Im vergangenen Jahr markierte die Aktie von Europas größter Online-Modeplattform das Schlusslicht im Dax. Zalando ((ZAL) verlor rund 35 % und setzte damit die Talfahrt des Vorjahres fort. Und das neue Jahr ist gestartet, wie das alte geendet hat: Tief im Minus. In noch frischen Jahr 2024 verlor Zalando (No Moat) bereits 15%.
Warum fällt die Zalando-Aktie?
Inflation, konjunkturelle Sorgen, hohe Lagerbestände nach der Pandemie und ein harter Preiskampf im E-Commerce setzen dem Sektor zu. Am Dienstag eröffnet die Aktie erneut schwächer bei rund 17,60 EUR. Sie nähert sich damit ihrem Allzeittief vom Oktober 2014. Nur fünf Tage nach ihrem Börsengang am 1. Oktober bei 21,50 EUR hatte sie bei 17,10 EUR geschlossen. Schwache Zahlen von Wettbewerbern und die Herabstufung des Kursziels durch JPMorgan-Analystin Georgina Johanan von 31 EUR auf 25 EUR setzen dem Titel aktuell zu.
Zalando ist allerdings bei weitem nicht der einzige Online-Einzelhändler, der mit Problemen zu kämpfen hat.
Online-Modehandel: Ein schwerer Fall von Long-COVID
Die Misere begann vor bald zwei Jahren. Die Schließung von Geschäften zu Beginn der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 löste zunächst zwar Panik aus, aber die darauf folgenden Konjunkturausgaben und die wirtschaftliche Erholung ließen das Umsatzwachstum und die Bewertungen in dem Sektor im Jahr 2021 steigen. Die meisten Aktien aus der Bekleidungsindustrie wurden in diesem Zeitraum über den von Morningstar geschätzten fairen Werten gehandelt.
Die Online-Anbieter investierten in dieser Zeit stark und legten zu hohe Lagerbestände an, in der Hoffnung, dass der Trend zum Online-Kauf anhalten würde. Mitte 2022 begannen die Online-Plattformen jedoch, die Auswirkungen von Inflation, Lieferunterbrechungen und uneinheitlicher Nachfrage zu spüren, und viele Bewertungen gingen zurück. Die Betriebsmargen vieler Bekleidungsunternehmen gerieten unter Druck.
Fast zwei Jahre später sehen wir immer noch, wie diese Unternehmen überschüssige Bestände abarbeiten, sagt Jelena Sokolova, Senior Equity Analyst bei Morningstar. Viele der von Morningstar erfassten Bekleidungsunternehmen hatten in den letzten Quartalen mit überschüssigen Beständen zu kämpfen, weil sie Schwierigkeiten hatten, die Produktion mit der Nachfrage von Großhandelspartnern und Verbrauchern abzustimmen. Zahlreiche Einzelhändler haben in der ersten Jahreshälfte 2023 auf Rabatte gesetzt, um ihre Bestände abzubauen.
Die Kosten in den Griff zu bekommen war ebenfalls ein Problem. Zu den ergriffenen Maßnahmen gehörten Entlassungen und andere Umstrukturierungsmaßnahmen. "Das Wachstum ist einfach noch nicht wieder da", konstatiert Sokolova.
Im Dezember wäre einer der Wettbewerber von Zalando, der britische Online-Modehändler Farfetch (der allerdings im Luxussegment unterwegs ist), beinahe zusammengebrochen. Am 18. Dezember einigte sich das Unternehmen in letzter Minute mit dem südkoreanischen Einzelhandelsriesen Coupang (CPNG) auf ein Rettungspaket in Höhe von 500 Millionen USD. Die New Yorker Börse (NYSE) setzte die Aktien von Farfetch Ltd. (FTCH) aufgrund von Liquidationsbedenken zeitweise vom Handel aus.
Fallende Lagerbestände
Während die kurzfristigen Umsatzwachstumserwartungen im Allgemeinen niedrig sind, erwarten wir, dass die meisten Bekleidungshersteller und Einzelhändler ihre Lagerbestände in der ersten Hälfte des Jahres 2024 in den Griff bekommen, so Morningstars "Apparel: 2023 Q4 Industry Pulse". Viele Unternehmen haben zuletzt vorsichtig agiert und Aufträge reduziert oder storniert.
Die Verlangsamung der Inflation im Laufe des Jahres 2023 beginnt sich auch positiv auf die Gewinnmargen der Bekleidungsunternehmen auszuwirken, denn sie haben einen Großteil ihrer kostenintensivsten Waren verkauft.
Zalando: Auf lange Sicht bevorzugte Aktie im Online-Bekleidungssektor
Zalando wird schon seit einiger Zeit mit 5 Sternen bewertet. "Wir sehen die Zalando-Aktie als unterbewertet an und sie ist aufgrund der Skaleneffekte, die das Unternehmen erzielen kann, unser bevorzugter Name im europäischen Online-Bekleidungshandel", sagt Sokolova. Sie blickt auf den langfristigen Anlagehorizont.
Mehr als 10% der adressierbaren europäischen Bevölkerung sind aktive Kunden. Im Vergleich zu seinen Konkurrenten befindet sich das Unternehmen in einer starken finanziellen Position. Es verfügte im dritten Quartal 2023 über 1,9 Milliarden Euro an liquiden Mitteln und kann antizyklisch investieren, wenn Konkurrenten sich zurückziehen müssen, so Sokolova.
Auch Zalando gehört zu den Unternehmen in der Industrie, die ihre Lagersituation unter Kontrolle bekommen. Die Lagerbestände sind zuletzt um 10 % gesunken. Die Investitionen in die Lagerhaltung wurden zwar nicht gestoppt, aber der Kapazitätsaufbau geht angesichts der flauen Nachfrage langsamer vonstatten.
Morningstar hält an einer Fair-Value-Schätzung von 55 EUR je Aktie fest. Das Unternehmen meldete im dritten Quartal einen Rückgang des Bruttowarenwerts und des Umsatzes im niedrigen einstelligen Bereich. Gleichzeitig verzeichnete es eine starke Verbesserung des bereinigten EBIT. Die Jahresprognose für den GMV und den Umsatz hatte das Unternehmen im November gesenkt (auf minus 2 % bis 1 % bzw. auf minus 3 % bis minus 0,5 %, von 1 % bis 7 % und minus 1 % bis 4 %). "Unsere Prognose sieht einen Umsatzrückgang von 0,5 % im Jahr 2023 vor", so Sokolova.
"Das Unternehmen hielt die Prognose für den Betriebsgewinn trotz des schwächeren Wachstums aufgrund der strengen Kostenkontrolle aufrecht. Zalando führte die Schwäche im dritten Quartal teilweise auf ungünstige Wetterbedingungen zurück (langsamer Herbstbeginn in Europa), was auch von anderen Unternehmen wie H&M erwähnt wurde", kommentierte Sokolova im November.
Die Ende letzten Jahres angekündigte Erhöhung der Marketingausgaben bewertet sie ebenfalls positiv. Die Zahl der aktiven Kunden blieb im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr weitgehend unverändert. Die durchschnittliche Bestellung pro Kunde ging im niedrigen einstelligen Bereich zurück, was durch größere Warenkörbe ausgeglichen wurde, die wahrscheinlich auf die Einführung von Mindestbestellmengen zur Förderung der Rentabilität zurückzuführen sind. Eine daraus resultierende Verbesserung der Abwicklungskosten um 290 Basispunkte im Vergleich zum Vorjahr führte zu einer Verbesserung der Rentabilität im Quartal, trotz des Drucks auf die Bruttomarge von 240 Basispunkten, so Sokolova.
Das Unternehmen wird den Jahresbericht am 13. März veröffentlichen und ein Strategie-Update geben. Die Einschätzung des Managements, ob man sich weiterhin in einer Konsolidierungsphase befinde und welche Schritte fürs künftige Wachstum getätigt werden gehören zu den Punkten, die spannend werden dürften, erläutert Sokolova.
Weitere Risiken für die Bekleidungsindustrie
Die Morningstar-Analysten warnen in ihrem aktuellen Branchenreport vor der Gefahr steigender Frachtraten. Zum einen kommt es am Panamakanal aufgrund des niedrigen Wasserstands zu erheblichen Verzögerungen. Zum anderen haben Angriffe auf Schiffe im Roten Meer die Reedereien gezwungen, den Suezkanal zu meiden und um Afrika herum zu fahren. Obwohl diese Probleme die Bekleidungsunternehmen bisher noch nicht in nennenswertem Umfang beeinträchtigt haben, könnten sich dies ändern, sofern die Probleme fortbestehen.
Auch Streiks gehören zu den Risiken, die die Logistik gefährden. Hierzu gehören der Bahnstreik in Deutschland ebenso wie der von Hafenarbeitern in Kanada.
Kosten nicht nur durch möglicherweise höhere Löhne, sondern auch durch die hohen Baumwollpreise verteuern die Herstellung. Die Baumwollpreise haben sich immer noch nicht von ihren Hochständen erholt. Etwas Beruhigung zeichnet sich indes am Energiemarkt ab.
Wichtige Morningstar Kennzahlen für Zalando
- Fair Value Estimate: 55 EUR
- Morningstar Rating: 5 Sterne
- Morningstar Economic Moat Rating: None
- Morningstar Uncertainty Rating: High