Anleger, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, verfügen typischerweise nur über eine begrenzte Einsicht in das Thema. Sofern sie den Zugang zu Nachhaltigkeits-Research haben, können sie prüfen, welche Unternehmen eine gute Nachhaltigkeits-Bilanz aufweisen. Mit unseren Morningstar Sustainability Ratings, die wir vor einem Jahr lanciert haben, können Anleger auch die Nachhaltigkeits-Bilanz auf Fondsebene überprüfen.
Doch wie sieht das große Ganze aus? In welchen Ländern finden sich die meisten Unternehmen mit einer guten Nachhaltigkeits-Bilanz? Gibt es Auffälligkeiten mit Blick auf Kontroversen und Skandale? Diesen Frage sind nicht trivial, da sie viel über das Umfeld verraten, in dem Unternehmen agieren, wird allerdings selten hinreichend beantwortet.
Morningstar Sustainability Atlas für die Top-down-Perspektive
Wir haben uns deshalb die Nachhaltigkeits-Bilanz auf Länder-Ebene angeschaut und dafür 46 Morningstar Länder-Indizes analysiert. Im Herbst 2016 hatten wir die erste Fassung unseres „Morningstar Sustainability Atlas“ veröffentlicht und dabei 35 Indizes untersucht.
Bei unserer Länderübersicht kommt das identische Verfahren zum Einsatz, mit dem wir auch Investmentfonds auf ihre ESG-Bilanz prüfen -- das Akronym steht für „Environmental“ (Umweltbilanz), „Social“ (soziale Faktoren) und „Governance“ (Grundsätze der guten Unternehmensführung).
Da es hier nicht um die relative Bewertung von Fonds in ihrer jeweiligen Kategorie geht, sondern um Länder-Cluster geht, werden in unserem Nachhaltigkeits-Atlas keine Bewertungen entlang der fünfstufigen Rating-Skala vergeben. Um die Nachhaltigkeit von Regionen bzw. den an ihren Börsen gelisteten Unternehmen zu vergleichen, messen wir im ersten Schritt die Portfolio Sustainability Scores auf Index-Ebene.
Kommen wir nun zu den Ergebnissen unserer Untersuchung. Sie ist nach Nachhaltigkeits-Scores sortiert und der Übersicht halber in Quintilen zusammengefasst, die entsprechend farblich gekennzeichnet sind. Länderindizes im nachhaltigsten Quintil sind dunkelgrün markiert, gefolgt von einem hellgrünen Cluster. Das mittlere Quintil ist gelb koloriert, gefolgt von den orange- und rotmarkierten Quintilen, die die Schlusslichter bilden.
Eine große Dichte an nachhaltigen Indizes findet sich in Europa. Wie auch bereits im ersten Sustainability Atlas schneidet dabei Portugal mit einem Score von 66,9 Punkten (von 100 maximal möglichen) erneut am besten ab. Es handelt sich um einen sehr eng gefassten Index, der vom Versorger EDP und dem Energiekonzern Galp Energia dominiert wird. Diese gute Bilanz geht nicht nur auf die ESG-Qualitäten portugiesischer Unternehmen zurück, sondern auch auf die Tatsache, dass die Unternehmen dort kaum nennenswerte Kontroversen und Skandale hervorgebracht haben.
Zur Erinnerung: Der Morningstar Sustainability Score setzt sich aus dem ESG-Score, also der ESG-Bilanz, abzüglich des Controversy Score, des Abschlags, der aufgrund von Skandalen und Kontroversen vorgenommen wurde, zusammen.
Grafik: Der Morningstar Sustainability Atlas im Überblick
Die anderen Highlights kommen wenig überraschend aus den skandinavischen Ländern und den Niederlanden, die sich ebenfalls im ersten Quintil befinden. Der Dänemark-Länderindex weist mit einem Score von 65,9 Punkten die zweitbeste Bilanz unseres Atlas auf. Hier dominiert Novo Nordisk. Das Unternehmen glänzt auch gegenüber anderen Gesundheitsfirmen. Auffällig ist, dass Großbritannien in Europa wegen etlicher Kontroversen unter den europäischen Indizes mit einem Wert von knapp über 50 relativ schwach abschneidet.
Unter Schwellenländern kommen Ungarn, Tschechien und Polen am besten weg
Unter den Emerging Markets kommt Ungarn am besten weg, gefolgt von Tschechien und Polen. Unter nicht-europäischen Emerging Markets kommt der kolumbianische Markt auf die höchsten Nachhaltigkeits-Scores. Südafrika schneidetdank der guten Nachhaltigkeits-Bilanz von Naspers relativ gut ab.
Wenig überraschend fällt der russische Aktienmarkt mit 44,5 Punkten deutlich ab, die schlechteste Nachhaltigkeits-Bilanz weisen indes die Morningstar Indizes für China und Katar mit Scores von jeweils 38,9 Punkten.
Indes überrascht auf den ersten Blick das schwache Abschneiden der USA, die nur auf einen Score von 45,4 kommen. Das geht auf die schwache Controversy-Bilanz etlicher Unternehmen zurück, was zu Punkteabzügen geführt hat. Auch die Länder-Indizes für Südostasien bleiben überwiegend unter der 50-Punkte Schwelle und weisen damit eine unterdurchschnittliche Nachhaltigkeitsbilanz auf.
Unspektakulär schneiden im europäischen Vergleich die Indizes für Deutschland, Österreich und die Schweiz ab, die sich insgesamt immerhin in der oberen Hälfte des Länder-Rankings bewegen.
ESG-Bilanz um die Skandale bereinigt
Verlassen wir nun die Ebene der Sustainability Scores und steigen wir eine Ebene tiefer ein. Wir kommen zu den ESG Scores, welche die noch nicht um Kontroversen bereinigte ESG-Bilanz zeigt. Auch mit Blick auf die ESG-Scores ist Europa spitze, und Portugal nimmt erneut den ersten Rang ein.
Allerdings zeigt die unbereinigte ESG-Bilanz einige Veränderungen gegenüber der Meta-Ebene. Großbritannien rückt deutlich nach vorn, so auch die USA, die sich nunmehr im Mittelfeld befinden.
Grafik: Die ESG Scores von 46 Morningstar Indizes
Kommen wir nun zu den Kontroversen, welche die ESG-Bilanz der Länderindizes belasten. Am stärksten von Skandalen und Kontroversen belastet ist der Korea-Index, was auf dem schwachen Abschneiden von Samsung beruht. Wenig besser sieht es für die Schweiz aus, die in unserer ersten Untersuchung sogar den letzten Platz belegt hatte. Skandale der wichtigen Index-Holdings Nestle, Novartis, Roche und UBS haben erneut die Skandalbilanz der Eidgenossen getrübt. Das schwache Abschneiden der USA geht u.a. auf Probleme bei Apple, Exxon, Johnson&Johnson und Wells Fargo zurück. Großbritanniens Bilanz wird wiederum von HSBC und Shell belastet.
Weitere Märkte, die in negativer Hinsicht auffallen, sind Russland (Gazprom), Italien (u.a. Eni), Israel (Teva Pharmaceuticals), Deutschland (u.a. VW) und Brasilien (u.a. Petrobras).
Grafik: Skandal-Bilanz nach Morningstar Indizes
Im zweiten Teil des Artikels gehen wir auf die ESG-Bilanz der Indizes im Einzelnen ein. Lesen Sie hier weiter.