Die europäische Vermögensverwaltungsbranche hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert, und der ETF-Boom war eine wichtige Triebkraft.
Übernehmen ETFs also wirklich die europäische Vermögensverwaltungsbranche? Morningstar-Daten zufolge entfielen zum 31. Dezember 2023 gerade einmal 26,7% des gesamten verwalteten Vermögens in Europa auf passive Strategien - die also eine Benchmark nachbilden (das betrachtete Universum umfasst offene Fonds und ETFs, nicht aber Geldmarktfonds und Dachfonds).
Dies ist eine Verdoppelung gegenüber dem Stand von vor 10 Jahren. Damals betrug der passive Marktanteil 12,3% des Gesamtvolumens.
Die USA sind da einen Schritt weiter, und Europa dürfte folgen: In den Vereinigten Staaten haben die passiven Strategien zum ersten Mal in der Geschichte der Fondsbranche die aktiv verwalteten Strategien überholt (Ende Januar 2024: 50,02% gegenüber 49,98%).
Europa ist zwar noch weit von dem in den USA erreichten Niveau entfernt, aber dieser epochale Wandel vollzieht sich möglicherweise schneller als man denkt. Die Analyse der Kapitalflüsse und vor allem des organischen Wachstums von passiven gegenüber aktiven Strategien bestätigt die absolute Präferenz der Anleger für passive Strategien (das organische Wachstum misst die prozentuale Häufigkeit der Nettoströme in einem bestimmten Zeitraum im Verhältnis zum Anfangsvermögen).
Die organische Wachstumsrate der passiven Fonds - von denen die überwiegende Mehrheit ETFs sind - war von 2014 bis 2023 in jedem einzelnen Jahr höher als die der aktiven Fonds. Vor allem in den letzten beiden Jahren hat das aktive Management stark gelitten und verzeichnete Nettoabflüsse.
ETF-Boom: Preiskampf und Flexibilität
Der Boom der Exchange Traded Funds (ETFs) in Europa begann mit der Finanzkrise 2008. Ich erinnere mich gut daran: Ich kam 2009 in die Morningstar-Redaktion und eine meiner ersten Aufgaben war es, über diese "neuen" Instrumente zu berichten (so neu waren sie gar nicht, die ersten ETFs erschienen in Europa im Jahr 2000). Die Instrumente wurden bei institutionellen und privaten Anlegern dank ihrer Transparenz, ihrer einfachen Handhabung und vor allem ihrer niedrigen Kosten immer beliebter.
Seitdem sind die ETF-Gebühren kontinuierlich gesunken (erinnern Sie sich an den sogenannten Preiskrieg 2018-2019?), in einigen Fällen sogar auf wenige Basispunkte.
Anfangs wurden ETFs vor allem genutzt, um sich in Marktbereichen zu engagieren, die Einzelanlegern bisher verschlossen waren (typischerweise Rohstoffe wie Öl und Gold) sowie in großen globalen Aktienindizes. Im Laufe der Zeit wurden börsengehandelte Fonds jedoch auch zu einer immer glaubwürdigeren Option für diejenigen, die sich für Allokations- und insbesondere Anleiheanlagen interessieren, insbesondere für die Kernkomponente.
Rentenfonds werden passiv, schließen sich dem ETF-Boom an
Betrachtet man die einzelnen Anlageklassen genauer, so ist das Gewicht des passiven Managements überall gestiegen. Bei den Rohstoffen, die von Instrumenten wie ETCs dominiert werden, ist der Anteil von 83% passiver Anlagen nicht überraschend. Aber das Wachstum der Indexkomponente bei Aktien- und insbesondere Rentenfonds bestätigt eine klare Präferenz der Anleger.
Der Vergleich zwischen dem organischen 10-Jahres-Wachstum passiver und aktiver Fonds fällt auf jeden Fall zugunsten der Erstgenannten aus, und besonders stark zwischen Aktien (7% vs. 154%) und Anleihen (52% vs. 328%).
Schauen wir uns also genauer an, welche Morningstar-Kategorien (Aktien und Anleihen) von passiven Strategien dominiert werden:
Globale Schwellenländer-Aktienfonds sind ein aktuelles Beispiel. Hier verzeichnete die passive Komponente ein 10-jähriges organisches Wachstum von 253% gegenüber -7% bei aktiven Fonds. Oder schauen wir uns die Aktienfonds im Energiesektor an, wo der Anteil der passiven Mittel von 19 % Ende 2014 auf 57 % Ende 2023 anstieg.
Ein weiterer interessanter Fall, der in der Tabelle nicht enthalten ist, betrifft einen Bereich, der traditionell von aktiven Stockpickern dominiert wird, nämlich die Small-Cap-Aktienfonds in den USA, bei denen das passiv verwaltete Vermögen im gleichen Zeitraum von 9 auf 27 % anstieg.
Selbst innerhalb des festverzinslichen Universums gibt es Kategorien, die von börsengehandelten Fonds dominiert werden. Beispiele sind ETFs für US-Staatsanleihen oder britische Staatsanleihen. Ebenfalls erwähnenswert sind hier globale Rentenfonds, bei denen der passive Anteil in den letzten 10 Jahren von 11 auf fast 50% des Gesamtvermögens gestiegen ist. In einer wichtigen Kategorie wie den Euro-Staatsanleihen werden 41% des Vermögens von Trackern verwaltet (gegenüber 29% vor etwa 10 Jahren).
ETFs legen zu, aber aktive Manager reagieren
An dieser Stelle ist es jedoch wichtig, eines klarzustellen: In dieser Analyse haben wir es mit aggregierten Daten zu tun und ziehen daher allgemeine Schlussfolgerungen. Obwohl unser Aktiv-Passiv-Barometer seit Jahren zeigt, dass die Mehrheit der aktiven Manager nicht in der Lage ist, ihre Benchmark zu schlagen, wäre es falsch, die obigen Zahlen als Empfehlung zu verstehen, "immer passiv zu investieren". Oder zu denken, dass aktives Management dazu bestimmt ist, zu verschwinden - insbesondere bei bestimmten Anlagearten.
Die (wenigen) guten aktiven Manager werden immer in der Lage sein, einen Mehrwert für die Anleger zu schaffen. Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass es schwierig ist, den Markt mittel- bis langfristig zu schlagen, und dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Manager zu identifizieren, die in dieser speziellen Kategorie tatsächlich Alpha generieren können.
Wie meine Kollegin Johanna Englundh in diesem Artikel gut erklärt hat, wäre eine Welt ohne aktive Manager langweilig und vielleicht sogar gefährlich.