Den Namen Charlie Munger haben manche von uns womöglich noch nie gehört, während der Investment-Guru Warren Buffet allen ein Begriff ist. Munger agiert als rechte Hand von Buffett und gemeinsam erzielten sie beispiellose Erfolge und bauten eine Investment Firma auf, die ein Vermögen im Wert von mehr als 880 Mrd. US-Dollar verwaltet. Das Anlageprinzip, auf dem ihr beachtlicher Erfolg beruht, wird Value Investing genannt und stammt von Benjamin Graham. Doch warum sollten junge Anleger mit Mitte Zwanzig eine langfristig orientierte Value-Investing-Strategie verfolgen?
Als ich mir diese Frage als 22-jähriger International Business Absolvent und Morningstar Praktikant stellte, dachte ich zuerst an unglaubliche Erfolgsgeschichten wie GameStop oder Tesla und meine Bereitschaft, Risiken einzugehen, da mein Ruhestand noch 45 Jahre entfernt ist. Auf dem Höhepunkt der GameStop Furore im Januar dieses Jahres verzeichnete der Aktienkurs einen Anstieg um 2.500 %. So ein Zugewinn ist natürlich für jeden Anleger attraktiv.
Gleichzeitig begann ich aber auch, über die einzigartigen Vorteile einer nachhaltigen, langfristigen Anlagestrategie nachzudenken, die sich anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen lassen: Wenn ich heute 5.000 US-Dollar mit einer jährlichen Rendite von 9,18 % (annualisierten Rendite des MSCI World Index der vergangenen 50 Jahren) anlegen würde, hätte ich beim Eintritt in den Ruhestand in 45 Jahren mehr als 260.000 US-Dollar. Dies entspricht mehr als dem 52-fachen meiner ursprünglichen Investition. Kein Wunder, dass Albert Einstein einst sagte: „Der Zinseszinseffekt ist das achte Weltwunder. Wer ihn versteht, verdient daran, wer ihn nicht versteht, bezahlt ihn.”
Mit dieser Erkenntnis im Blick las ich das Buch „Charlie Munger: the complete investor”. Darin wird erklärt, dass sich ein wertorientierter Anleger auf den langfristigen intrinsischen Wert einer Aktie konzentriert und nicht darauf, wie andere die Aktie in Zukunft möglicherweise einschätzen werden, wie es beispielsweise bei den derzeit im Trend liegenden Meme-Aktien der Fall ist. Die Methodologie der Graham-Value-Investing-Strategie ist simpel, aber nicht einfach und beruht auf den folgenden vier Prinzipien:
1. Behandeln Sie den Kauf von Aktien wie den Kauf eines Unternehmens:
Beurteilen Sie jede Bewertung, als ob Sie das Unternehmen im Rahmen einer privaten Transaktion kaufen würden. Ein Graham-Value-Investor versucht, den Wert einer Anlage zu bestimmen. Wenn das Geschäftsmodell eines Unternehmens für Sie nicht nachvollziehbar ist, können Sie auch den Wert der Aktie nicht verstehen. Dann macht es Sinn, von einer Investition abzusehen.
2. Verschaffen Sie sich eine Sicherheitsmarge, indem Sie Aktien mit einem Abschlag kaufen:
Um Ihre Anlage vor menschlichen Fehlern, Pech oder extremer Volatilität zu schützen, sollten Sie eine Aktie nur dann kaufen, wenn ihr Marktpreis unter ihrem intrinsischen Wert (Barwert der zukünftigen Zahlungsströme) liegt. Die Differenz zwischen Marktpreis und intrinsischem Wert entspricht der Sicherheitsmarge. Wenn Sie eine Aktie mit einem Abschlag kaufen, erhöhen Sie Ihre Erfolgschancen.
3. Machen Sie sich „Mr. Market” zunutze, aber lassen Sie sich nicht von ihm leiten:
Mr. Market ist eine Metapher für den Kapitalmarkt mit seinem kurzfristigen, volatilen Charakter. In der depressiven Phase wird er manchmal Wertpapiere zu einem Schnäppchenpreis verkaufen, und in der euphorischen Phase wird er den Wert mancher Aktien überbewerten. Wenn aber der zugrundeliegende Wert eines Unternehmens gleich bleibt, können die kurzfristigen Ansichten von Mr.
Market toleriert werden, da sie langfristig korrigiert werden.
4. Seien Sie rational, objektiv und unvoreingenommen:
Man kann leicht unterschätzen, wie wichtig Rationalität für einen wertorientierten Investor ist. Sie schützt jedoch am besten vor emotionalen Fehlern und leistet daher einen erheblichen Beitrag zum Erfolg eines Anlegers.
Einem Value-Investor bieten sich nur selten passende Anlagechancen und er muss geduldig auf diese warten. Doch wenn sich eine Chance eröffnet, muss er bereit sein, aggressiv zu investieren. Das Ziel des Graham-Value-Investing-Systems besteht darin, das Wertverlustrisiko einer Anlage zu reduzieren. Daher tendiert es dazu, den Markt in einer Baisse am meisten zu übertreffen, während es in einer Hausse das Marktpotential nicht in Gänze ausgeschöpfen könnte.
Einfacher gesagt als getan
Man muss bedenken, dass eine Value-Investing-Strategie viel Zeit und Arbeit erfordert, und nicht jeder ist in der Lage oder gewillt, auf diese Weise zu investieren. Diese Anleger sollten sich an einen Vorschlag von Seth Klarman halten: „Wenn du den Markt nicht schlagen kannst, sei der Markt.” Dies ist eine legitime Entscheidung und bedeutet, Investitionen in ETFs und Indexfonds vorzunehmen, die einfach eine Nachbildung der Performance bestimmter Märkte anstreben.
Kurz gesagt: Das Graham-Value-Investing ist eine sinnvolle Anlagestrategie, die von der Kraft des Zinseszinseffekts profitiert und langfristige Gewinne ermöglicht. Angesichts des vergleichsweise geringen Risikos und des Potenzials, den Markt zu übertreffen, sollte jeder Anleger diese Methodologie in Betracht ziehen, nicht zuletzt die Generation Z und Millennials - auch wenn derzeit alle über Meme-Aktien sprechen.