Wie unsicher sind US-Anleihen?

Seit der Zinserhöhung letzte Woche reden viele von einem ‚Crash‘, doch die Märkte selbst zeichnen ein differenziertes Bild.

Shannon Kirwin 21.12.2016
Facebook Twitter LinkedIn

Nach der Tagung des Offenmarktausschusses der US Notenbank am 13. und 14. Dezember kündigte die Vorsitzende Janet Yellen an, dass die Notenbank den Leitzins um 0,25% auf eine Spanne von 0,50% bis 0,75% erhöhen würde. Diese Botschaft erfüllte die Erwartungen des Marktes, doch kam die Ansage, die Bank plane drei weitere Zinserhöhungen im Jahr 2017, überraschend.

Die Reaktion der Märkte machte sich hauptsächlich im kurzlaufenden Bereich spürbar; die Rendite zweijähriger Treasury-Bills erreichte ein mehrjähriges Hoch, während die von mittel- und langlaufenden Treasury-Anleihen leichter anstieg. Diese Entwicklung setzte einen negativen Trend fort, der im Juli an den Anleihenmärkten begann: Nachdem US-Staatsanleihen im ersten Halbjahr um mehr als 5% zulegen konnten, büßten sie zwischen Juli und November 2016 wieder 4% ein (in USD). Für Fondsanleger in der Morningstar-Kategorie ‚Staatsanleihen USD‘ bedeutete dies einen Gewinn in USD von nur 78 Basispunkten im laufenden Jahr bis Ende November, in Euro umgerechnet jedoch waren es 3,20%.

Vor allem in den USA nahmen manche Marktteilnehmer die Entwicklungen der letzten Woche als Zeichen eines lange erwarteten Markteinbruches. Doch diese Interpretation wäre überstürzt: selbst die Renditen der US-Staatsanleihen liegen noch nah an ihren Niveaus am Jahresanfang. Die Rendite der 10-jährigen Treasury-Anleihe belief sich z.B. zum 31. Dezember 2015 auf 2,27 %, zum 16. Dezember 2016 lag sie bei 2,60%. 

Grafik: Entwicklung der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen

Us yields

Aktien- und Rentenmärkte unterschiedlicher Meinung

Die Rallye der Aktienmärkte seit dem Wahlsieg Donald Trumps am 8. November 2016 signalisiert zwar Erwartungen erhöhter Unternehmensgewinne durch Steuersenkungen und das erhoffte Infrastrukturprogramm der Trump-Administration. Doch diese Signale werden in den Anleihenmärkten nur gemäßigt widergespiegelt. Zum Beispiel gilt derRenditeunterschied zwischenUS-Staatsanleihenund inflationsgeschützten Staatsanleihen als Maß für die Inflationserwartungen. Direkt nach der Fed-Ankündigung lag diese Differenz im 5-Jahresbereich weit unter 2%, was einer Inflationserwartung von unter 2% für die nächsten 5 Jahre entspricht. Für längere Zeiträume war der Unterscheid leicht höher, aber fiel nicht aus dem Rahmen. 

Grafik: Inflationsindexierte Anleihen im Vergleich zu herkömmlichen Treasuries

Inflationsindexiert vs herkoemlich 

Terminzinsen sind ein weiteres Mittel, die Erwartungen auf den Anleihenmärkten zu analysieren. Diese können die erwarteten zukünftigen Anleihenrenditen reflektieren, wobei solche Erwartungen in der Vergangenheit oft falsch lagen. Hier wird ebenfalls eine Veränderung signalisiert: Investoren gehen größtenteils davon aus, dass die Fed an ihrem Vorhaben festhalten wird, die kurzfristigen Zinssätze anzuheben. Sie erwarten zudem, dass die Renditen längerlaufender Staatsanleihen ebenfalls ansteigen werden.

Per 13. Dezember 2016 rechneten Marktteilnehmer mit einem Anstieg der Rendite der fünfjährigen Treasury-Anleihe von rund 1% über die nächsten 3 Jahre, bei der 10-jährigen Staatsanleihe wird ein Anstieg von 0,7% eingepreist. Das sind durchaus signifikante Entwicklungen, aber von einer Krise kann dabei kaum die Rede sein, zumal sie sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstrecken sollen.

Implizite Erwartungen für US-Treasury Renditen

 

 

Renditeerwartungen

Vor diesem Hintergrund erscheint die Panik rund um den US-Anleihenmarkt nicht ganz gerechtfertigt, vor allem nachdem fast jedes Marktsegment im Vergleich zum Jahreshoch Anfang Juli um einiges günstiger geworden ist. Obwohl die Morningstar-Kategorie ‚Anleihen hochverzinslich USD‘ als einzige Ausnahme über diesen Zeitraum mehr als 4% zulegen konnte, mussten auf US-Dollar lautende Unternehmens-, Staatsanleihen- und diversifizierte Rentenfonds bis Ende November 2016 Verluste zwischen 1% und 3% verzeichnen (in USD).

Natürlich ist dabei zu beachten, dass ‚günstiger‘ nicht immer gleich preiswert bedeutet. In manchen Segmenten, zum Beispiel bei Unternehmensanleihen hoher Bonität, sind die Spreads gegenüber Staatsanleihen seit Jahresanfang um einiges enger geworden. Für Euro-Anleger spielt der Währungseffekt außerdem eine wichtige Rolle; nachdem der US-Dollar seit Anfang Juli um rund 6% gegenüber dem Euro gestiegen ist, lagen Euro-Anleger im Durchschnitt in jeder US-Dollar-Kategorie im zweiten Halbjahr bis November immer noch im positiven Bereich. Und die oben genannten Signale sagen nichts zu den potenziellen politischen und wirtschaftlichen Risikofaktoren, die in den kommenden Monaten noch einen erheblichen Einfluss auf die Märkte haben könnten. Trotzdem bilden sie ein Gegenargument zu den Gerüchten von einer ‚Krise‘ am amerikanischen Anleihenmarkt, die in vielen Medien kursieren.

 

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Shannon Kirwin  is a fund analyst with Morningstar