Der Anstieg war angesichts der verkündeten Ergebnisse von Energieriesen wie BP , Shell oder Saudi Aramco erwartet worden. Seit Jahresbeginn hatten die Ölpreise wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und einem Nachfrageboom durch die Erholung nach der Pandemie enorm zugelegt. Dennoch dürfte die Analyse die Debatte um eine Übergewinnsteuer vorantreiben.
"Zunächst sollte eine Übergewinnsteuer in der EU angestrebt werden - da darf Deutschland nicht ausscheren", sagte Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, der Deutschen Presse-Agentur. Die Einnahmen daraus dürften aber "nicht nach dem Giesskannenprinzip verteilt werden", sondern müssten vor allem Bedürftigen zugutekommen. In Zeiten steigender Lebenskosten wächst der Unmut in Gesellschaft und Politik darüber, dass die Konzerne indirekt vom russischen Krieg profitieren. Dufner mahnte zu "Augenmass" bei den Dividenden.
Zuletzt hatte auch US-Präsident Joe Biden Konzernen mit einer Übergewinnsteuer gedroht. In Grossbritannien fordert die Opposition vehement, Finanzminister Jeremy Hunt möge die bereits bestehende Übergewinnsteuer verschärfen, wenn er an diesem Donnerstag seinen Haushaltsplan vorlegt. Erwartet wird aber, dass Hunt vielmehr Steuern erhöhen und öffentliche Ausgaben kürzen wird. Um Investitionen in die Londoner City anzulocken, soll zudem die Obergrenze für Boni von Top-Bankern gestrichen werden. Dass Premierminister Rishi Sunak zugleich die Unternehmensbosse zur Zurückhaltung beim Gehalt aufforderte, erschien Kritikern daher wie Hohn.
Beispiel BP: Die Briten schrieben im vergangenen Quartal ihren zweithöchsten Quartalsgewinn überhaupt. Das bereinigte Nettoergebnis stieg auf 8,15 Milliarden Dollar. Beispiel Aramco: Der saudi-arabische Staatskonzern verdiente unter dem Strich 41,6 Milliarden Dollar, rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Quartal zuvor waren es sogar 48 Milliarden Dollar. Die Liste liesse sich fortsetzen: Der US-Riese ExxonMobil legte den grössten Quartalsgewinn seiner Firmengeschichte vor. Die Konkurrenten Chevron , Total, Repsol oder Shell übertrafen ihre Milliardengewinne des Vorjahresquartals noch einmal deutlich.
Davon profitieren nun die Anleger, am grössten war der Sprung beim brasilianischen Staatskonzern Petrobras. Die Angestellten hingegen fühlen sich oft übergangen. Am Mittwoch streikten Offshore-Arbeiter von Repsol in Schottland für höhere Löhne. Sie fordern einen Anstieg im Einklang mit der Inflation, die in Grossbritannien zuletzt auf 11,1 Prozent kletterte.
Die Ausschüttungen der Ölkonzerne entfielen der Studie zufolge grösstenteils auf sogenannte Sonderdividenden, das sind einmalige Zahlungen. Doch es ist nicht nur die Ölindustrie, die ihren Aktionären eine satte Herbstauszahlung gönnen konnte. Weltweit seien die Dividenden enorm gestiegen, um 10,3 Prozent auf 416 Milliarden Dollar, hiess es in der Janus-Henderson-Studie. Das sei ein Rekord für ein drittes Quartal - obwohl Auszahlungen von Bergbaukonzernen wegen fallender Rohstoffpreise gesunken seien.
90 Prozent der Unternehmen hätten ihre Dividenden angehoben oder gleich gehalten. Am besten lief es demnach in den USA, Hongkong, Kanada und Taiwan. Hingegen hinkte das Wachstum der chinesischen Dividenden hinterher. Grund war der schwächelnde Immobiliensektor. Für das Gesamtjahr rechnet Janus Henderson nun mit einer weltweiten Ausschüttung in Höhe von 1,6 Billionen Dollar.
Janus-Henderson-Expertin Jane Shoemake sieht allerdings ein Ende des Dividendenbooms voraus. "Wie andere Rohstoffe sind auch die Energiepreise zyklisch, und der Ölpreis liegt bereits unter dem Anfang des Jahres erreichten Niveau, sodass das derzeitige aussergewöhnliche Niveau der Auszahlungen wahrscheinlich nicht von Dauer sein wird", sagte Shoemake. Das langsamere Wirtschaftswachstum werde sich 2023 vermutlich auf die Gewinne auswirken und damit auf die Möglichkeiten einiger Unternehmen, die Auszahlungen zu steigern./bvi/DP/jha