Anleger sind zurück in US-Staatsanleihen. Warum?

Anleger suchen nach attraktiven Renditen und einem sicheren Hafen. Aber sie überlegen auch, was in ungünstigen wirtschaftlichen Szenarien passieren könnte.

Sara Silano 11.11.2022
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Dollaro

Der starke Dollar schreckt europäische Anleger nicht ab, US-Staatsanleihen zu kaufen. Morningstar schätzt, dass in den ersten neun Monaten des Jahres spezialisierte aktive und passive Fonds in dieser Anlageklasse in Europa über 25 Mrd. Euro eingesammelt haben, mit einem jährlichen organischen Wachstum (Flüsse als Prozentsatz des Anfangsvermögens) von 54,7%.

Wenn wir uns nur die Daten zu ETFs (Exchange Traded Funds) ansehen, zeigt sich, dass sie im dritten Quartal die beste Anleihenkategorie für Nettozuflüsse waren (+2,8 Mrd. Euro). 

US-Staatsanleihen stellen historisch eine Anlaufstelle für Anleger dar, die in Zeiten von Marktturbulenzen vor riskanten Anlagen fliehen. US Treasuries ermöglichen Investoren, in die Staatsanleihen der größten Volkswirtschaft der Welt zu investieren, deren Währung gleichzeitig auch die wichtigste Leitwährung ist.

„Mit der Rückkehr der US-Anleihesätze auf ein Niveau von über 3,5% können Staatsanleihen nicht nur eine Quelle der Diversifizierung innerhalb der Portfolios darstellen, sondern auch Erträge, die bis vor einem Jahr nur durch Investitionen in viel riskantere Unternehmens- oder High Yield-Papiere zu erzielen gewesen wären“, erklärt Nicolò Bragazza, Senior Investment Analyst bei MIM (Morningstar Investment Management).

Gründe für das Interesse der Anleger

Die Rückkehr des Anlegerinteresses an US-Treasury-Fonds und ETFs wird durch zwei grundlegende Überlegungen motiviert:

1) Die geldpolitischen Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Regionen. „Bereits Ende 2021 hatte die Federal Reserve damit begonnen, starke Signale für eine Änderung der Geldpolitik zu senden, um den zunehmenden Inflationsdruck zu bekämpfen“, erklärt José Garcia-Zarate, Associate Director of Research für passive Strategien bei Morningstar. „Im Vergleich dazu waren andere Zentralbanken wie die EZB vorsichtiger. Auch China behielt seine expansive Haltung bei, weil sich die Wirtschaft nicht wie erwartet entwickelt. Infolgedessen sind die Anleihespreads zwischen den USA und anderen Regionen für Treasuries günstig geworden.

2) Die russische Invasion in der Ukraine hat Investoren veranlasst, einen sicheren Hafen zu suchen. „Die aktuelle Situation erinnert uns daran, dass der US-Dollar der letzte sichere Hafen für internationale Investoren bleibt“, kommentiert Garcia-Zarate.

Dies ist nicht das erste Mal, dass es zwischen der Eurozone und den Vereinigten Staaten zu unterschiedlichen Geldpolitiken kommt. Die folgende Grafik zeigt, welche Auswirkungen sie beispielsweise auf Staatsanleihen im März 2020 hatten.

Der starke Dollar ist zudem eine Variable, die nicht ignoriert werden darf, da er US-Anlagen für ausländische Investoren, einschließlich europäischer, teuer macht.

Die Gründe für den "Superdollar"

Die Stärke der US-Währung gegenüber dem Euro wird hauptsächlich auf die unterschiedlichen geldpolitischen Entscheidungen zurückgeführt, die in diesem Jahr von der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank getroffen wurden. Aber die Gründe müssen auch in der Vergangenheit gesucht werden.

„Der US-Dollar ist nun seit 11 Jahren dabei, sich zu festigen, und dies ist der längste Zyklus aller Zeiten“, sagt Stephen Dover, Chefmarktstratege und Leiter des Franklin Templeton Institute. „Seit Mai 2021 ist der nominale breite US-Dollar-Index – der den handelsgewichteten Wert des US-Dollar gegenüber anderen Währungen in Schwellen- und fortgeschrittenen Volkswirtschaften misst – um 10% gestiegen. Dies ist der größte Sprung seit 2014-2016 und hat den Index auf den höchsten Stand seit 2002 gebracht.“

"Langfristige Wechselkurstrends spiegeln typischerweise anhaltende Unterschiede im Wirtschaftswachstum und bei den Kapitalrenditen wider", fährt der Stratege fort und weist darauf hin, dass die US-Wirtschaft in den letzten 15 Jahren im Durchschnitt schneller gewachsen ist als die der anderen großen entwickelten Ländern.

Darüber hinaus begünstigten Zinsdifferenzen den Dollar. Nach der großen Finanzkrise von 2008 trieben die europäischen und japanischen Zentralbanken die Anleihezinsen und -renditen in den negativen Bereich, während die Fed sich darauf „beschränkte“, sie drastisch zu senken.

„Die Verlängerung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, die anhaltende US-Inflation über dem gesetzten Ziel und wenige Anzeichen dafür, dass andere Volkswirtschaften während der nun unvermeidlichen globalen Wirtschaftsabschwächung besser abschneiden werden, sind alles Faktoren, die darauf hindeuten, dass der Dollar stark bleiben wird“, sagt Dover .

Das Wechselkursrisiko Euro/Dollar absichern oder nicht?

Der europäische Anleger in US-Staatsanleihen muss sich überlegen, ob er das Euro/Dollar-Wechselkursrisiko absichern möchte oder nicht. „Diese Bewertung erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des Portfolios, da der Dollar einerseits eine interessante Diversifikationsquelle darstellen kann, andererseits das Portfolio einem Währungsrisiko aussetzt und eine genaue Ausgewogenheit passend zu den Risikoprofilen notwendig ist“, gibt Bragazza zu.

Aber welche Faktoren sind zu berücksichtigen?

„Häufig ist die Entscheidung für eine Wechselkursabsicherung darauf zurückzuführen, dass das zusätzliche Währungsrisiko die Volatilität erheblich erhöhen kann und daher bevorzugt wird, nur die um die Kosten der Absicherung bereinigte Anleiherendite zu extrahieren“, erklärt der MIM-Analyst .

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Treasuries bei ausreichender Zinsdifferenz auch bei Absicherung des Wechselkursrisikos in Zeiten hoher Marktspannungen einen größeren Schutz bieten können als europäische, auch deutsche Staatsanleihen.

Bragazza nennt als Beispiel das, was im März 2020 in der ersten Welle der Pandemie passiert ist. „In diesem Monat entwickelten sich US-Dollar-Anleihen mit abgesichertem Währungsrisiko deutlich besser als Bundesanleihen aus Deutschland und der Eurozone im Allgemeinen.“

Die folgende Grafik zeigt die Wertentwicklung des US-Staatsanleihenindex im Vergleich zu Staatsanleihen in Euro bei Nicht-Hedging und Absicherung des Wechselkursrisikos.

US-Staatsanleihen und Wirtschaftsszenario

US-Anleihen gelten als „risikofrei“, da sie von Agenturen die höchsten Ratings erhalten. Aber wie verhalten sie sich unter unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen?

„Generell wäre ein Szenario, in dem eine hohe Inflation mit einer starken Zinserhöhungspolitik einhergeht, ziemlich negativ für diese Anlageklasse“, sagt Bragazza.

"Andererseits hätte ein Rezessionsszenario, das zu einer starken Zinssenkung führt, möglicherweise positive Auswirkungen auf die Performance."

Warum US-Staatsanleihen-ETFs verwenden?

Für Anleger hat die Wahl von ETFs für ein Engagement in US-Treasuries mehrere Vorteile, wie Garcia-Zarate betont. Schließlich ist der Markt für US-Staatsanleihen sehr liquide und mit einem Indexfonds leicht nachzubilden. ETFs neigen auch dazu, die Marktentwicklung nachzubilden, sodass Anleger sich auf eine gewisse Portfoliostabilität verlassen können. Umgekehrt haben aktive Manager nur wenige Möglichkeiten, zusätzlichen Wert zu generieren, außer mit der Duration zu spielen, aber Transaktions- und Umsatzkosten können Gewinne zunichte machen.

ETFs haben niedrige Kosten und bieten viele Optionen, vom Engagement in der gesamten Zinskurve bis hin zum Engagement in bestimmten Segmenten, z.B. 1-3 Jahre, 3-5, 5-7 usw.

Die meisten US-Dollar Staatsanleihen ETFs, die europäischen Anlegern zur Verfügung stehen, hedgen das Währungsrisiko nicht ab. Aber einige sind gehedgt, zum Beispiel diese: Lyxor US Treasury 10 + Y (DR) UCITS ETF - Monthly Hedged to EURLyxor US Treasury 1- 3Y (DR) UCITS ETF - Monthly Hedged to EURUBS (Lux) Fund Solutions - Bloomberg US 10+ Year Treasury Bond UCITS ETF (hedged EUR) and UBS (Lux) Fund Solutions - Bloomberg US 1-3 Year Treasury Bond UCITS ETF (hedged EUR).

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Über den Autor

Sara Silano

Sara Silano  è caporedattore di Morningstar in Italia