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Am Rentenmarkt könnte es dieses Mal wirklich anders laufen

Werden die Skeptiker endlich rehabilitiert?

John Rekenthaler 23.12.2021
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Trader Timothy Nick during the 2015 Bond sell-off

Vor zehn Jahren sorgte sich die Finanzpresse um den Preis von US-Staatsanleihen. "Zeit für einen Crash am Anleihemarkt?", fragte Business Insider. Marketwatch gab Tipps, "was zu tun ist, bevor die Anleiheblase platzt". Und im Wall Street Journal erklärte Jeremy Siegel von der Wharton University "die Anleiheblase und die Gründe für Aktien".

Das Vertrauen des Professors in Aktien war gut begründet. Seit Siegel diese Worte niederschrieb, stieg der Morningstar U.S. Market Index um 350%. Seine Befürchtungen im Hinblick auf Anleihen – ebenso wie die Anderer – waren jedoch unangebracht. Über alle Laufzeiten hinweg sind die Renditen von US-Staatsanleihen heute niedriger als 2011. Darüber hinaus liegen die Gesamtrenditen für mittel- und langfristige Staatsanleihen oberhalb der Inflationsrate.

Bärenmärkte zu prognostizieren ist wie mit dem Rauchen aufzuhören – es ist so einfach, dass man es immer wieder tun kann. In den letzten 30 Jahren haben die Börsenskeptiker nur einen einzigen Abschwung richtig vorhergesagt: den von 2000-02. In allen anderen Fällen haben sich die Untergangspropheten immer geirrt. Als sich etwa am 4. Dezember 1996 der Vorsitzende der Federal Reserve, Alan Greenspan, fragte, ob die Aktienkurse einen "irrationalen Überschwang" zeigten, notierte der S&P 500 bei 745. Er schloss das darauffolgende Jahr bei 875 und beendete kein weiteres Jahr unter 950.

(Aktien stürzten vielmehr bei zwei anderen Gelegenheiten ab: während der weltweiten Finanzkrise 2008 und dann im letzten Frühjahr wieder. Aber keiner dieser Rückgänge wurde vorhergesagt. Anfang 2008 vertrat der angesehenste Börsenstratege dieser Zeit, Abby Joseph Cohen von Goldman Sachs, die Meinung, dass US-Aktien "das Jahr im Plus beenden würden". Siegel war sogar noch optimistischer. Wie im Film „The Big Short" gab es nur wenige und zumeist obskure Abweichler. Und natürlich kam der Einbruch des letzten Jahres – wegen des neuartigen Coronavirus – fast völlig überraschend).

Nichts als Erfolg

Wenigstens hatten die Aktienmarkt-Zweifler einmal recht. Die Rentenmarkt-Kritiker hatten seit der Amtszeit Ronald Reagans nicht mehr recht; tatsächlich sind die Renditen der Staatsanleihen nur gesunken. Die ganze Zeit über haben Pessimisten mit schöner Regelmäßigkeit die Vernunft des Anleihemarktes in Frage gestellt, darunter Alan Greenspan, der im April 2017 seinen Vorwurf des "irrationalen Überschwangs" wiederholte, diesmal in Bezug auf Anleihen. Wieder falsch.

Diesmal könnte es anders sein. Wie die vorangehenden Absätze zeigen, sind das gefährliche Worte. Allerdings ist es wert, festgehalten zu werden, dass sich die Bedingungen für Anleiheinvestoren stetig verschlechtert haben, seit Rentenpapiere 2011 lautstark als überteuert bezeichnet wurden. Nach allen Maßstäben sind Anleihen heute teurer als vor 10 Jahren.

Mehr Geld

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Zusammenhang von Geldmenge und Inflation stark abgeschwächt. Als Binsenweisheit galt früher Milton Friedmans Aussage "Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen, das…nur durch einen schnelleren Anstieg der Geldmenge als des Outputs hervorgerufen werden kann". Heute fragen sich Wirtschaftswissenschaftler, warum die Geldschöpfung in den Industrieländern die Produktion übersteigt, ohne die Inflation anzuheizen.

Auch wenn die traditionellen Maßstäbe für die Geldmenge viel von ihrer Vorhersagekraft eingebüßt haben, besteht kein Zweifel daran, dass Friedmans Grundsatz nach wie vor gültig ist. Schließlich muss mehr Geld zu höheren Preisen führen. Die entscheidende Frage ist nicht, ob Geldschöpfung zu höheren die Preise führt, sondern wann.

Diese Antwort wird kommen, wenn sie kommt; Ökonomen können nur rätseln. Jedoch besteht kein Zweifel, dass der Tag, an dem die Geldmenge eine erhebliche Inflation anfacht, heute näher ist als 2011. In der Zwischenzeit verläuft die Geldschöpfung immer schneller. In den zehn Jahren von November 2001 bis Oktober 2011 stieg die Geldmenge M2 um 78%. In den zehn Jahren danach wuchs M2 um 120%.

Höhere Inflation

Wie allgemein bekannt, stieg die Inflation in den USA in letzter Zeit stark an. Politische Entscheidungsträger glauben, dass der Anstieg vorübergehend ist und durch Ungleichgewichte bei der Überwindung der Rezession verursacht wird. In einer kürzlich gehaltenen Rede fasste der stellvertretende Vorsitzende der Federal Reserve, Richard Clarida, diese Ansicht zusammen und erklärte, dass die Kerninflation in den USA "in diesem Jahr mindestens 3,7% betragen wird, bevor sie 2022 auf 2,3%, 2023 auf 2,2% und 2024 auf 2,1% zurückgeht". Folglich hält die Zentralbank den Leitzins bei nahezu Null.

Das Argument der Federal Reserve mag richtig sein. (Diejenigen, die langlaufende Anleihen halten, müssen das inständig hoffen, denn sollte die Inflation nicht bald nachlassen, werden die Preise für Staatsanleihen abstürzen). Dennoch sind die aktuellen Inflationsdaten deutlich schlechter als die von vor 10 Jahren. Im November 2011 lag der annualisierte Zuwachs des Verbraucherpreisindexes über drei Jahre bei 1,5%. Heute liegt dieser Wert mit 3,0% doppelt so hoch.

Niedrigere Renditen

Ein höheres Geldmengenwachstum und eine stärkere Inflation sollten eigentlich zu höheren Renditen bei Staatsanleihen führen. Dem ist nicht so. Vor zehn Jahren lag die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen bei 3% und die 10-jähriger Anleihen bei 2%. Heute betragen die vergleichbaren Sätze 1,87% und 1,53%. Die Möglichkeit einer starken Inflation scheint heute größer zu sein als Ende 2011, doch die Renditen von Staatsanleihen sind deutlich geringer, ebenso die Sicherheitsspanne für Anleiheinvestoren. Selbst als die Inflation in jüngster Zeit in die Höhe schoss, zogen die Staatsanleihen an. Die 30-jährige Staatsanleihe rentierte Anfang November mit 1,93%.

Der vorsichtige Kurs

Dass die Wall Street anderer Meinung ist als die Main Street, ist weder neu noch ein Grund zur Besorgnis für Anleger. Nur weil die meisten Amerikaner die Inflation jetzt als großes Problem betrachten, während die Preise für Staatsanleihen etwas anderes vermuten lassen, bedeutet das nicht, dass sich Anleiheinvestoren geirrt haben. Genauso wie Prognostiker häufig Übel vorausgesehen haben, die nie eingetreten sind, tut dies auch die Öffentlichkeit. Während beispielsweise die Aktienkurse in den letzten 18 Monaten in die Höhe schossen, blieb das Vertrauen der Verbraucher hinter seinem 25-Jahres-Durchschnitt zurück.

Dennoch scheinen die Gefahren von langlaufenden Anleihen ihre Vorteile zu überwiegen. Im Gegenzug für eine 1,5 Prozentpunkte höhere jährliche Rendite als bei Bargeld und für die Möglichkeit einer guten Performance im Falle einer weiteren Rezession nehmen die Käufer von Staatsanleihen das immer größer werdende Risiko in Kauf, dass die Skeptiker letztendlich Recht behalten, was zu zweistelligen Kapitalverlusten führt. Das scheint mir keine gute Wette zu sein. Besser ist es, kurzlaufende Rentenpapiere und/oder Bargeld zu halten.

John Rekenthaler (john.rekenthaler@morningstar.com) betreibt seit 1988 Research in der Fondsindustrie. Heute ist er Kolumnist für Morningstar.com und Mitglied der Investment Research-Abteilung des Unternehmens. Rekenthaler weist darauf hin, dass Morningstar in der Regel zwar mit den Ansichten des Rekenthaler-Reports übereinstimmt, seine Ansichten aber seine eigenen sind.

STICHWÖRTER
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Über den Autor

John Rekenthaler  is vice president of research for Morningstar.