Vielen wird der große Knall noch in den Ohren klingen: Gross sorgte mit seinem abrupten Ausscheiden bei PIMCO im Jahr 2014 und dem anschließenden bitterbösen Streit für dicke Schlagzeilen. Viele Anleger waren verunsichert und zogen ihr Geld bei PIMCO ab. Die Auseinandersetzung Gross-PIMCO markierte einen Tiefpunkt für Gross' Karriere und setzte unnötig alles aufs Spiel, woran er seit der Gründung von PIMCO im Jahr 1971 gearbeitet hatte. Einige Beobachter erwarteten massive Zuflüsse bei Janus, wo Gross eine neue Heimat fand. Doch es kam anders. Der Fonds, der heute unter dem Namen Janus Henderson Global Unconstrained Bond segelt, kämpfte um Assets und litt unter einer schlechten Performance unter Gross' Führung. Im Dezember 2018 verfügte der Fonds über ein Vermögen von weniger als einer Milliarde US-Dollar, und Janus berichtete, dass Gross und seine Familienmitglieder mehr als 50% der Anteile besaßen.
Die letzten Jahre waren unbestreitbar keine Glanzzeit in der Karriere-Bilanz des „King of Bonds“. Doch das sollte nicht den Blick verstellen auf sein Vermächtnis als Mitbegründer von PIMCO und langjähriger Manager des Anleihen-Giganten PIMCO Total Return Bond, eines Fonds mit einer beispiellosen Erfolgsstory.
Vorreiter von aktivem Bond-Management
Gross war ein Vorreiter von aktivem Management von Bondportfolios. Bis weit in die 1970er Jahre lautete das Standard-Drehbuch im Bond-Management: Buy-and-Hold und immer schön die Kupons einsammeln. Manager versuchten nur selten, die Vorteile von Illiquiditätsprämien, Ineffizienzen oder Fehleinschätzungen am Markt zu nutzen.
Anders Bill Gross: Er nutzte fundamentales Kredit-Research, um Entscheidungen zum Kauf oder Verkauf von Anleihen zu treffen, je nachdem, ob sie billig oder teuer aussahen, und das oft auf dem Sekundärmarkt. Manchmal bedeutete das, Anleihen zu kaufen, die attraktiv aussahen, weil sie billig waren, auch wenn sie nicht die höchste Rendite abwarfen. Oder die Bonds zu meiden, die fette Renditen, aber auch unangemessen hohe Risiken mit sich brachten. Das typische Gross-Portfolio hatte oft viel niedrigere Renditen als die Konkurrenz, aber sein ganzheitlicherer Managementstil führte dazu, dass seine Fonds fast immer auf lange Sicht vor den Wettbewerbern lagen.
Fixpunkt Investmentprozess
Gross traf auch eine kritische Entscheidung, die prägend war für den Stil, ja für die Steuerung des Unternehmens PIMCO. Er konzentrierte sich ganz auf die Investitionsseite. Marketing, Vertrieb und Produktmanagement leiteten sich vom Investment-Primat ab. Das war keine Petitesse, denn es legte den Grundstein für den langfristigen Erfolg von PIMCO. Weil er der Chef und der Gründer des Unternehmens war, hatte er die Freiheit und die Flexibilität, einen Prozess und eine Infrastruktur zu definieren, die ganz auf das Portfolio-Management ausgerichtet waren.
Etliche Wettbewerber versuchten, mit Marketing-getriebenen Strategien das schnelle Geld einzuwerben. Oft bedeutete das, aggressive Strategien oder Gimmicks zu verwenden, die für eine Weile verlockende Ergebnisse lieferten, nur um dann zu Blowups zu führen, als der Tag der Abrechnung kam. Dieser ereilte viele vermeintliche Stars im Jahr 2008, als sich zeigte, dass viele vermeintliche Stars ihre Fonds-Renditen mit abenteuerlichen Strategien in die Höhe getrieben hatten. PIMCO überstand die Krise relativ unbeschadet, was wiederum sehr viele Anleger anzog.
Große Makrowetten in Worten und nicht immer in Taten
Das hatte nicht nur positive Folgen. PIMCO litt unter der mangelnden Bereitschaft von Gross, die Zuflüsse in Strategien einzudämmen und Fonds temporär zu schließen, wenn ihre Vermögenswerte zu stark anwuchsen. Doch dies bewirkte auch eine Innovation, nämlich eine verstärkte Hinwendung zu Top-down getriebenen Investmentprozessen, bei denen Entscheidungen über die Gewichtung von Märkten und Sektoren im Vordergrund standen. Auch Zinskurven-Strategien gewannen an Bedeutung. Gross traf diese Entscheidungen mit Unterstützung des Anlagekomitees von PIMCO, zu dem Generalisten und spezialisierte Fondsmanager und Ökonomen gehörten, die alle relevanten Datenpunkte im Blick hatten und auch die Entscheidungen von Zentralbankern analysierten. Dieser Richtungsschwenk zahlte sich zunächst aus. Doch – ungeachtet der medienträchtigen Analysen und öffentlichen Stellungnahmen von Gross - so setzte er eben nicht alles auf eine Karte. Er war kein Hasardeur, sodass keine großen Verluste anstanden, wenn er mit einer Wette falsch lag.
Ungeachtet des Dramas seines Abgangs bei PIMCO und seiner wenig glücklichen Hand bei Janus Henderson, so ist es – scheinbar paradoxerweise - auch Gross zuzuschreiben, dass es heute bei PIMCO so gut läuft. Schon sehr früh stand er im Rampenlicht, der Ton war rau bei PIMCO, und es war bekanntlich schwierig, mit ihm zu arbeiten. Doch obwohl er ein gigantisches Ego hatte, war er bereit, sich in wichtigen Momenten zurückzunehmen und den Talenten, mit denen er sich umgab, zur Geltung kommen zu lassen. Und er schaffte es, die meisten der Talente bei PIMCO zu halten. Gross stellte sicher, dass PIMCO Spitzengehälter zahlte und seine Mitarbeiter damit öfter als nicht den Sirenengesängen von Hedgefonds und Private Equity-Firmen widerstanden.
Schwieriger Charakter, der sich in entscheidenden Momenten zurücknahm
Auch wenn interne Kämpfe mit seinen Mitarbeitern die Ursache für seinen abrupten Wechsel 2014 waren, so standen die Manager, die Gross eingestellt und ausgebildet hatte, bereit, als die Zeit kam. Dan Ivascyn folgte ihm als Group CIO, stabilisierte das Schiff und hat seitdem eine Periode bemerkenswerter Stabilität und Investitionserfolge verantwortet.
Dass PIMCO in der Lage war, den Bruch mit dem omnipräsenten Gründer zu überleben und hiernach sogar zu gedeihen, war aber insgesamt ein Beispiel für Management-Lehrbücher, wie man einen Übergang nicht gestalten sollte. Gross tat wenig, um Investoren auf seinen im Ergebnis rücksichtslosen Abschied vorzubereiten. Die Assets von PIMCO sind inzwischen zwar seit 2014 gewachsen, aber Anleger bis zu 450 Milliarden Dollar ab, nachdem Gross das Handtuch geworfen hatte. Dass dieser Schritt PIMCO nicht nachhaltig schaden würde, war damals mitnichten klar.
Insgesamt hinterließen diese unschönen Ereignisse Kratzer in einer bemerkenswerten Karriere, aber man wird Bill Gross insgesamt in Erinnerung halten als jemand, der aktives Bond-Management geprägt hat wie kaum ein anderer. Die Maßstäbe, die er gesetzt hat, überdauern und prägen Bond-Investments noch immer – weit jenseits der Fonds und Mandate, die PIMCO bewirtschaftet.