Wie funktioniert wertorientiertes Anlegen?

Was unterscheidet den wertorientierten vom wachstumsorientierten Anlagestil und wie kann er Ihrem Portfolio zugutekommen?

Sunniva Kolostyak 08.09.2021
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Shopping trolley with pound sign

Unter Anlegern wird immer viel diskutiert, ob ein wert- oder wachstumsorientierter Ansatz besser ist. Doch was sind diese Ansätze genau, wie unterscheiden sie sich voneinander und was ist die richtige Strategie für Sie?

Beginnen wir mit den Grundlagen: Was ist wertorientiertes Anlegen? Einfach gesagt bedeutet es, eventuell übergangene und unbeliebte Aktien, die unter ihrem intrinsischen Wert gehandelt werden, mit der Erwartung zu kaufen, dass die Märkte dies erkennen und ihr Kurs steigen wird. Viele glauben, dass diese Strategie weniger volatil ist als die wachstumsorientierte Strategie und sie langfristig übertrifft.

Die Idee des wertorientierten Investierens wurde von Benjamin Graham und David Dodd geprägt, die in den 1920er Jahren an der Columbia University lehrten. Grahams Strategie war darauf ausgerichtet, Aktien zu finden, deren Preis höchstens 66 % der zugrunde liegenden Vermögenswerte des Unternehmens entsprach.

Warren Buffett, einer der erfolgreichsten Anleger aller Zeiten, folgt diesem Prinzip. Er hält sich unter anderem an die Devise, dass man eine Sicherheitsmarge benötigt, geduldig bleiben muss und sich nicht von kurzfristigen Trends beeinflussen lassen darf.

„Ich muss nicht mit jeder Anlagemöglichkeit Geld machen”, sagte Buffett einmal in einem Interview. „Im Wertpapiergeschäft werden einem jeden Tag buchstäblich Tausende von wichtigen amerikanischen Unternehmen zu einem Preis angeboten, der sich täglich ändert. Man muss keine Entscheidung treffen ... Man kann einfach warten und sich Tausende von Angeboten ansehen, bis man irgendwann auf etwas stößt, das einem gefällt und das man versteht, und dann schlägt man zu.”

Wert- und wachstumsorientierte Strategien im Vergleich

Inwiefern unterscheiden sich wertorientierte Strategien von wachstumsorientierten Ansätzen? Während es bei Value darum geht, verborgene Perlen zu finden, fühlen sich Wachstumsinvestoren eher zu Unternehmen hingezogen, von denen ein schnelleres Wachstum erwartet wird und bei denen die Nachfrage oft den Preis in die Höhe treibt. Wenn wir den Kauf von Kleidung als Analogie heranziehen, dann wäre wertorientiertes Anlegen wie der Kauf von reduzierten Kleidungsstücken, die unseres Erachtens noch jahrelang getragen werden können, während wachstumsorientiertes Anlegen dem Kauf von trendigen Artikeln entspricht, die gegen Gewinn weiterverkauft werden können. Typische Merkmale von Wachstumsaktien sind unter anderem eine hohe Wachstumsrate, niedrige oder überhaupt keine Dividenden und höhere Risiken. Gute Beispiele sind Netflix (NFLX), Alibaba (BABA) und Tesla (TSLA).

Im Allgemeinen sind niedrige Zinsen für Wachstumstitel günstiger und 2020 war auf jeden Fall ein gutes Jahr für Investments dieser Art. In der Vergangenheit haben Value-Aktien jedoch auf lange Sicht höhere Renditen erzielt, da das Unternehmen mehr Spielraum für Wachstum hat.

Funktioniert wertorientiertes Anlegen wirklich? 

Das klingt alles sehr einfach, aber es kann schwierig sein, Aktien zu finden, die zur wertorientierten Theorie passen. Und auch wenn das wertorientierte Prinzip langfristig funktioniert, war die Strategie während der 1990er und 2010er mit Herausforderungen konfrontiert und erwies sich an manchen Bärenmärkten als weniger zuverlässig. Kritiker weisen außerdem darauf hin, dass Studien zu wachstums- und wertorientierten Strategien die Kosten für den Kauf und Verkauf von Aktien nicht berücksichtigen, obwohl diese die Renditen schmälern.

Eines ist jedoch klar: In den letzten Monaten haben Substanzaktien eine bemerkenswerte Erholung verzeichnet. Wie bereits erwähnt, erzielten Wachstumsbranchen wie der Technologiesektor und disruptive Unternehmen während der Pandemie ein fantastisches Wachstum, während sich Fluglinien, Ölkonzerne, Banken, Energieunternehmen und zyklische Segmente des Marktes schwer taten. Wenn Sie allerdings vor (oder während) der Pandemie in diese Unternehmen investiert haben und geduldig geblieben sind, dürften sich Ihre Anlagen derzeit gut entwickeln.

Am optimistischeren Markt 2021 haben Substanzaktien bisher überdurchschnittlich abgeschnitten. Die aktuellen Sorgen über die Delta-Variante trüben die Erholungsprognosen, aber die Fondsmanager glauben, , dass sich die Wertrallye fortsetzen kann.

Vincent Ropers, Manager des Wise Multi-Asset Growth Fund sagte uns: „Wir müssen unbedingt bedenken, dass wir sehr lange auf diese Rally der Substanzaktien gewartet haben – eigentlich seit der weltweiten Finanzkrise. Deshalb gibt es trotz der bisherigen Rally, die im vierten Quartal des letzten Jahres begann, noch viel Spielraum für wertorientierte Ansätze, gegenüber den wachstumsorientierten Strategien aufzuholen. Wir glauben, dass noch ein starker Anstieg kommen wird.”

Vorsicht vor Fallen für wertorientierte Anleger

Es ist wichtig, zu beachten, dass nicht jede günstige Aktie ein guter Substanzwert ist und Anleger Aktien nicht nur deshalb kaufen sollten, weil sie sie für ein Schnäppchen halten. Ein niedriger Preis kann verlockend sein – aber auch eine Falle. Deshalb ist es wichtig, auf Alarmsignale, wie z. B. Disruption im jeweiligen Unternehmen oder Sektor, zu achten.

Eine nützliche Orientierungshilfe ist Morningstars Sterne-Rating für Aktien, für das der Fair Value einer Aktie auf Grundlage der Merkmale des zugrunde liegenden Unternehmens, einschließlich künftiger Cashflows und Risiken einer Aktien, abgeschätzt wird. Ein 4- oder 5-Sterne-Rating deutet darauf hin, dass der aktuelle Preis einer Aktie unter dem Fair Value liegt und die Aktie eine Sicherheitsmarge bietet. Ein 1- oder 2-Sterne-Rating lässt hingegen darauf schließen, dass der Kauf einer Aktie zum aktuellen Preis kein gutes Geschäft ist. Vor Kurzem haben wir einen Blick auf die am stärksten unterbewerteten Aktien der Welt geworfen und dabei berücksichtigt, wie weit Aktien unter ihrem geschätzten Fair Value gehandelt werden.  

Die Verfolgung einer wertorientierten Strategie ist nicht immer einfach. Ein Anleger muss dazu gegen den Strom schwimmen und in unbeliebte und in Ungnade gefallene Teile des Markts investieren. Graham, Dodd, Buffett und andere würden allerdings argumentieren, dass die Gewinne es langfristig wert sind. 

 

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Über den Autor

Sunniva Kolostyak  is a data journalist at Morningst