Die BRICS-Staaten expandieren, aber die Aktienfonds, die in diese Schwellenländer investieren, verschwinden. Es ist nicht nur der Krieg in der Ukraine, der die Positionen auf dem russischen Markt vernichtet hat. Der Rückgang hat seinen Ursprung in einem Prozess, der vor mehr als einem Jahrzehnt begann.
Geprägt wurde die Abkürzung BRIC im Jahr 2001 von dem Goldman-Sachs-Ökonomen (und ehemaligen Finanzminister) Jim O'Neill, der behauptete, dass Brasilien, Russland, Indien und China 2050 die Weltwirtschaft dominieren würden. Im Jahr 2010 ergänzte Südafrika die Liste, und seitdem heißt die Staastengruppe BRICS.
Auf dem jüngsten BRICS-Gipfel vom 22. bis 24. August 2023 in Südafrika wurde verkündet, dass ab Januar 2024 sechs weitere Länder hinzukommen: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. "BRICSAUSEEI", irgendjemand?
Michael Langham, Analyst für Schwellenländer bei abrdn, erklärt die geopolitischen Auswirkungen der Erweiterung.
"Die Aufnahme neuer Mitglieder war erwartet worden und dürfte die Bedeutung des Bündnisses bei geopolitischen Diskussionen verstärken, insbesondere im Nahen Osten, wo die meisten der neuen Mitglieder herkommen und wo China versucht, seinen Einfluss zu vergrößern", sagt er.
"Die Gruppe nutzt die Erweiterung vermutlich auch als Instrument, um die internationale politische Debatte und die Entwicklung internationaler Institutionen außerhalb von G7 und G20 sowie der Vereinten Nationen zu beeinflussen."
Nur wenige BRIC-Fonds haben überlebt
Die Anleger gehen jedoch nicht mit. Nach ein paar Jahren an der Sonne verzeichnen mehr und mehr BRIC-Aktienfonds Abflüsse. Viele wurden geschlossen oder mit Schwellenländerstrategien verschmolzen.
Nicht einmal der BRIC-Fonds von Goldman Sachs blieb von diesem Schicksal verschont und wurde am 16. November 2020 in das Emerging Markets Equity Portfolio des Unternehmens integriert. Goldman begründete den Schritt mit der "Entwicklung des Marktes von thematischen (akronym-basierten) Investitionen hin zu einem breiteren Engagement in Schwellenländern".
Bei der Durchsicht der Morningstar Direct-Datenbank für in Europa domizilierte Fonds finden wir etwa 40 BRIC-Aktienstrategien, darunter auch solche, die nicht mehr existieren. Wenn wir die Suche auf die Überlebenden eingrenzen, sind nur noch 11 für europäische Anleger verfügbar.
Es gab noch nie so viele börsengehandelte Fonds für BRICS-Staaten (laut den Daten von Morningstar sind sechs in Europa domiziliert), aber selbst von dieser kleinen Gruppe hat nur einer tatsächlich überlebt. Der iShares BIC 50 UCITS ETF hat jetzt seinen Namen in "BIC" geändert, um Russland auszuschließen, und bildet einen Index nach, der die Performance der 50 größten Unternehmen in Brasilien, Indien und China umfasst.
Die Fonds, die weiterhin das Akronym "BRIC" in ihren Namen verwenden, haben ihr Russland-Engagement seit Februar 2022 ebenfalls eingestellt.
Der BRIC-Exodus
Der Niedergang der BRIC-Strategien begann schon Jahre zuvor. Morningstar-Daten zeigen für jedes Kalenderjahr seit 2011 Nettoabflüsse aus europäischen Fonds und ETFs dieser Art in Höhe von insgesamt EUR 9,31 Milliarden. Ihr Vermögen sank von EUR 7,63 Milliarden Ende 2011 auf EUR 1,31 Milliarden im Dezember 2022.
Das Jahr 2023 sieht genauso aus. In den ersten sieben Monaten flossen weitere EUR 78,57 Millionen ab, und das Vermögen sank auf EUR 1,22 Milliarden.
Uneinheitlich und enttäuschend
Im Laufe der Jahre erfüllte das BRICS-Konzept kaum noch die Erwartungen. Die ursprüngliche Idee, die Länder mit dem größten Potenzial für Wirtschaftswachstum zusammenzubringen, scheiterte an der enttäuschenden Leistung Brasiliens und Russlands. In jüngster Zeit geriet China in eine Deflation und sieht sich mit einer Immobilienkrise konfrontiert, die Fondsmanager weit über das Land hinaus im Auge behalten müssen.
Das Emerging-Markets-Investmentteam von Raiffeisen Capital Management erklärt in einer Mitteilung: "Seit 2001 war die einzige größere Maßnahme der BRICS die Gründung einer neuen Entwicklungsbank und eines Reservefonds in Höhe von USD 100 Milliarden im Jahr 2014.
"Danach wurde fast nicht mehr über sie gesprochen. Vor kurzem beschleuigten dann die Sanktionen des Westens gegen Russland und die sich verschärfende Konfrontation zwischen dem Westen auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite die Debatte über die Umwandlung von BRICS in einen geopolitischen und wirtschaftlichen Block", heißt es in der Mitteilung
Ist die Dollar-Hegemonie in Gefahr?
Darüber hinaus offenbarte der Gipfel in Südafrika eine gewisse Uneinheitlichkeit.
"Obwohl die Mitglieder klare gemeinsame Ziele verfolgen, um ihre geopolitische Macht zu vergrößern, bestehende globale Institutionen und Praktiken umzugestalten und in Frage zu stellen und die Verwendung des Dollars zu reduzieren, wäre es ein Fehler, ihre individuellen geopolitischen Ziele als homogen zu betrachten", sagt Langham.
"Brasilien, Indien und Südafrika haben die Vorstellung zurückgewiesen, die Gruppe als direkte Herausforderung des Westens zu verstehen. Im Falle Indiens besteht die Sorge, dass die Gruppe ein Vehikel Chinas ist, um seinen Einfluss auszuweiten. Die Erweiterung der Mitgliedschaft wird zusätzliche Komplexität mit sich bringen und wahrscheinlich das Potenzial für größere Reformpläne der Gruppe einschränken.
"Befürchtungen, die Gruppe könnte die Hegemonie des Dollars in Frage stellen, scheinen vorerst übertrieben angesichts der konkurrierenden geopolitischen Ziele der Mitglieder und ihrer mangelnden Bereitschaft, die Kontrolle über die Wechselkurse und/oder die Geldpolitik abzugeben."
Raiffeisen sieht es genauso.
"Wirtschaftliche und zum Teil politische Interessenkonflikte sowie die große Heterogenität unter den derzeit fünf BRICS-Mitgliedern dürften ein wesentliches Hindernis für die Schaffung einer gemeinsamen Währung bleiben", heißt es.
"Dies gilt umso mehr, als Russland die treibende politische Kraft und China die dominierende Wirtschaftsmacht innerhalb der Gruppe ist. Ob das Projekt tatsächlich zur Schaffung einer alternativen und gerechteren Weltwirtschaftsordnung führen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig ungewiss. Es besteht zudem die Möglichkeit eines völligen Scheiterns oder einer Verlagerung auf weniger ehrgeizige Ziele."
BRIC-Fonds: Performance
In den letzten zehn Jahren erzielten Anleger in BRIC-Fonds eine durchschnittliche Rendite von 5,3 % auf Jahresbasis, ein Prozentsatz, der sich im Dreijahreszeitraum bis zum 28. August 2023 ins Negative dreht (-3,76 % auf Jahresbasis), wie die Daten von Morningstar zeigen.
Zum Vergleich: Die durchschnittliche Performance von Schwellenländeraktien lag in den letzten zehn Jahren annualisiert bei 4,75 % und bei 0,73 % auf Jahresbasis über den Dreijahreszeitraum bis zum 28. August.