Wenn ein Aktienfonds knapp 18 Prozent verliert, aber zugleich seine Konkurrenten um knapp zwei Prozentpunkte übertrifft, ist das für den Fondsmanager ein zwiespältiges Erlebnis. Einerseits hat er deutlich besser gelegen als seine Wettbewerber, andererseits nehmen viele Investoren vor allem das Minus zur Kenntnis. Wir sprachen mit Christoph Stangelberger, Fondsmanager des Allianz Invest Austria Plus, Gewinner des diesjährigen Morningstar Award „Bester Aktienfonds Österreich“, über Anlagehorizonte, die Verlusttoleranz von Investoren, und wie aktive Fondsmanager auf die Herausforderung von ETFs reagieren sollten.
Herr Stangelberger, der Allianz Invest Austria Plus hat 2018 den ATX leicht, den MSCI sehr deutlich übertroffen und auch den Durchschnitt der österreichischen Aktienfonds hinter sich gelasssen. Aber so ganz ungetrübt ist die Freude dann doch nicht?
Fast 18 Prozent zu verlieren, hat mir gleich zweimal weh getan. Einmal ist es für Anleger sehr unschön, so viel zu verlieren. Außerdem habe ich auch Geld verloren. Denn ich halte es mit dem Motto: „Put your money where your mouth is“ und investiere auch in den Fonds. Eine gute Performance zu liefern, ist also auch für mich persönlich wichtig. Aber es ist schon ein Trost, besser als der Markt und die Wettbewerber abgeschnitten zu haben, wenn auch nur ein kleiner.
Ihr Fazit aus 2018?
Letztes Jahr hat mir als Fondsmanager keine wirklich neuen Erkenntnisse geliefert, was unsere Strategie anbelangt. Unser Ansatz sieht vor, qualitativ hochwertige österreichische Unternehmen zu finden, die günstig bewertet sind und defensive Eigenschaften haben; von solchen Unternehmen kann man erwarten, dass sie sich in Zukunft an der Börse gut entwickeln werden. Aus Anlegersicht finde ich es wichtig festzuhalten, dass wir 2018 zwar kräftig verloren haben, aber dass die Performance in den vergangenen drei Jahren mit 14,5 Prozent pro Jahr mehr als ordentlich war.
2016 war ein gutes Jahr, 2017 ein hervorragendes, und im ersten Quartal dieses Jahres lief es ziemlich rund. Wer lange dabei war, dürfte 2018 besser einordnen können, als der, der 2018 eingestiegen ist.
Ja, deshalb ist es auch so wichtig, langfristig zu investieren. Wer nur von Quartal zu Quartal oder auch von Jahr zu Jahr schaut, der hat einen ganz wesentlichen Aspekt des Aktien-Investierens nicht verstanden.
Welchen Ihrer Aktien-Favoriten würden Sie mit Blick auf die Entwicklung 2018 hervorheben, auch mit Blick auf die Bedeutung der Langfristigkeit bei der Kapitalanlage?
Hervorheben kann ich den Caterer Do & Co. 2016 verlor die Aktie über 35 Prozent, und 2017 ging es noch einmal um 23 Prozent runter. Viele Marktteilnehmer hatten die Aktie abgeschrieben, als klar wurde, dass der Vertrag mit Turkish Airlines in Gefahr war und keine neuen Deals in der Pipeline erkennbar waren. Ich habe an der Aktie festgehalten, weil CEO Attila Dogudan vieles richtig gemacht hat und in seinen Einschätzungen immer sehr konservativ waren. Das hat mir gut gefallen. Der verlorene Deal mit Turkish Airways wurde durch neue Verträge kompensiert. Ich habe im Laufe des Jahres mein Investment in Do & Co. erhöht und konnte dadurch insgesamt den Einsatz verdoppeln.
Wenn Wohl und Wehe des Fonds ausschließlich an der Performance von Erste Bank und OMV hängen würden, könnte ich den Job an den Nagel hängen.
Macht sich die zunehmende Verbreitung von ETFs auch für Österreich-Aktienfonds bemerkbar, und wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Jahren dadurch verändert?
In den letzten Jahren ist der Markt immer stärker volumengetrieben gewesen, da ist viel von ETFs getrieben worden. In manchen Phasen hatte das zur Folge, dass Research zu einzelnen Unternehmen fast schon nicht mehr relevant war. Aber je stärker die passiven Fonds unterwegs sind, desto wichtiger ist es, alle Aspekte der Unternehmensbereiche zu analysieren, weil man so die Sonder-Stories erfasst, die in Zukunft das Geschäft viel stärker beeinflussen, als man das heute aus einer oberflächlichen Sicht vermuten könnte.
Haben Sie ein Beispiel?
Da fällt mir Raiffeisen International ein. Zunächst haben die Russland-Sanktionen und dann die jüngsten Geldwäschefälle-Meldungen den Kurs stark beeinträchtigt. Die Berichterstattung in den Medien ist sehr negativ, und das prägt den Newsflow. In manchen Analysen von Brokerhäusern heißt es jetzt, dass Raiffeisen nur 20 EUR wert sei. (Aktuell, am 10.4.2019, liegt der Kurs bei 21,75 Euro, Anmerkung von Morningstar). Aber das bedeutet für mich nichts. Aus meiner Sicht sind die Abschläge übertrieben. Das Unternehmen ist massiv unterbewertet und deshalb einer meiner Favoriten. Da sehe ich viel Potenzial. Meine Modelle greifen oft besser als das, was Broker-Analysen liefern können. Doch auch meine Herangehensweise hat sich in den vergangenen Jahren ein Stück weit geändert; heute setze ich stärker auf Gespräche mit dem Management von Unternehmen, die meine Bewertungsmodelle ergänzen. Der Arbeitsaufwand hat sich dadurch massiv erhöht; heute geht es mir darum, die Nuancen besser zu erfassen.
Der österreichische Markt ist insofern sehr speziell, als der ATX-Index von OMV und Erste Bank geprägt wird, die aktiv verwaltete Fonds deshalb untergewichten müssen. Wenn die ein gutes Jahr haben, hat der aktive Manager keine Chance, oder?
Das sehe ich etwas anders. Es gibt immer Unternehmen in ähnlichen Bereichen, die mit diesen beiden Schwergewichten ganz gut mitlaufen können. Es gibt am österreichischen Markt genügend Finanzunternehmen, die man stärker gewichten kann, um das strukturelle Untergewicht von Erste Bank zu kompensieren. Langfristig erwies sich die Vienna Insurance Group als ausgezeichnete Alternative. Und von einem hohen Ölpreis profitiert am heimischen Aktienmarkt nicht nur die OMV, sondern auch die SBO, die dann meist eine interessante Alternative ist. Wenn Wohl und Wehe des Fonds ausschließlich an der Performance von Erste Bank und OMV hängen würden, könnte ich den Job an den Nagel hängen.
Die Fragen stellte Ali Masarwah