Codewort PAPM: Eine andere Sicht auf die Welt der Risikoprämien

Drei Morningstar-Analysten bieten in einer CFA-Publikation eine willkommene Ergänzung zur klassischen CAPM-Portfoliotheorie an. Teil I: Eine zusammenfassende Einführung in die Welt des PAPM. 

John Rekenthaler 20.03.2019
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Die drei Morningstar-Analysten Thomas M. Idzorek, Paul D. Kaplan, und James X. Xiong haben, zusammen mit Roger Ibbotson aus Yale, einen ziemlich ambitionierten Artikel zum Thema Asset-Pricing verfasst. (Für diejenigen, die das Original studieren wollen, die Warnung: Es ist nicht nur vom Anspruch, sondern auch vom Umfang her faktisch ein Buch geworden!). Im Mittelpunkt von „Popularity: A Bridge between Classical and Behavioral Finance“ steht die These, dass der Themenkomplex „Risiko“ das Börsenverhalten von Investoren zwar teilweise, aber eben nicht vollständig erklärt. 

Mit einigen bescheidenen Ausnahmen gehen frühere Marktmodelle davon aus, dass eine höhere Rendite aus der Schulterung höherer Risiken resultiert. Das ist nicht so, argumentieren die Autoren, die ihrem Ansatz „Popularity Asset Pricing Model“ das Akronym PAPM verpassen. Demnach hätten Wertpapiere verschiedenste Eigenschaften, von denen viele eher Präferenzen widerspiegeln, als das sie Quellen zusätzlicher Risiken sind. 

Diese Behauptung ist zweifellos richtig. Betrachten wir zunächst einmal eine Ur-amerikanische Wertpapiergattung: Kommunalanleihen. Die klassische Theorie würde suggerieren, dass deren erwartete Renditen höher sein sollten als bei Treasuries, da Muni-Anleihen weniger bonitätsstark sind. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Grund ist banal: Es liegt an dem Steuervorteil, der bei einem Investment in Kommunalanleihen entsteht. Diese Funktion macht sie beliebter, als sie es gemäß der klassischen CAPM-Theorie sein sollten. Gleiches gilt für den Aktienmarkt, wo bestimmte steuerliche Konstellationen die Präferenzen von Investoren steuert. Etwa sind in den USA für die meisten Investoren Unternehmen, die keine Dividenden Zahlen, etwa Berkshire Hathaway, aus steuerlicher Sicht attraktiver als Aktien, die Dividenden zahlen, wie, sagen wir, Morningstar. 

Was wollen Investoren eigentlich? 

Die Autoren identifizieren, was Aktieninvestoren suchen. Das gilt natürlich nicht für jeden Anleger in jeder Situation, aber die Studie erklärt viele der Gründe und Faktoren, die erklären, warum ein Wertpapier bewertet wird, wie es bewertet wird. Demnach sind Anleger bereit, für diese individuell bestimmbaren Vorteile auf einen Teil der zukünftigen Rendite zu verzichten. Das geschieht, weil die Popularität der Aktie ihren Kurs getrieben hat. Aktien, die zum Zeitpunkt einen höheren Preis haben, werden weniger Renditen liefern als andere Aktien. 

Manchmal werden diese Entscheidungen ganz gezielt getroffen. Anleger erkennen, dass Aktien, die leicht liquide, also einfach handelbar sind, können in schlechten Marktphasen schnell verkauft werden – und akzeptieren, dass die Renditen tiefer sind als bei illiquideren Aktien, die ihnen tendenziell höhere Renditen bescheren können - auf Kosten der Flexibilität, die illiquide Aktien nur eingeschränkt ist. Das ist ein Abkommen, zu dem sie bereit waren. 

Manchmal liegen den Präferenzen der Anleger indes keine bewussten Entscheidungen zugrunde. Zum Beispiel können sie in Unternehmen investieren, die starke Brands haben, große Wettbewerbsvorteile und einen guten Ruf haben. Hier glauben die meisten Anleger, dass diese Eigenschaften zu besseren Renditen führen. Insgesamt neigen solche Aktien jedoch aufgrund ihrer Beliebtheit dazu, schlechter zu performen als weniger „gute“ Unternehmen. Die hohe Qualität solcher Unternehmen macht sie für viele attraktiv – was zu einer hohen Bewertung führt. 

CAPM vs. PAPM 

Das sind nur Beispiele. Der entscheidende Punkt ist, dass die Studie hervorhebt, dass dem Pricing von Aktien deren perzipierter Nutzen zugrunde liegt und nicht deren Risiken. Das stellt einen Bruch mit der Vergangenheit dar. Aufgrund dieser Divergenz gelangt PAPM zu ganz anderen Schlussfolgerungen als das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Das illustrieren die Autoren anhand ihrer Studie auch, welche übrigens auch auf empirischen Erkenntnissen basiert. 

1) Das Marktportfolio 

Bekannterweise kommt das CAPM zum Schluss, dass alle Anleger das identische Aktienportfolio besitzen sollten: alle Aktien, gewichtet nach ihrer Marktkapitalisierung. Konservative Investoren werden das Marktportfolio mit Bargeld kombinieren, während diejenigen, die aggressiv sind, den Hebel, also Fremdkapital, einsetzen werden. So oder so, ihre Aktienpositionen sind identisch. 

Im Gegensatz impliziert das PAPM die Existenz einer unendlich großen Anzahl von Portfolios. Das „Risiko“ im Sinne des CAPM ist ein universell gültiges Konzept. Die Präferenzen von Anlegern mit Blick auf die Popularitätsfunktionen führen zu mannigfaltigen „effizienten“, individuellen Portfolios. Ihr Portfolio wird grundverschieden von meinem sein, da unsere Präferenzen höchst unterschiedlich sein können. 

2) Implementierung 

Das CAPM steht für Einfachheit. Da sich alle Aktien-Investoren gleich verhalten und gesamten Markt halten, entfällt die Notwendigkeit, das Portfolio zu „optimieren“. Es gilt das Motto: „One Size fits all“, ja dieses Portfolio wurde bereits definiert! 

Das PAPM impliziert dagegen Komplexität. Die vollständige Umsetzung erfordert folgende Messungen: 1) der Vorlieben des Investors; 2) des Scores jeder Aktie für jeden Beliebtheitsfaktor; 3) die Durchführung einer Portfolio-Optimierungsroutine. (Diese Berechnung macht man nicht händisch und schon gar nicht per Überschlagrechnung im Kopf!) 

In der Praxis kann und würde das PAPM natürlich informell angewendet werden. Durch das Durchdenken des PAPM-Rahmens würden die Anleger ihre Präferenzen ausdrücklich anerkennen. Diese Maßnahme würde ihnen die Möglichkeit geben, ihre Portfolios zu verbessern, indem sie Aktien loswerden, die unerwünschte Merkmale aufweisen. Es gibt keinen Grund, Vorteile zu besitzen, die andere schätzen mögen, die der betreffende Anleger aber nicht schätzt. 

3) Die Aktienkursgestaltung

Nach dem CAPM steht die erwartete Überrendite einer Aktie proportional zu ihrem Beta-Wert (d.h. ihrer Sensitivität gegenüber den Bewegungen des Marktes). 

Bei PAPM bleibt die erwartete Überrendite der Aktie teilweise eine Funktion ihres Betas (wie bereits erwähnt, erkennt PAPM an, dass das Risiko eine Rolle bei der Aktienkursentwicklung spielt), wird aber durch die Auswirkungen von Popularitätsmerkmalen ergänzt. Die Summe der Präferenzen aller Anleger ergibt den Gesamtmarkt, kapitalgewichtet natürlich, also entsprechend der Menge der eingesetzten Vermögenswerte – es gilt auch hier das Motto: „Money talks“! 

Nächste Woche gehen wir auf die Details der PAPM-These ein. Die Autoren unserer Studie haben sich nämlich auch durch jede Menge Marktdaten gefressen, um ihre Thesen nicht nur aufzustellen, sondern anhand der Wirklichkeit zu testen!

 

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Über den Autor

John Rekenthaler  is vice president of research for Morningstar.