Die Inflation sinkt, bleibt aber. So geht's weiter.

In Europa und im Vereinigten Königreich sinkt die Inflation unter ihre Höchststände des letzten Jahres, weil sich neue Versorgungsketten für Energie und Lebensmittel etabliert haben. In anderen Teilen des Warenkorbs ist es schwieriger, die gestiegenen Preise einzudämmen.

Michael Field, CFA 13.03.2023
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Shipping containers in Rotterdam

Bis vor kurzem kannte eine ganze Generation von Investoren hohe Inflation nur aus Lehrbüchern. Nachdem sie fast ein ganzes Jahrzehnt lang weitgehend in Vergessenheit geraten war, traten steigende Verbraucherpreise erstmals während der Pandemie wieder in Erscheinung. Der Ukraine-Krieg, der die globalen Lieferketten durcheinanderwirbelte, trieb sie dann richtig in die Höhe.

Inzwischen scheint die Inflation ihren Höhepunkt überschritten zu haben: sie ging von ihren Höchstständen bei 10% Ende 2022 auf 8,5% im Februar 2023 zurück. Der Trend in die richtige Richtung ist eine gute Nachricht. Längere Phasen hoher Inflation können der Wirtschaft Schaden zufügen, weil sie einen Teufelskreis in Gang setzen, in dem die Unternehmen um Preiserhöhungen ringen und die Arbeitnehmer wegen der steigenden Lebenshaltungskosten große Lohnerhöhungen fordern. Die Preise liegen weiterhin weit über dem normalen Niveau, wir sind also noch nicht über den Berg. Im Folgenden erfahren Sie, wie sich Anleger für den Fall positionieren sollten, dass die Inflation länger anhält.

 

Warum fällt die Inflation gerade jetzt?

Brennstoff und Lebensmittel waren die beiden Treiber des Inflationsanstiegs 2022 und machten etwa die Hälfte des im Dezember erreichten 10%-Niveaus aus. Russland drosselte die Öl- und Gasexporte und einzelne Länder überboten sich gegenseitig bei der Suche nach alternativen Lieferanten. Glücklicherweise lässt diese Dynamik mit dem Ende eines recht warmen Winters nach, und die Versorgung Europas scheint sicherer zu sein als noch vor einigen Monaten. Vielleicht erhalten Sie sogar E-Mails von Ihrem Energieversorger, so wie ich erst neulich, in denen Sie über Tarifsenkungen ab April 2023 informiert werden - sicherlich eine willkommene Entwicklung.

 

Das Leiden an der Zapfsäule gingen Hand in Hand mit dem Schock in den Lebensmittelgeschäften. In den Niederlanden, von wo aus ich arbeite, waren die Lebensmittelpreise im Januar dieses Jahres fast 18% höher als im Januar 2022. Anders als bei Energie gibt es keine Anzeichen für eine deutliche Trendumkehr. Wirtschaftswissenschaftler sind jedoch zuversichtlich, dass diese kommen wird, und wir stimmen aus zwei Gründen zu.

1) Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs hat die Versorgungsketten für Lebensmittel durcheinander gebracht, weil die Ukraine vor dem Konflikt 10% bis 15% des weltweiten Angebots an Mais und Weizen produzierte. Als die Versorgung aus der Region unterbrochen wurde, beschafften westliche Volkswirtschaften alternative Getreidesorten aus anderen Teilen der Welt, was die Preise dort in die Höhe trieb und einen Dominoeffekt auslöste, weil die früheren Abnehmer dieser Produkte ebenfalls auf Alternativen ausweichen mussten. Ein Jahr später hatten die Rohstoffhändler und -abnehmer Zeit, um ihre Beschaffung effizienter zu gestalten. Die daraus resultierenden Einsparungen sollten sich langsam bei den Verbrauchern bemerkbar machen.

2) Die Frachtraten, die durch die weltweite Pandemie und die darauf folgenden Engpässe in der Versorgungskette in die Höhe geschossen waren, beginnen sich langsam wieder zu erholen. In einigen Fällen stiegen die Kosten für den Transport von Containern von China nach Europa, die vor der Pandemie im Durchschnitt USD 1.800 betrugen, im Januar 2022 bis auf das Zehnfache dieses Wertes. Dies trieb die Warenpreise so weit in die Höhe, dass sich einige Produzenten dazu entschlossen, ihre Waren stattdessen mit dem Flugzeug zu transportieren, weil die Luftfrachtraten in etwa gleich hoch waren. Anfang 2023 sanken die Containerraten unter ihren langfristigen Durchschnitt - und die niedrigeren Kosten für Hersteller und Einzelhändler sollten sich letztendlich in den Regalen der Geschäfte niederschlagen.

 

 

Wenn die Inflation sinkt, wo liegt dann das Problem?

Mit einem Wort: in der Kerninflation. Der zweistellige Anstieg der Inflation im letzten Jahr wurde vor allem durch die Preise für Lebensmittel und Energie getrieben. Kerninflation ist das, was übrig bleibt, wenn man diese ausklammert. Und obwohl die Kerninflation in der Eurozone mit 5,6% deutlich überschaubarer ist, hält sie sich bekanntermaßen lange. Der letzte Messwert zeigte einen Anstieg im Februar, und weil in diesem Jahr die Gewerkschaften der gesamten Region über Lohnpakete verhandeln, könnte die Kerninflation wieder steigen. Es könnte Jahre dauern, bis die Inflation wieder in der Nähe der von den Zentralbanken angestrebten 2% liegt.

 

 

Stellen Sie sich auf eine anhaltende Inflation ein

Nach Angaben der EZB gehen professionelle Prognostiker davon aus, dass die Inflation in der Eurozone in diesem Jahr bei fast 6% liegen wird und im nächsten Jahr auf weniger als die Hälfte dieses Wertes zurückgeht. Das bedeutet, dass wir für den größten Teil eines Jahres mit einer hohen Inflation rechnen müssen, und das ist das optimistische Szenario. "Erwarte das Beste, bereite dich auf das Schlimmste vor", sagte einst Muhammed Ali Jinnah (der Gründer Pakistans, nicht der Boxer). Ein Satz, den Invesoren bei der Aktienauswahl in diesem Jahr beherzigen sollten - mit einem Seitenblick auf das Problem der Inflation und die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch länger anhalten wird. Es gibt Möglichkeiten, Inflationsschutz in Aktienportfolios zu integrieren, vor allem durch die Auswahl von Aktien, die:

  • mit inflationsgebundenen Verträgen/Preisen arbeiten, wie etwa Inwit (INW), ein Betreiber von Mobilfunkmasten,
  • über Marken- und Preismacht verfügen und Kostenerhöhungen an die Kunden weitergeben können - man denke an Luxusgüterhändler
  • von der Inflation profitieren, wie beispielsweise kostengünstige Produzenten im Versorgungs- und Energiesektor.

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Über den Autor

Michael Field, CFA

Michael Field, CFA  ist European Equity Strategist bei Morningstar.