Europas Währungen schwächelten im September gegenüber der US-Währung. Den Trend gibt vor allem die Stärke des Dollars vor (getrieben durch die restriktive Geldpolitik der US-Notenbank), wobei die Gemengelage in Europa das ihre tut, um die heimischen Währungen zu schwächen. Werfen wir einen Blick auf Euro, Pfund und Schweizer Franken.
Der Euro markierte am 28. September ein 20-Jahrestief gegenüber dem Greenback. Die Gemeinschaftswährung ist angesichts des toxischen Cocktails aus russischer Teilmobilmachung, Sorgen um die Energieversorgung, dem Wahlausgang in Italien und der drohenden Rezession fundamental unter Druck.
Zuletzt konnte sich der Euro aber stabilisieren. Grund dafür ist vor allem die Hoffnung, dass die Federal Reserve in Sachen Zinserhöhungen einen Schritt zurückschraubt. Wenn man der Rhetorik verschiedener US-Notenbänker zuhört, könnte das aber etwas verfrüht sein.
Das britische Pfund schwächelte ebenfalls. Der Einbruch des Sterling erfolgte nach der umstrittenen Ankündigung der neuen britischen Regierung, zur Ankurbelung des Wachstums Steuersenkungen durchführen und Investitionsanreize setzen zu wollen (das so genannte „Mini Budget“). Diese Maßnahmen würden vor allem den Wohlhabenden zugutekommen, so die Kritiker (die auch aus der eigenen Regierung kamen). Das Vereinigte Königreich müsste in einer Zeit steigender Zinsen hohe Schulden machen – was Investoren offensichtlich nicht goutierten.
In der Folge gerieten Pensionskassen unter Druck, erläutert James Gard, US-Redakteur bei Morningstar: Die steigenden Anleiherenditen zwangen die Pensionsfonds, britische Staatsanleihen zu verkaufen, um den Liquiditätsbedarf zu decken, wodurch ein Teufelskreis entsteht, der die Renditen immer weiter in die Höhe treibt (durch den Verkauf von Anleihen sinkt ihr Preis und die Renditen steigen).
„Pensionsfonds setzen manchmal Finanzinstrumente ein, die als Derivate bezeichnet werden. Dies ist jedoch mit einem gewissen Grad an Hebelwirkung oder Kreditaufnahme verbunden, so dass die Fonds tägliche Nachschussforderungen (Margin Calls) erfüllen müssen“, fasst Gard zusammen (lesen Sie hier mehr dazu). Die Folge: Die Bank of England griff in den Anleihemarkt ein und kaufte britische Staatsanleihen. Inzwischen ist die Regierung zurückgerudert.
Auch der Schweizer Franken ist gegenüber der US-Währung abgesackt, wertete gegenüber dem Euro aber deutlich auf. Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat die Zeit der negativen Zinsen beendet und den Leitzins in einem zweiten Schritt seit Juni um stolze 75 Basispunkte angehoben auf nun 0,5%. Das gibt dem Schweizer Franken weiter Auftrieb, auch wenn die EZB seit einigen Wochen ebenfalls dabei ist, ihre Zinsen nach oben zu schrauben.
Europäische Leitzinsen
Die europäischen Zentralbanken reagieren auf die explodierenden Preise – ebenso wie die US-Notenbank – mit drastischen Zinsschritten. Federal Reserve (Fed), Schweizer Nationalbank, Norwegische Zentralbank und EZB entschieden sich, die Leitzinsen um 75 Basispunkte (BP) zu erhöhen. Die Bank of England entschied sich für 50 BP. Die Banken haben dabei die schwierige Aufgabe, die Inflation zu bekämpfen in einer Situation, in der sich die Wirtschaft ohnehin schon abkühlt.
"Eine Rezession in den Industrieländern dürfte wahrscheinlich sein und die Inflation hoch bleiben. Die Zentralbanken sind in einer schwierigen Lage, da sie die Inflation in einer Situation bekämpfen müssen, in der das Wachstum bereits gefährdet ist“, kommentiert Tiffany Wilding, Ökonomin für Nordamerika bei PIMCO.
Rezession in Deutschland
Die Deutsche Bank schätzt: „Die Produktion im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland dürfte 2022 um 2,5% und im Jahr 2023 um rund 5% schrumpfen. Die größten Rückgänge sind in den energieintensiven Industrien zu erwarten. Wenn wir in etwa zehn Jahren auf die aktuelle Energiekrise zurückblicken, könnten wir diese Zeit als Ausgangspunkt für eine beschleunigte Deindustrialisierung in Deutschland betrachten. Wir sind pessimistischer für den Industriestandort Deutschland als für die großen deutschen Industrieunternehmen, die ihre Aktivitäten besser internationalisieren und Produktionsstandorte nach ihren individuellen Kosten- und Kundenstrukturen wählen können. Für den deutschen Mittelstand, insbesondere in den energieintensiven Branchen, wird die Anpassung an eine neue Energiewelt eine größere Herausforderung, an der manche Unternehmen scheitern werden.“
Auch die führenden Wirtschaftsinstitute legten für Deutschland eine düstere Prognose vor und rechnen fest mit einer Rezession. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im zu Ende gehenden Sommerquartal, im Herbst und Anfang 2023 jeweils schrumpfen, so die Ökonomen in ihrem Herbstgutachten mit dem Titel "Energiekrise: Inflation, Rezession, Wohlstandsverlust". Damit halbieren sie annähernd ihre Prognose gegenüber dem Frühjahrsgutachten. Insgesamt gehen sie für 2022 trotz des Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte von einem Wachstum des BIP von 1,4% aus, gefolgt von -0,4% im Jahr 2023 und +1.9% im Jahr 2024. Sollte es auf Grund fehlender Einsparungen an Gas mangeln und der Winter kalt werden, droht 2023 sogar ein Konjunktureinbruch von 7,9 Prozent und 2024 von 4,2%.
“Die krisenhafte Zuspitzung auf den Gasmärkten belastet die deutsche Wirtschaft schwer. Die stark gestiegenen Gaspreise erhöhen die Energiekosten drastisch und gehen mit einem massiven gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftentzug einher”, heißt es.
Beruhigung am Gasmarkt wohl frühestens Ende 2023
Die Gaspreise dürften erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 oder Anfang 2024 zurückgehen – so preisen es die Märkte zumindest ein, wie ein Blick auf die aktuelle Terminmarktkurve zeigt.
Gaspreise zuletzt rückläufig
Die Gaspreise sind von ihren Hochs Ende August aber bereits jetzt wieder weit entfernt. Die Panik ließ nach. Hintergrund sind höhere Einfuhren, etwa von Pipelinegas aus Norwegen und verflüssigtem Erdgas (LNG) aus außereuropäischen Ländern sowie die hohen Füllstände der europäischen Speicher. Zudem hat Gazprom offenbar die Lieferungen an Italien wieder aufgenommen.
Doch Grund zum Durchatmen sind die guten Füllstände nicht, wie Valerio Baselli von Morningstar erläutert. "Die Speicherung ist für Versorgungsspitzen gedacht, nicht für den täglichen Gebrauch", ergänzt Massimo Nicolazzi, Professor für die Energiewirtschaft an der Universität Turin. "Unsere maximale Speicherkapazität deckt weniger als die Hälfte unseres Winterverbrauchs. Zudem hängt die effektive Nutzung der Reserven vom Druck in den Leitungen ab. Mit zunehmender Entleerung liefert der Speicher immer weniger Gas, weil der Druck sinkt. Aus diesem Grund ist es zu bestimmten Zeiten im Jahr - typischerweise im März - schwieriger, daraus zu schöpfen".
Märkte tiefrot
Die Märkte diesseits und jenseits des Atlantiks notieren auf Jahressicht immer noch tiefrot. „In Europa kam es in letzter Zeit aufgrund der Maßnahmen der britischen Politiker und der Nachrichtenlage rund um die Credit Suisse zu einer erheblichen Marktvolatilität“, so James Rutherford, Head of European Equities, Federated Hermes Limited. Doch mit der Kehrtwende der britischen Politik habe sich die Stimmung unter den britischen Anlegern stabilisiert, wenngleich die makroökonomische und politische Situation im Vereinigten Königreich unsicher bleibe. Preisänderungen der Credit Default Swaps (CDS) wurden indes oft fehlinterpretiert, fährt Rutherford mit Blick auf die Credit Suisse fort.
„Wir sind nach wie vor zuversichtlich und glauben, dass die europäischen Großbanken wesentlich besser kapitalisiert sind als in den vorangegangenen Krisen. Wir sind uns jedoch bewusst, dass ein gewisses Reflexionsrisiko besteht, bei dem allein die Wahrnehmung einer schwachen finanziellen Basis dazu führen kann, dass die Liquidität versiegt. Dennoch ist allein die Tatsache, dass einige Anleger und die Medien ernsthaft die Aussicht auf den Zusammenbruch einer großen europäischen Bank diskutieren, ein Zeichen dafür, wo wir uns im Zyklus von Angst und Schrecken befinden. Wir sehen in europäischen Aktien einen überzeugenden Wert.“