Chinesische Aktien steigen, dann stürzen sie ab — Was kommt jetzt?

Finanzielle Anreize lösten einen kurzzeitigen Aufschwung bei chinesischen Aktien aus, und die Anleger hoffen nun, dass die Regierung in Peking weitere Maßnahmen ergreift

Christopher Johnson 18.10.2024
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China

Investoren in China fragen sich möglicherweise, ob chinesische Aktien das Jahr auf einem Hoch beenden oder ob sie weiterhin mit Widrigkeiten zu kämpfen haben.

Ende September kündigte die chinesische Zentralbank die drastischsten Konjunkturmaßnahmen seit der Pandemie an und senkte die Kreditkosten, um den kränkelnden Immobilienmarkt anzukurbeln.

Die Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität des Aktienmarktes führten zu einem Aufschwung der inländischen Aktien, wobei der chinesische CSI 300 Index und der Hang Seng in Hongkong eine rasante Rallye erlebten. Das wirkte sich auch auf China-exponierte Aktien wie europäische Luxuswerte aus.

Der Überschwang hielt jedoch nicht lange an, weil die Frage aufkam, was die Regierung in Peking als nächstes zu tun gedenkt. Chinesische Aktien erlitten am 9. Oktober enorme Verluste, wobei der CSI-300-Index um 7,1% fiel und damit den größten Einbruch an einem Tag seit 2020 verzeichnete.

Alle Augen sind nun auf das Finanzministerium gerichtet, das Einzelheiten zu zusätzlichen Hilfen bekannt geben wollte, um das Vertrauens der Verbraucher und Unternehmen zu stärken - sich bei einer Pressekonferenz letzten Samstag (12. Oktober) aber weitgehend bedeckt hielt.

Erwarten Sie mehr Volatilität bei chinesischen Aktien

Nicolò Bragazza, stellvertretender Portfoliomanager bei Morningstar Investment Management, meint, dass nach einer so starken Marktentwicklung ein Rückschlag zu erwarten sei.

„Die Rallye wurde von einer deutlichen Veränderung der Marktstimmung getrieben, die sich nach der Ankündigung neuer Unterstützungsmaßnahmen auf einem sehr niedrigen Niveau befand“, sagt er.

„Ein Beispiel dafür, wie gedrückt die Stimmung in China war, ist die Entwicklung der chinesischen Aktien während des Ausverkaufs Anfang August: Chinesische Aktien bewegten sich kaum, und der Grund dafür waren die bereits sehr niedrigen Bewertungen“.

Weil der Markt auf mehr Klarheit zu den Auswirkungen künftiger politischer Maßnahmen wartet, schließt Bragazza nicht aus, dass eine erhebliche Volatilität erneut für starke Stimmungsschwankungen sorgen wird.

„Die Rolle der Fiskalpolitik ist besonders wichtig, nicht nur, weil die Anleger ihr große Aufmerksamkeit schenken, sondern auch, weil bilanzielle Rezessionen diese Art von Unterstützung benötigen, da sich die Geldpolitik ohne eine Koordinierung mit der Fiskalpolitik als wenig wirksam erweisen könnte.“

„Wenn die Regierung enttäuscht, könnte es zu einem weiteren Rückschlag bei chinesischen Aktien kommen, aber wir glauben, dass die langfristigen Gründe für solche Positionen intakt bleiben, da sie hauptsächlich durch die starke Entkopplung zwischen den Fundamentaldaten der Unternehmen und ihren Bewertungen bedingt sind“, sagt er.

Was trieb die Aktienrallye an?

Die Hausse, die dem chinesischen Aktienmarkt nach Jahren der Stagnation zu einem Höhenflug verhalf, wurde durch die Ankündigung verschiedener politischer Maßnahmen durch die chinesischen Behörden ausgelöst, darunter eine Senkung der Hypothekenzinsen für Hausbesitzer und zusätzliche Liquidität für Aktienkäufe für Wertpapierfirmen und Vermögensverwalter.

„Was sich in den letzten zwei bis drei Wochen entwickelt hat, ist eine Veränderung des Narrativs. Es handelt sich eher um eine Stimmungsumschwung-Rallye, weil die politischen Entscheidungsträger schließlich kapitulierten und das politische Narrativ dahingehend änderten, dass es viel wachstumsfreundlicher und stimulierungsorientierter wurde“, sagt Jerry Wu, Manager des Polar Capital China Stars Fund, der ein Morningstar Medalist Rating von Silber hat.

„Aber viele der Veränderungen sind bereits verdaut worden. Viele der Bewertungen sind sehr schnell und in kurzer Zeit erfolgt. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Politik aktiv werden muss“, fügt er hinzu. Wu ist der Ansicht, dass die chinesischen Behörden nach wie vor spürbare fiskalische Anreize schaffen müssen, um die Deflation und die schwache Verbraucherstimmung im Land zu bekämpfen.

„Wir sind zuversichtlich, dass die vor einigen Wochen vollzogene Kehrtwende bedeutet, dass die chinesische Regierung entschlossen ist, aus dieser Abwärts- und Deflationsspirale herauszukommen."

In diesem politikgesteuerten Markt ist Wu zuversichtlich, dass die Ankündigungen vom Samstag zu einem weiteren Aufschwung für chinesische Unternehmen führen werden. Allerdings misst er der chinesischen Politik gegenüber Verbrauchern und Immobilienbesitzern große Bedeutung bei, um einen nachhaltigen Wirtschafts- und Börsenaufschwung zu gewährleisten.

„Der Grund, warum das Vertrauen der Verbraucher sehr gering ist, liegt darin, dass sich ihre Bilanzen verschlechtern. 60% der chinesischen Bevölkerung hält Vermögen in Immobilien. In den letzten 2 bis 3 Jahren jedoch sind die Immobilienpreise in China insgesamt um 30% bis 40% gesunken."

„Wenn also 60% der eigenen Bilanzsumme sinken und man kein Ende der Preiskorrekturen sieht, wird man nichts ausgeben, selbst wenn man eine Menge Ersparnisse auf dem Bankkonto hat“, sagt Wu.

Was wollen Investoren in China sehen?

Sharukh Malik, Portfoliomanager des mit Bronze bewerteten Guinness China A Share Fund, begrüßt die geldpolitischen Initiativen des chinesischen Staates, ist jedoch der Ansicht, dass die Unterstützung der Verbraucher Vorrang haben sollte, weil sie in der Vergangenheit vernachlässigt wurde.

„Wenn die Regierung versuchte, der Wirtschaft zu helfen, hat sie zuerst versucht, den Unternehmen zu helfen und nicht direkt den Verbrauchern. Vor ein paar Monaten wurde ein Tauschprogramm angekündigt, das etwa $21 Milliarden umfasst. Wenn Sie eine alte Waschmaschine oder einen alten Fernseher haben, können Sie diese eintauschen und einen Zuschuss für den Kauf eines neuen Gerätes erhalten“, sagt er.

Trotz der Unterstützung für das Umtauschprogramm macht die Summe im Vergleich zu den Einzelhandelsumsätzen des letzten Jahres nur 0,3% aus. Malik ist der Meinung, dass das Paket erheblich ausgeweitet werden muss.

„Es gibt noch andere Möglichkeiten, die Verbraucher zu unterstützen, so sind etwa Konsumgutscheine relativ neu. Die Regierung gibt Bargeld aus, das man in Restaurants, Hotels und Kinos ausgeben kann. In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass Shangai $71 Millionen an seine Einwohner verteilte. Das hört sich nach viel an, aber im Vergleich zu den Einzelhandelsumsätzen ist es wirklich winzig“.

Malik glaubt, dass die Regierung ihre Unterstützung ausweiten wird, indem sie Staatsanleihen ausgibt, die es ihr ermöglichen, Kapital für ein größeres Tauschprogramm und ein „Abwrackprämienprogramm“ zu beschaffen, das es der Öffentlichkeit sogar ermöglichen könnte, Gebrauchtwagen gegen eine Pauschalsumme einzutauschen, um den Kauf von Elektrofahrzeugen zu fördern.

„Was sie bisher getan haben, ist sinnvoll, aber es muss ausgeweitet werden. Und natürlich weiß niemand wirklich, was sie tun werden. Wird es morgen oder nächste Woche bekannt gegeben? Aber ich kann den Weg zum Wachstum sehen, weil die Regierung das in ihren Erklärungen deutlich macht“, fügt Malik hinzu.

Ist China das nächste Japan?

Sandy Pei, Portfoliomanagerin des mit Bronze bewerteten Federated Hermes China Equity Fund, ist der Ansicht, dass alle fiskalischen Stimulierungsschritte vor allem die chinesische Deflation bekämpfen müssen, um zu verhindern, dass das Land in die Fußstapfen Japans tritt.

„Warum kaufen die Menschen immer noch nicht? Weil sie kein Vertrauen haben. Wenn man das Vertrauen zurückgewinnt, funktioniert die Wirtschaft von allein“, sagt Pei.

Pei verweist auf den japanischen Immobilienmarkt, wo Renditen von 20% noch immer keine neuen Käufer anlocken, die sich über die Preisschwäche auf dem Wohnungsmarkt Sorgen machen.

„Weil sie es schon so lange erlebt haben, glauben die Menschen in Japan nicht, dass die Immobilienpreise jemals wieder steigen können. Und das ist sehr gefährlich.“

Pei ist der Ansicht, dass die chinesischen Behörden so bald wie möglich handeln müssen, um sicherzustellen, dass der Konsum ein stärkerer Motor für das Wirtschaftswachstum im Land wird.

Welche chinesischen Aktien sollte man im Auge behalten?

„Bisher wurde die zweiwöchige Rallye von Privatanlegern und passiven Käufen angetrieben“, sagt Pei.

Eine Aktie, die Peis Portfolio während der Rallye Auftrieb verlieh, war das digitale Broker- und Vermögensverwaltungsunternehmen Futu Holdings. Im Jahresverlauf stieg sein Aktienkurs um 114% auf $110.

„Sein Geschäft ist von Natur aus fremdfinanziert, und deshalb steigen ihre Erträge exponentiell, weil das Handelsvolumen so stark gestiegen ist. Es wurden so viele neue Konten eröffnet, das ist verrückt. Im Grunde genommen ist das, was vorher schlecht lief, gut gelaufen, und die Broker profitieren von den Marktbewegungen.“

Pei erlebte zudem, dass während der Rallye ihre Investments in Bier- und Molkerei-Unternehmen stiegen, weil der Markt eine mögliche Erholung der Verbraucher einpreist.

Sharukh Malik wiederum sah viele der obskureren Namen in seinem Portfolio von der Rallye profitieren.

Der Hersteller JingSheng Mechanical, das Unternehmen Sino Wealth, das Chips für Konsumgüter herstellt, und der Hersteller von Industrieautomaten Shenzhen Innovision Technology legten während der Hausse in China zu.

„JingSheng gehörte in den letzten zwölf Monaten zu den schwächeren Werten, hat sich aber in dem risikofreudigen Umfeld stark erholt, obwohl diese Art von Aktien nicht das größte Exposure für eine Erholung darstellt“, sagt er.

„Sino Wealth stellt Basischips für Unterhaltungselektronik und Anwendungen für das Laden von Batterien her. Wenn die Verbraucher Geldgeschenke bekommen, werden sie mehr Unterhaltungselektronik kaufen“.

„Shenzhen Innovision Technology ist ein interessantes Unternehmen, und die Aktie hat in den letzten Handelstagen 35% zugelegt. Die Idee ist, dass die nachgelagerten Verbraucher von der Regierung subventioniert werden, um ihre Geräte aufzurüsten.“

Die zehn größten Werte im Morningstar China Index verzeichneten ebenfalls einen Anstieg ihrer Gesamtrendite, wobei JD.com (JD), PDD Holdings (PDD) und Meituan (9MDA) mit einer Gesamtrendite von 56,58%, 55,26% und 51,56% im letzten Monat die Spitze bildeten.


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Über den Autor

Christopher Johnson  ist Datenjournalist bei Morningstar