COVID-19 wirft Schatten auf die Geschlechtergerechtigkeit

Es gibt klare Anzeichen dafür, dass Frauen beruflich überproportional unter den Folgen der Pandemie leiden. Das Thema gehört aber auch jenseits der aktuellen Problemlage auf die Agenda in der Unternehmenswelt.

Sustainalytics Blog 03.03.2021
Facebook Twitter LinkedIn

Abbilde Globus in den Händen

Die Covid-19-Pandemie hat Gesellschaft und Wirtschaft in einem in der Moderne noch nie gekannten Ausmaß gestört. Trotz massiver staatlicher Ausgaben führte die Pandemie dazu, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2020 um 3,5 % schrumpfte.  Die finanzielle Last dieser Pandemie wurde jedoch nicht gleichmäßig getragen. 

Die Arbeitsplätze von Frauen sind anfälliger für die finanziellen Folgen von Covid-19 - 1,8-mal anfälliger, so eine Studie von McKinsey. 54 % der Arbeitsplatzverluste in den USA betrafen Frauen, obwohl sie nur 38 % der Erwerbsbevölkerung ausmachen. 

Die Arbeitsplatzverluste bei farbigen Frauen sind sogar noch höher. Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der US-Schulbezirke Ende 2020 immer noch geschlossen war, ist es keine Überraschung, dass jede vierte berufstätige Frau in Nordamerika darüber nachdenkt, ihre Karriere herunterzufahren oder wegen der Pandemie aus dem Berufsleben auszuscheiden. 

Da immer mehr Frauen aus dem Berufsleben ausscheiden, sei es aus freien Stücken oder aufgrund der Umstände, bedroht Covid-19 wichtige Fortschritte, die in den letzten Jahren bei der Geschlechtervielfalt erzielt wurden. 

Wie wirken sich die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Covid-19 auf das ESG-Risikoprofil von Unternehmen aus, und welche Unternehmen sind am besten positioniert, um diese Risiken zu managen und letztlich die Geschlechtergerechtigkeit in ihren Organisationen zu erhalten und zu verbessern? 

Geschlechtergerechtigkeit und Unternehmenswert sind in Gefahr 

Studien haben gezeigt, dass ein diverses Managementteam positiv mit dem Unternehmenswert korreliert. In ihrer aktualisierten Analyse für 2019 von 3.000 Unternehmen in 56 Ländern fand die Credit Suisse Belege für eine Qualitätsprämie sowohl für die Vielfalt in Vorständen als auch in Managementteams. 

Die Förderung von Vielfalt und Inklusion kann Unternehmen in vielerlei Hinsicht zugutekommen - durch die Gewinnung und Bindung wichtiger Talente, eine bessere Entscheidungsfindung, verbesserte Innovation sowie einen besseren Ruf und Goodwill bei Kunden und Lieferanten - was alles zu einer höheren Rentabilität beiträgt. 

In Anbetracht der Auswirkungen von Covid-19 auf die Erwerbsquote werden Unternehmen stärker um die oben beschriebenen Qualitätsprämien für Vielfalt kämpfen müssen. Immaterielle Werte, wie das Humankapital, machen den höchsten Anteil am Unternehmenswert aus, der je verzeichnet wurde. Das bedeutet, dass Unternehmen es sich nicht leisten können, Talente zu verlieren, sei es an einen Konkurrenten oder die Pandemie. 

Während sich Covid-19 weiter ausbreitet, können Unternehmen mit einer starken Erfolgsbilanz bei der Geschlechtervielfalt möglicherweise besser in der Lage sein, Risiken im Zusammenhang mit dem Humankapital zu widerstehen, wie z. B. die Sicherstellung einer starken Talentpipeline und das Management der Fluktuation, während sie gleichzeitig wichtige Diversitätsprämien nutzen können. 

Wo stehen die Unternehmen? Die Datenlage 

Wie in Abbildung 1 dargestellt, sind fast 25 % der von Sustainalytics bewerteten Unternehmen einem mittleren bis hohen, nicht gemanagten Risiko in Bezug auf das Humankapital ausgesetzt. Das Humankapital ist eines von 20 wesentlichen ESG-Themen (Material ESG Issues, MEIs), aus denen sich die ESG-Risiko-Ratings zusammensetzen. Wichtige Bestandteile dieser MEIs sind die Aspekte Vielfalt, Gerechtigkeit und Integration.

Abbildung 1: Human Capital Risk Scores

Materielle Finanzrisiken: Diversity gehört dazu

Trotz bedeutender Fortschritte in den letzten Jahren gibt es immer noch erhebliche Unterschiede bei der Performance von Unternehmen mit Blick auf die verschiedenen Diversitätsindikatoren, wie aus Abbildung 2 hervorgeht.

Fast 80 % der Unternehmen verfügen über ein robustes Programm zur Entwicklung des Humankapitals und mehr als 60 % der Unternehmen haben eine starke Antidiskriminierungspolitik. Allerdings verfügen weniger als 20 % der Unternehmen über starke Initiativen zur Sicherstellung der Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern, beispielsweise Lohnaudits und die Berichterstattung über Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern. Untersuchungen zeigen, dass die Offenlegung von Daten zur geschlechtsspezifischen Entlohnung dazu beiträgt, das Lohngefälle zu verringern, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Rentabilität eines Unternehmens hätte. 

Darüber hinaus scheint es eine Diskrepanz zwischen Absichten und Ergebnissen zu geben, wenn es um die Vielfalt in Vorständen geht. Obwohl 43% der Unternehmen eine Diversity-Policy für Vorstandsmitglieder haben, sind Frauen nur in 27% der Unternehmen mit mehr als einem Drittel in den Vorständen vertreten. Besorgniserregend ist, dass 13 % der Unternehmen keine weiblichen Vorstandsmitglieder und 16 % keine weiblichen Führungskräfte haben.

Zusätzlich zu den Vorteilen kann ein starkes Management den Unternehmen helfen, das Risiko von Kontroversen zu minimieren, die zu erheblichen Rechtskosten führen können. Das Abwärtsrisiko von Kontroversen um Gender oder Diversity sollte nicht übersehen werden, wenn man bedenkt, dass Sustainalytics zwischen 2013 und 2017 einen Anstieg der Vorfälle von Diskriminierung und Belästigung um 458 % beobachtet hat.

Abb. 2: Wie Unternehmen mit starkem Management abscheiden bei:

Wie schneiden Unternehmen ab bei Diversity-Problemen

Covid-19 hat breitere Fragen zu Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion aufgeworfen, einschließlich der Fortschritte bei der sozioökonomischen und ethnischen Vielfalt. Investoren und Unternehmen haben ihr Engagement für Rassengerechtigkeit und Geschlechterparität zum Ausdruck gebracht. Um diese Verpflichtungen zu erfüllen, ist mehr Transparenz in Bezug auf Diversitätskennzahlen erforderlich, ebenso wie Fortschritte bei den in Abbildung 2 dargestellten Indikatoren.

Die Pandemie stört weiterhin das Wirtschaftsleben und damit die Unternehmenswelt, sodass die Folgen weiter auf der Diversitätsebene spürbar sein werden. Wir erwarten, dass Investoren ESG-Daten nutzen werden, um zu erkennen, welche Unternehmen am besten positioniert sind, um die Vorteile der Diversität zu nutzen. Gleichzeitig muss der gesellschaftliche Dirskurs und auch die Diskussionen in den Unternehmen geführt werden, wie Diversitätsprobleme am besten auf breiterer Basis angegangen werden können.

 

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Sustainalytics Blog  Sustainalytics, eine Tochtergesellschaft von Morningstar, ist ein weltweit führender Anbieter von ESG- und Corporate Governance-Analysen und ESG Risk-Ratings