Vor dem Ausbruch des Krieges galt der russische Markt vielen Anlegern, die kein Problem mit schwankenden Marktrenditen hatten, als eine interessante Beimischung. Russland hat eine Menge interessanter Unternehmen, insbesondere in den Sektoren Energie, Bergbau, Forstwirtschaft und Landwirtschaft. Europäer werden sich dessen immer mehr bewusst, jetzt da sie versuchen, sich vom russischen Öl und Gas zu lösen. Das Land ist auch weltweit führend in der Diamantenproduktion, die etwa doppelt so hoch ist wie die von Botswana, der Nummer zwei auf der Liste.
Die Tatsache, dass sich Investoren für den russischen Markt interessierten, ist daher nicht besonders überraschend. Es gab dort definitiv Chancen auf hohe Renditen. Allerdings waren die Investments auch schon vor dem Krieg mit Risiken verbunden. Das erste Risiko ist ein politisches. Russland hat seit langem ein angespanntes Verhältnis zu vielen anderen Ländern und auch innerhalb des Landes gibt es seit langem Anzeichen für ernsthafte Probleme. Unter anderem ist erkennbar, dass die Achtung der Menschenrechte nachlässt, der Raum für die Zivilgesellschaft schrumpft und die Gesetzgebung gegen Extremismus, Hochverrat, Terrorismus und Separatismus eingesetzt wird, um Andersdenkende und Kritiker zum Schweigen zu bringen.
Darüber hinaus besteht immer dann ein Währungsrisiko, wenn man in einem Markt mit einer anderen Währung als der eigenen investiert. Der russische Rubel jedoch gilt als noch volatiler als viele andere Währungen, was vor allem auf das politische Risiko im Land und die Art und Weise zurückzuführen ist, wie die Außenwelt Russland sieht.
Der russische Markt wurde auch stark davon beeinflusst, dass sich die Nachfrage nach Öl, Gas und Rohstoffen verändert, da diese Rohstoffe einen großen Anteil des russischen Marktes ausmachen. Wegen des Übergangs zu nachhaltigeren Energiequellen haben diese Vermögenswerte in verschiedenen Nachhaltigkeitsindizes und -bewertungen lange Zeit schlecht abgeschnitten.
Was passiert mit den russischen Aktienfonds?
Weil der russische Aktienmarkt für die meisten ausländischen Anleger geschlossen ist, konnten ausländische Fondsmanager keine Transaktionen auf dem russischen Markt tätigen, was zur Aussetzung von Fonds mit einem hohen Engagement in Russland führte. Wenn Sie einen russischen Aktienfonds besitzen, sind Ihnen daher im Moment die Hände gebunden. Einige russische Aktienfonds sind oder werden liquidiert, aber die verbleibenden Vermögenswerte können erst ausgezahlt werden, wenn die Fonds in der Lage sind, ihre restlichen Anteile zu verkaufen. Wann dies der Fall sein wird, ist zurzeit unklar.
East Capital, einer der größten russischen Aktienfonds in Europa, erklärte auf seiner Website, es sei unwahrscheinlich, dass die Moskauer Börse in naher Zukunft für ausländische Anleger öffnet, was es zunehmend erschwert, einen fairen Werts für die Portfoliobestände zu ermitteln.
Wieviel Geld könnte verloren gehen?
Die meisten Investmentfonds in der Morningstar-Kategorie "Aktien Russland" haben seit der Schließung des russischen Aktienmarktes für ausländische Anleger keine NAV-Zahlen gemeldet. Das bedeutet, dass wir nur spekulieren können, wie hoch die tatsächlichen Verluste sein könnten.
Aber lassen Sie uns einmal spekulieren. Laut Morningstar Direct betrug das Gesamtvermögen russischer Aktienfonds zu Beginn des Jahres 2022 insgesamt 5,3 Milliarden Euro. Ein Jahr später sank die Zahl auf 79 Millionen Euro. Ein erstaunlicher Rückgang, der, sollten die Daten zuverlässig sein, bedeutet, dass 98,5 Prozent der Vermögenswerte in russischen Aktienfonds vernichtet worden wären.
Obwohl ich die Ungewissheit dieser Zahlen betone, haben einige Manager erklärt, dass sie ihre russischen Vermögenswerte auf Null abgeschrieben haben. Das bedeutet, dass jeder, der russische Aktienfonds besitzt, auf einen Totalverlust vorbereitet sein sollte.
"Sobald der Konflikt ausbrach, schrieben die meisten Vermögensverwalter ihre russischen Anlagen auf Null ab", sagt David Fairs, Executive Director of Regulation Policy bei The Pensions Regulator (TPR) kurz nach Ausbruch des Krieges.
Ein Gesamtnettovermögen von 5,3 Milliarden Euro mag erstaunlich klingen, aber wenn man die Zahl in Relation zum gesamten europäischen Fondsmarkt setzt, verblasst sie schnell. Das gesamte Nettovermögen in Europa belief sich Ende 2021 auf 12.581 Milliarden Euro, was bedeutet, dass russische Aktienfonds 0,04 Prozent ausmachten. Im Verhältnis zu den Vermögenswerten in europäischen Aktienfonds lag der Marktanteil russischer Aktienfonds Ende 2021 bei 0,10 Prozent.
Alle wollen raus, wenn die Moskauer Börse wieder öffnet
Die meisten europäischen Vermögensverwalter haben deutlich gemacht, dass sie nicht mehr in Russland investieren werden. Das führt vermutlich zu einem massiven Ausverkauf, wenn der Markt wieder öffnet und das wiederum löst einem Absturz der Börsenkurse aus, so dass Anlegern nur noch wenig, wenn überhaupt etwas von ihren Fondsanlagen bleibt.
Sollten Sie zu den Anlegern gehören, die einen russischen Aktienfonds besitzen, sollten Sie sich darauf vorbereiten, dass Ihr gesamtes Geld weg ist.