie im DivDAX mit 5,3 Prozent vertreten. Das hatte negative Konsequenzen für die Performance des Dividendenindex, als der Abgasskandal bei VW ruchbar wurde und der Aktienkurs von VW einbrach.
Zudem setzt sich der Index ausschließlich aus den Top-Dividendenzahlern der Vergangenheit zusammen. Es gibt also keinerlei Kontrollmechanismen, die sicherstellen, dass es sich bei den Indexwerten um nachhaltige Dividendenzahler handelt. Die Fluktuation in diesem Index war entsprechend hoch. Deshalb kommt der iShares DivDAX nicht über ein Morningstar Analyst Rating „Neutral“ hinaus. (Lesen Sie hier mehr über unsere neuen Morningstar Analyst Ratings für ETFs.)
FTSE All World High Dividend: zügellose Dividendenjagd
Dieser Umstand ist auch bei breiter diversifizierten Indizes zu beobachten. Etwa beim FTSE All World High Dividend Yield, der von Vanguard mit dem gleichnamigen ETF abgebildet wird (der Fonds ist an der Schweizer Börse gelistet). Auch dieser Index ist keine überzeugende Wahl. Zwar bildet er zwischen 90 und 95 Prozent des globalen Aktienmarkts ab und ist damit, anders als der DivDAX, breit diversifiziert. Allerdings fehlen jegliche Qualitätsfilter, welche auf die Finanzstärke der Indexbestandteile abheben und eine Indikation für die Nachhaltigkeit der Dividendenpolitik liefern könnten. Im Ergebnis sind die Unternehmen in diesem Index weniger profitabel und weisen auch einen höheren Verschuldungsgrad auf, als dies bei durchschnittlichen Dividendenfonds der Fall ist.
Doch auch Dividenden-Indizes, bei denen qualitative Filter eingesetzt werden, müssen nicht optimal sein. ETFs, die etwa den STOXX Global Select Dividend Index abbilden, nehmen nur Unternehmen auf, die in den fünf Jahren zuvor eine gleichbleibende oder steigende Dividende gezahlt, dabei aber nicht mehr als 60 Prozent des Gewinns ausgeschüttet haben. Das soll sicherstellen, dass nachhaltige Dividendenzahler im Index landen. Allerdings sind fünf Jahre keine besonders lange Zeit. Zudem stört bei diesem Index die regionale Gewichtung: Aktien aus Nordamerika sind mit 40 Prozent, Aktien Europa und Asien/Pazifik jeweils mit 30 Prozent vertreten. Die überdurchschnittlich hohe Gewichtung Asiens und die signifikante Untergewichtung der USA im Vergleich zu marktüblichen Benchmarks hatte seit der Finanzkrise negative Konsequenzen. Hinzu kommt, dass die größten Produkte am von iShares und der Deutschen Bank mit jährlichen Kosten von 46 bzw. 50 Basispunkten im Vergleich zu anderen Dividenden-ETFs recht teuer sind. Beide kommen ebenfalls nicht über ein „Neutral“-Rating hinaus.
Ist die Stunde der „Aristokraten gekommen?
In jüngerer Zeit werden bei Dividenden-ETFs immer mehr die qualitativen Anforderungen erhöht. Beispielhaft hierfür stehen die so genannten „Dividenden-Aristokraten“, die eine viel längere positive Dividendenhistorie verlangen, als das beim o.g. STOXX-Index der Fall ist. Beim S&P US High Yield Dividend Aristocrats Index ist etwa eine 20-jährige Historie angesagt, beim Euro-Pendant liegt die Eingangsvoraussetzung bei zehn Jahren Dividendenwachstum. Unterlegt werden diese beiden Indizes von Produkten aus dem Hause State Street. Die ETFs mit dem Label „SPDR“ zählen mit Gebühren von 35 Basispunkten jährlich für das US-Produkt und 30 Basispunkten für das Eurozonen-Produkt zu den günstigeren Dividenden-ETFs am Markt. Sie halten jeweils das positive Morningstar Analyst Rating „Bronze“.
Lange Dividendenhistorien schützen nicht vor Regimewechsel
Doch auch lange Dividendenhistorien schützen Investoren nicht vor Brüchen an den Märkten. Das wird auch bei den Indizes deutlich, die qualitative Filter einsetzen. So wiesen die bereits oben erwähnten Indizes STOXX Global Select Dividend und S&P US High Yield Dividend Aristocrats per Ende 2007 ein besonders hohes Gewicht an Banken auf, die traditionell als dividendenstarke Investments galten. Die Folgen sind bekannt: In der Finanzkrise stürzten diese Indizes besonders heftig ab. Schlimmer noch für Investoren: Als viele Kredithäuser in Schwierigkeiten gerieten und ihre Dividenden strichen, wurden ihre Aktien aus den Dividenden-Indizes entfernt. Damit hatten ETF-Investoren ihre Verluste realisiert. Als Bankenaktien dann 2009 zur Erholung ansetzten, waren diese Investoren nicht mehr dabei.
Unsere Umschau führt uns zur These, dass bei Dividenden-Investments ein qualitatives Moment nötig ist. Die Dinos unter den Indizes, welche keine qualitativen Kriterien, Klumpenrisiken zulassen und die Kontinuität der Dividendenpolitik der Unternehmen außer Acht lassen, erfüllen die Mindestbedingungen nicht, die Anleger an gemanagte Produkte stellen sollten. Doch auch die sophistizierteren „Aristokraten“-Ansätze tun sich mit Brüchen an den Märkten schwer und haben am Ende mit derselben Unsicherheit zu kämpfen: Man weiß zwar, wer in der Vergangenheit ein ordentlicher Dividendenzahler war, aber dieser auch der Ausschüttungskönig der Zukunft sein wird, steht in den Sternen.
Sind ETFs also für Dividenden-Investments ungeeignet? Diese Frage ist auch nach unserer Umschau zu verschiedenen Ansätzen nicht so ohne weiteres zu beantworten. Die Antwort hängt von den Alternativen ab, die Anlegern zur Verfügung stehen. Das bringt uns wiederum zur nächsten Frage: Ist das Gras auf der anderen Seite des Zaunes, also bei den aktiven Fondsmanagern, grüner als bei Dividenden-ETFs, deren Historie keine lupenreine Erfolgsstory darstellt? Dieser Frage gehen wir in der nächsten Woche nach.