Einkommensorientierte europäische Investoren haben sich gerade erst von der Corona-Pandemie erholt und sehen sich jetzt mit der Aussicht auf eine steigende Inflation konfrontiert.
Bei einer Inflationsrate von fast 6% in der Eurozone und im Vereinigten Königreich bleiben die Dividendenrenditen vieler Aktien hinter den Preissteigerungen zurück. Zusätzliche Sorgen bereiten Probleme in der Lieferkette. Die in diesem Jahr anstehenden Zinserhöhungen werden die Einkommen drücken, die Schuldenkosten erhöhen und den Anlageschwerpunkt von Wachstumswerten weg verlagern.
Morningstar-Analysten haben unter den mehr als 300 von ihnen beobachteten Unternehmen jene herausgesucht, die am besten in der Lage sind, in diesem schwierigen Umfeld zurechtzukommen. 28 Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen schafften es in die engere Auswahl.
Gemeinsam ist vielen von ihnen ihre Preissetzungsmacht, die oft von einem strategischen Wettbewerbsvorteil oder economic moat herrührt. Hinzu kommen eine niedrige Verschuldung und ein starker Cashflow.
Versorger, Banken und Energieunternehmen waren schon vor der Pandemie wichtige Dividendenwerte und sie sind in dieser Liste immer noch stark vertreten. Der Finanzsektor etwa ist nach wie vor ein beliebtes Jagdrevier für Dividendenjäger. Und konsumorientierte Unternehmen wie Hugo Boss (BOSS), BMW (BMW) und H&M (HMB) stehen in einer Linie mit Unternehmen wie Tesco (TSCO) und den breit aufgestellten Pharmariesen Novartis (NOVN) und Sanofi (SAN).
Michael Field, Senior Equity Analyst bei Morningstar, weist darauf hin, dass europäische Investoren, die nachhaltig hohe Renditen suchen, eine größere Auswahl haben als in den letzten Jahren.
"Angesichts der Aktienmarkt-Rallye 2021, die die Kurse nach oben und die Dividendenrenditen nach unten trieb, und des Niedrigzinsumfelds, in dem über alle Sektoren hinweg Anlageerträge relativ schwer zu bekommen sind, sollten einkommensorientierte Anleger von der Vielfalt der Titel auf dieser Liste ermutigt sein", sagt er.
"Es ist immer noch möglich, ein solides Einkommen von 4% durchschnittlicher Dividendenrendite mit den Titeln auf unsere Liste zu erzielen, ohne sich zu sehr auf bestimmte Sektoren zu fokussieren, so dass der Vorteil der Diversifizierung behalten bleibt."
Klare Anforderungen
Nach folgenden Kriterien hat das Analystenteam die Liste erstellt:
- Die Unternehmen müssen einen niedrigen, überschaubaren Verschuldungsgrad aufweisen, d. h. eine geringe Verschuldung im Verhältnis zum Gewinn. Das zeigt die Spalte in der Spalte "Net Debt/EBITDA".
- Außerdem müssen sie über einen ausreichenden Cashflow verfügen, um ihre Dividende zu finanzieren. Das bringt die fünfjährige freie Cashflow-Rendite zum Ausdruck, die mindestens 3% betragen muss.
- Idealerweise müssen die Unternehmen über irgendeine Form von Wettbewerbsvorteil verfügen - 18 unserer Aktien haben einen engen oder breiten economic moat.
Europäische Aktien könnten in dem aktuellen Umfeld gut aufgestellt sein, meint Field.
Die Europäische Zentralbank wird die Zinssätze vermutlich nicht so aggressiv anheben wie die Federal Reserve, was den Unternehmen auf dem Kontinent einen gewissen Spielraum verschafft. Zinserhöhungen werden wahrscheinlich Titel mit kurzer Duration begünstigen, die sich auf die Erwirtschaftung von Barmitteln im Hier und Jetzt konzentrieren. In diesem schwierigen Umfeld werden verschuldete Unternehmen wahrscheinlich weiter zu kämpfen haben. Unternehmen mit hoher Verschuldung kommen daher nicht auf die Liste.
Trotz der Risiken eines Zinsanstiegs ist der Abstand zwischen den Renditen von Staatsanleihen und Unternehmensdividenden immer noch groß. Das macht das Leben eines einkommensorientierten Anlegers leichter, denn Anleiherenditen sind trotz des jüngsten Anstiegs immer noch nicht verlockend. "Aus der Einkommensperspektive ist in Europa das Argument für Aktien im Vergleich zu Anleihen noch sinnvoller als in den USA", sagt Field.
Vorsicht vor Dividendenkürzungen
Einkommensinvestoren, die unter der Welle von Dividendenkürzungen im Jahr 2020 gelitten haben, werden zweifellos in Alarmbereitschaft bei Aktien bleiben, die Schwierigkeiten haben, ihre Auszahlungspläne einzuhalten. "Eine Dividende zu zahlen ist eine Sache, aber in der Lage zu sein, eine Dividende zu zahlen, ist etwas ganz anderes", sagt Field.
"Wir schauen uns speziell die Cashflow-Prognosen und weniger die Gewinne jeder unserer Aktien an, um sicherzustellen, dass es keine Diskrepanz zwischen dem gibt, was die Anleger in Form von Dividenden erwarten, und dem, was die Unternehmen realistischerweise mit den Mitteln zahlen können, die sie wahrscheinlich erwirtschaften werden."
In der Welt des Investierens ist nichts garantiert, aber Field sagt, dass das neueste Aktienscreening die Chancen in Richtung derjenigen Unternehmen verschiebt, die wahrscheinlich weiter zahlen werden. „Indem wir Unternehmen identifizieren, die in der Lage sind, künftige Dividenden aus dem Cashflow zu decken, geben wir uns selbst die besten Chancen auf nachhaltige Einkommenserträge.“