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Sind so genannte Angst-Barometer für Anleger nützlich?

Volatilitäts-Indizes wie der VIX und der VSTOXX machen immer wieder Schlagzeilen. Wir stellen ihre Funktionsweise vor und erläutern, warum Indextracker auf diese Barometer kein gutes Investment sind.*

Ali Masarwah 28.07.2017
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Der schon seit langem von Händlern und Risiko-Managern viel beachtete CBOE Market Volatility Index - besser bekannt als VIX – avancierte während der globalen Finanzkrise zu einem umgangssprachlich genutzten Ausdruck, der Eingang in die Medien fand. In den vergangenen Jahren war von dem Begriff dann nicht mehr so viel zu hören, was mit dem stetigen Aufwind an den Märkten zu tun haben dürfte, die seit 2009 fast beängstigend stetig und zumeist ruhig nach oben strebten. Doch ganz verschwunden ist der VIX nicht: Jedesmal, wenn es ruppig zugeht, macht dieses Akronym die Runde, etwa als der US-Aktienmarkt am 17. Mai nach einem zuvor markierten Rekordhoch um zwei Prozent nachgab. Da erwachte sowohl bei den Finanzmedien als auch bei den Investoren wieder das Interesse am VIX. Doch was ist er genau? 

Technisch gesehen spiegelt der VIX die 30-tägige implizite Volatilität der Optionen auf den S&P 500 Index wider. Verständlich formuliert ist der VIX eine Schätzung, wie stark Aktien in den nächsten Monaten schwanken dürften. Als ein zukunftsorientierter Indikator, dessen Stand sich aus Puts (Optionen zum Verkauf von Aktien) und Calls (Optionen zum Kauf von Aktien) ableitet, versucht der VIX nicht die Kursrichtung an den Märkten vorherzusagen. Vielmehr geht es darum, wie stark schwankend es auf Monatssicht zugehen dürfte.

Das Pendant zum VIX ist in Europa der VSTOXX

In Europa findet der VIX seine Entsprechung im Volatilitätsindex VSTOXX. Er drückt die von Marktteilnehmern erwartete Schwankungsbreite des EURO STOXX 50 Index aus. Wie beim VIX wird auch beim VSTOXX die erwartete Volatilität aus einem Korb von Index-Optionen (auf den Eurozonen-Index) für die nachfolgenden 30 Tage berechnet.

Aktienkurse bewegen sich in Reaktion auf die in der Zukunft erwarteten Unternehmensgewinne. So gesehen sind VIX und VSTOXX auch eine Schätzung dafür, wie viele marktbewegende Informationen im Laufe des nächsten Monats erwartet werden. Kurz gefasst können solche Barometer auch als ein Maßstab für die vorherrschende Unsicherheit gesehen werden. Je unsicherer die Zukunft ist, desto höher notieren VIX und VSTOXX. 

Wegen seines typischen Verhaltens, in stabilen Marktphasen langsam nach unten zu driften und steil nach oben zu schießen, wenn die Märkte in Bewegung kommen, werden VIX und Co. gemeinhin auch als Angst-Barometer bezeichnet. Doch es ist besser, sie als Unsicherheits-Barometer zu sehen, wobei an den Finanzmärkten Unsicherheit typischerweise eher Abwärts- als Aufwärtspotenzial nach sich zieht.

Bullenmärkte zeichnen sich oft durch einen stetigen Kursanstieg mit geringen Standardabweichungen bei den Renditen aus. Gelegentlich auftretende  Korrekturen, Einbrüche oder Krisen gehen dagegen in der Regel mit einem abrupten und starken Anstieg der Volatilität einher. Daher haben Volatilitäts-Indizes historisch gesehen eine negative Korrelation zu Aktien: Für den vergangenen 10-Jahres-Zeitraum beträgt der Wert bei VIX -0,68 und für den vergangenen 5-Jahres-Zeitraum -0,78.

Die untenstehende Abbildung zeigt den täglichen Schlusskurse des VIX über einen Zeitraum von zehn Jahren (per 28. April 2017). Der langfristige Mittelwert des VIX pendelt um 20 Prozent, was auch dem langfristigen jährlichen Volatilitätsdurchschnitt des S&P 500 Index entspricht und damit zeigt, wie stark der S&P 500 Index in einem typischen Jahr ausschlägt. 

Grafik: Kursverlauf des VIX seit 2007

VIX

Das Phänomen findet auch volkswirtschaftlich seine Entsprechung: Wenn die Wirtschaft brummt, verdienen Unternehmen Geld, und es stehen keine Ereignisse bevor, die das glückliche Klingeln der Kassen stören. In solchen Phasen neigt der VIX dazu, unter den Durchschnittswert von 20 Prozent und sogar bis in den Bereich von 10 Prozent zu fallen. Umgekehrt verhält es sich, wenn Anleger panisch sind und offenbar nicht damit rechnen, dass Unternehmen jemals wieder Geld verdienen werden, dann kann der VIX auch bis an 100 Prozent heranlaufen, so wie das während der Finanzkrise von 2008 der Fall gewesen ist.

Demgegenüber zeigt die nächste Abbildung für die vergangenen zehn Jahre die täglichen Schlusskurse des S&P 500 PR-Index. Wie Sie sehen können, korrespondieren Hochs beim VIX mit einigen ausgeprägten Zwischentiefs beim S&P 500 Index.

Grafik: Der Kursverlauf des S&P 500 Index seit 2007 

Sundp 

Neben seiner Funktion als Unsicherheits-Index ist der VIX inzwischen auch zu einem eigenständigen Finanzprodukt geworden. So kann man Futures auf der VIX handeln, um damit in die Ausschläge der Volatilität zu investieren. Zudem hat die CBOE VIX als Marke dadurch ausgebaut, indem man Produkte mit längeren Laufzeiten aufgelegt hat und mit VIX-Produkten, die auf Optionen für verschiedene Industrien ausgerichtet sind. In Europa vermarktet entsprechend die Eurex, eine Tochter der Deutschen Börse, VSTOXX-Futures und -Optionen als Handels und Absicherungsinstrumente europäischer Aktienmarktvolatilität. 

Funktioniert Volatilität als Anlageklasse? 

Neben anderen investierbaren Produkten haben ETP-Anbieter einige Exchange Traded Notes aufgelegt, wie die iPath S&P 500 VIX Short-Term Futures ETN und die iPath S&P 500 VIX Mid-Term Futures ETN. Auch für das europäische Volatilitätsbarometer VSTOXX wurden strukturierte Produkte aufgelegt, etwa den iPath VSTOXX Short-Term Futures ETN und iPath VSTOXX Mid-Term Futures ETN. Welche Erfahrungen haben Anlegern mit diesen strukturierten Produkten gemacht?

Der Zeitpunkt für die Auflage dieser Produkte war, sehr milde ausgedrückt, nicht die glücklichste, wie der Chart unten zeigt, der die Entwicklung der beiden Produkte in Prozent seit Auflage 2010 widerspiegelt. Profitierten beide ETNs noch von der eskalierenden Eurokrise, so zeigt die Entwicklung nach 2012, dass man mit derartigen Investments, seien sie als Absicherungs- oder Spekulationsinstrumente gedacht, langfristig sehr viel Geld verlieren kann. Der Mid-Term ETN hat gemäß der Kurshistorie 75 Prozent verloren, beim Short-Term ETN auf den VSTOXX liegt das Minus bei gut 62 Prozent. Immerhin sind nur wenige Anleger mit von der Partie: zusammen bringen es diese beiden Produkte derzeit auf ein Vermögen von unter zehn Millionen Euro. 

Grafik: Der Kursverlauf von iPath ETNs auf den V-STOXX

V Stoxx Europe

Die Anziehungskraft solcher Produkte ist zwar verständlich: Die niedrige Korrelation von VIX und VSTOXX zu Aktien ist für einige Anleger reizvoll, die nach einer Möglichkeit suchen, um sich gegen Kursrückgänge an den Aktienmärkten abzusichern. In der Theorie sollte das auch funktionieren, weil der VIX dazu neigt, nach oben zu springen, wenn ein Aktienportfolio unter Druck gerät.

Indes gibt es in der Praxis erhebliche Kosten im Zusammenhang mit Investments in VIX- bzw. VSTOXX-Futures: sie unterliegen den Launen von Backwardation und Contango bzw. den positiven und negativen Roll-Renditen. Auch erfordert eine solche Strategie zweifellos eine häufige Neuausrichtung, was in der Praxis für die meisten Investoren nicht wirklich Sinn macht. Es gibt also zwei Einwände gegen solche Produkte aus Sicht des Langfristinvestors: einmal die Tatsache, dass die Märkte langfristig steigen und somit diese Produkte stetig Kurserosionsprozessen ausgesetzt sind. Streng genommen untergraben Anleger, die solche Instrumente längerfristig halten, ihre eigene Anlagestrategie! Zum anderen führt die Tatsache, dass man nicht direkt in die implizite Volatilität investieren kann Volatilitäts-Anleger zum Futures-Markt, der neue Gesetzte mit ins Spiel bringt. Auch das ermöglicht nicht eine effiziente Absicherungsstrategie. 

Fazit

Anleger mögen zwar VIX und VSTOXX nutzen, um zu verstehen, wie unsicher die Finanzmärkte bezüglich der Entwicklung in der nahen Zukunft sind. Als Anlageprodukte sind die Ableitungen von VIX und VSTOXX Langfristinvestoren indes nicht zu empfehlen. 

* Dieser Artikel ist eine adaptierte Version des Beitrags von Karen Wallace "What the Heck Is the Fear Gauge Anyway?", der am 30. Mai auf morningstar.com veröffentlicht wurde.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich