Investieren in Zeiten der US-Wahlen: Wer sich bewegt, verliert

Brexit war an den globalen Märkten nach wenigen Wochen aus den Aktienkursen herausgerollt, der Trump-Wahlsieg 2016 nach wenigen Stunden. Die Reaktionen der Marktteilnehmer auf die US-Wahl 2020 trotzten ebenfalls den allgemeinen Erwartungen. Erste Erkenntnisse aus dem aktuellen Geschehen für Langfristanleger. 

Ali Masarwah 06.11.2020
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Die zähe Auszählung der Stimmen bei den U.S.-Wahlen setzt den passenden Schlusspunkt eines dramatischen Präsidentschaftsrennens. Auf einen fast schon sicher geglaubten Wahlsieg der Demokraten bei den Kongress- und Präsidentschaftswahlen folgt realiter eine Hängepartie, die auch am Tag drei nach den Wahlen andauert. Es läuft auf ein Foto-Finish zwischen Joe Biden und Donald Trump heraus, und auch im Kongress wird es in beiden Kammern eng. 

Doch was haben die Märkte aus der vermeintlich verhassten Unsicherheit gemacht? Aktien reagierten in den Tagen nach der Wahl mit Kursgewinnen, und auch die Renditen sicherer Staatsanleihen fielen. Die allgemeine Hausse der vergangenen Jahre fand also ihre Fortsetzung. Wieder einmal.

Märkte stecken Schocks mühelos weg

Gemessen an den Erwartungen vieler Beobachter ist das erstaunlich. Doch bei näherem Hinsehen fügt sich die Marktentwicklung in diesen ungewöhnlichen Zeiten in das bisher zu beobachtende Muster: Die Märkte für Risiko-Papiere stecken vermeintliche Schocks und unerwartete Ereignisse mühelos weg, ja sie reagieren sogar mit Kursgewinnen. 

Zur Erinnerung: Die Brexit-Abstimmung 2016 wurde an den globalen Aktienmärkten nach wenigen Wochen aus den Kursen herausgerollt, der Trump-Wahlsieg 2016 nach wenigen Stunden, und die Reaktionen der Marktteilnehmer auf die US-Wahlen 2020 trotzten ebenfalls den allgemeinen Erwartungen. 

Es ist dabei einerlei, ob die Robustheit der Märkte als Folge der lockeren Notenbankpolitiken weltweit gedeutet wird oder als Ergebnis des Anlagenotstands bei weiten Investorenkreisen. Es gilt zunächst festzuhalten, dass sich - wieder einmal - vermeintlich vorausschauende Absicherungen als vollkommen verfehlt weil für die Performance abträglich erwiesen haben.

Wer kurzfristig das Risiko aus seinem Portfolio herausnahm, stand an der Seitenlinie, derweil ihm die Märkte enteilten. Investoren, die in früheren Zeiten mit einer derartigen taktischen Defensivhaltung gepunktet haben mögen, bekamen auch dieses Mal von den Märkten eine lange Nase gezeigt. 

Stabilität bedeutet nicht zwangsläufig Stasis

Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Anleger immer Vollgas geben sollten und die Portfoliokonstruktion statisch sein muss. Selbst die meisten Index-Portfolios setzen auf das so genannte Rebalancing, sie werden regelmäßig auf ihre Ausgangsposition zurückgesetzt. Damit wird nicht nur die strategische Asset Allocation regelmäßig gemäß den Bedürfnissen der Investoren neu kalibriert. Die Reduzierung des Gewichts der Vergangenheits-Gewinner und der Nachkauf bei den Underperformern (egal, um welche Asset-Klasse es sich handelt), haben eine antizyklische Komponente, was Verfechter der Reversion-to-the-Mean-These und bewertungsorientierten Investoren gefällt.

Bei aktiv verwalteten Portfolios kommt es genauso darauf an, Portfolios strategisch aufzusetzen. Aktive Manager müssen allerdings zwischen relevanten Marktverschiebungen, die Einfluss haben müssen für die Portfoliokonstruktion, vom Irrelevanten (kurzfristige politische Ereignisse) unterscheiden. Damit können Anleger das wirklich aktive Management von sinnfreiem Aktionismus unterscheiden.  

Die Kollegen von Morningstar Investment Management (MIM) raten entsprechend davon ab, auf das aktuelle politische Geschehen zu reagieren. Anleger sollten Ruhe bewahren. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es unwahrscheinlich, dass es zu signifikanten Verlusten im Zusammenhang mit den US-Wahlen kommen werde. Wir haben bereits frühzeitig vor der US-Wahl signalisiert, dass die Frage, wer im Weißen Haus sitzt, keinen großen Einfluss auf die Märkte hat

Wir definieren Risiko als Gefahr eines dauerhaften Kapitalverlusts und nicht als die kurzfristige Marktvolatilität

Doch davon abzusehen, sich gegen schwer zu taxierende Ereignisse abzusichern, ist das eine. Das andere ist, dass spiegelbildlich dazu Anleger zurückhaltend sein sollten, wenn es darum geht, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, auch wenn Momentum-Strategien in den vergangenen Jahren durchaus erfolgreich waren. „Viele Analysten mögen bereit sind, sich mit revidierten Empfehlungen jetzt auf den Markt zu stürzen, wir sind dagegen der Meinung, dass dies falsch“ sein könne, so MIM weiter. 

Es komme darauf an, so unsere MIM-Kollegen weiter, die beiden Variablen für erfolgreiche Investitionen im Blick zu behalten: den aktuellen Preis eines Vermögenswerts und seinen langfristigen fairen Wert – und die Zusammensetzung des Portfolios immer wieder in Einklang zu bringen mit dem Investment-Horizont des Investors. Beim Kauf von Vermögenswerten sei es darüber hinaus wichtig, eine hinreichend große Sicherheitsmarge zu veranschlagen. Dafür sei ein Rahmenwerk zur Identifizierung der Attraktivität von Vermögenswerten unerlässlich. „In dieser Hinsicht sind wir weiter der Ansicht, dass US-Aktien im Verhältnis zum ihrem fairen Wert teuer sind, und diese Ansicht ändert sich auch nach der Wahl nicht.“, so MIM weiter. 

Anleger, die mehr über die aktuelle Markteinschätzung unserer Asset-Management-Einheit wissen möchten, können das entsprechende Dokument hier herunterladen, das Stand gestern an MIM-Kunden versendet wurde.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich