Indexfonds haben zu viel Stimmrecht

Die Kritik an Indexfonds hat sich als weitgehend substanzlos erwiesen - bis jetzt

John Rekenthaler 16.06.2021
Facebook Twitter LinkedIn

Vote

 

Historisch gesehen sind die Kritiker von Indexfonds gründlich falsch gelegen.

Die erste Salve gegen Indexfonds zielte auf deren Performance. Indexfonds würden nicht nur aufgrund ihrer Kosten hinter ihren eigenen Benchmarks zurückbleiben, sondern auch hinter den besten aktiven Managern, so die gängige Meinung. Das erste Argument erwies sich als unerheblich, da Indexfonds ihre Kostenquoten aggressiv senkten, während das zweite Argument nicht stichhaltig war. Dabei ging es nicht um die einfache Aufgabe, bestehende Gewinner zu identifizieren, sondern um das schwierige Unterfangen, die Überflieger der Zukunft ausfindig zu machen.

Es folgten Behauptungen, Indexfonds hätten die Effizienz des Aktienmarktes beeinträchtigt. Da Indexfonds ihre Erträge blind investieren, tragen sie nicht zu einer rationalen Preisbildung bei. Das stimmt zwar, ist aber irrelevant. Trotz des Erfolges der Indexfonds bleibt der größte Teil des 50 Billionen US-Dollar schweren Aktienmarktes der USA in den Händen von aktiven Anlegern. Es gibt mehr als genug engagierte, informierte Käufer, die in der Lage sind, Aktien effektiv zu bewerten.

Schließlich wird vor allem in jüngster Zeit behauptet, dass Indexfonds die Aktienbewertungen stören, indem sie einen gespaltenen Markt schaffen. Aktien, die in den beliebten Indizes enthalten sind, entwickeln sich gut, während die ausgeschlossenen Aktien vor sich hin dümpeln. Auch dieser Vorwurf trifft nicht zu. Bei den US-Aktien ist die größte Performance-Kluft der letzten Jahre zwischen Growth- und Value-Aktien entstanden. Diese Diskrepanz wurde nicht von Indexfonds verursacht, da 85 % von ihnen in beide Anlagestilen investieren.

Das eigentliche Problem

Es gibt jedoch eine berechtigte Sorge, was Indexfonds anbelangt: die Unmenge an Aktionärsstimmen, die sie angehäuft haben. Indexfondsanbieter drohen nun, das Gleichgewicht der Stimmrechte von Unternehmen zu stören.

Die „Großen Drei”, Vanguard, BlackRock und State Street, halten inzwischen 43% des US-Aktienvermögens der Fondsbranche. Jedes dieser Unternehmen bedient auch institutionelle Kunden über separate Konten und kollektive Kapitalanlagen - Vehikel, die ihr Aktienvermögen vergrößern, in den Fondsdatenbanken jedoch nicht erscheinen. Indexfondsmanager mögen eine leise Stimme haben, aber sind mit schweren Geschützen ausgestattet.

Exxon Mobil (XOM) musste diese Lektion auf die harte Tour lernen, als ein aktivistischer Hedge-Fonds eine überraschende Entscheidung herbeiführte. Der Hedgefonds, Engine No. 1, schien wenig Chancen zu haben, den Giganten Exxon Mobil zu beeinflussen, da er nur 0,02% der Aktien des Unternehmens besaß. Aber dank der Unterstützung institutioneller Aktionäre erhielt die Initiative von Engine No.1 genügend Stimmen, um drei „klimafreundliche” Mitglieder in den Vorstand von Exxon Mobil zu hieven.

Zu diesen institutionellen Investoren gehörten vor allem Vanguard, BlackRock und State Street. Die stärkste Unterstützung erhielt Engine No.1 von mehreren staatlichen Pensionsfonds, die zwar mehr Exxon-Mobil-Aktien hielten als Engine No.1, aber trotzdem Minderheitsaktionäre waren. Wenn das Unterfangen erfolgreich sein sollte, mussten der Rhetorik auch Taten folgen. Hier kamen die „Großen Drei”ins Spiel, die satte 21% der Exxon-Mobil-Aktien kontrollierten. Still und leise scharten sie sich hinter den Dissidenten.

Vom Wechselwähler zum Königsmacher?

Natürlich kann man mit einem Marktanteil von 21% nicht allein entscheiden. Vanguard, BlackRock und State Street halten nicht genug Aktien von Exxon Mobil oder anderen Unternehmen, um den Ausgang einer Wahl allein zu bestimmen. Doch wenn die drei Organisationen gemeinsam abstimmen, wie sie es bei dem Vorschlag von Exxon Mobil taten, können sie in knappen Fällen den Ausschlag geben. Jeder Vorschlag, der die Unterstützung eines Drittels der Wahlberechtigten findet, setzt sich durch, wenn seine Befürworter die „Großen Drei” überzeugen können, ihre Kräfte zu bündeln.

Der Einfluss von Vanguard, BlackRock und State Street nimmt weiter zu. Seit 25 Jahren gewinnen diese drei Investmentfonds Marktanteile, und nichts deutet auf ein baldiges Ende dieses Trends hin. I

Wenn alles so weitergeht wie bisher, werden die „Großen Drei” letztendlich 35% der Aktien des typischen Unternehmens halten. Dann wären sie tatsächlich Königsmacher. Wenn ein Vorschlag nicht so unpopulär ist, dass er nicht einmal die Zustimmung von 15% der restlichen Aktionäre findet, könnten die „Großen Drei” sicherstellen, dass die Initiative angenommen wird. Auf der anderen Seite könnten die drei Organisationen bei aufrechter Loyalität gegenüber der jeweiligen Unternehmensleitung alle aktivistischen Aktivitäten effektiv unterbinden.

Das heißt nicht, dass die drei Anbieter notwendigerweisweise gemeinsam handeln würden. Aber es geht eigentlich nicht um das „Was wäre wenn”. Was zählt, ist die Möglichkeit, dass ein solches Verhalten auftreten könnte. Es ist wenig wünschenswert, dass so viel Macht in so wenigen Händen konzentriert ist.

Ein ungelöstes Problem

Ich sehe keine offensichtliche Lösung für dieses Dilemma. Ein Ansatz - wie er von Caleb Griffin im Maryland Law Review und von Jeff Sommer in der New York Times formuliert wurde, besteht darin, Indexfonds so zu entkoppeln, dass die zugrunde liegenden Anleger und nicht die Manager der Indexfonds abstimmen. Solche Vorschläge sind grundsätzlich vernünftig, aber kaum praxistauglich, wenn man bedenkt, wie viele Kapitalmaßnahmen es gibt.

Wenn ich ein Indexfondsanbieter wäre, würde mich dieses Thema nachts wach halten. Dass die führenden Indexfondsgesellschaften in der Lage sind, unangemessene Macht auf die amerikanischen Unternehmen auszuüben, ist mehr als nur Wunschdenken neidischer Konkurrenten. Es ist eine Realität, der man sich an irgendeinem Punkt stellen muss.

 

 

 

 

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

John Rekenthaler  is vice president of research for Morningstar.