Der Fluch des Erfolgs
Keine Einschränkungen für den Fondsmanager?
Der Fonds unterliegt nach Angaben Fidelitys keinen Anlagebeschränkungen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn das Fondsvolumen alleine ist eine hohe Hürde für den Fondsmanager. Wenn ein Fonds zu stark anwächst, verliert er die Möglichkeit, aus Small und Mid Caps bedeutende Performancebeiträge zu ziehen. Clapp war in europäische Nebenwerte engagiert, mit Blick auf das April-Portfolio mit 35% der Anlagesumme. Von der relativen Outperformance der Nebenwerte seit nunmehr sechs Jahren hätte der Fonds stärker profitieren müssen.
Insgesamt 224 Aktien kaufte Clapp im April 2006 in den Fonds, in der Spitze hielt er sogar 270 Aktien. Die zehn größten Werte machten nur 23% der Holdings aus. Aber was bedeuten diese scheinbar abstrakten Werte für einen im April 24 Mrd. Euro schweren Fonds?
Eigentlich kann ein Fondsmanager dieses Volumen nur in europäische Blue Chips investieren. Der Fonds ist einfach zu groß, um sich in europäische Nebenwerte einzukaufen. Der Auf- oder Abbau einer Position kann bis zu mehreren Wochen dauern. Zumal eine interessante Aktie auch die Aufmerksamkeit anderer Fidelity-Fondsmanager findet, die Mid oder Small Cap Mandate managen. Letztendlich kommen alle Investmentideen aus dem gleichen Researchpool von Analysten.
Marktmacht und Einfluss
Das Fondshaus Fidelity hält aktuell an 23 deutschen Aktiengesellschaften mehr als 5%. Darunter fallen vorwiegend deutsche Mid and Small Caps wie Wincor Nixdorf, Solarworld oder Deutz. Der European Growth Fund hatte 163 Aktienpositionen, die ein Portfoliogewicht von weniger als einem halben Prozent hatten. In der Konsequenz heisst dies für einen Europafonds mit Nebenwerten als starke Beimischung: Wer 500 000 Porsche Aktien hält, kann diese nun mal nicht einfach verkaufen – das dauert.
Anders sieht es da mit Blue Chips aus. Trotzdem, die Marktmacht des weltweit größten Aktienfondshauses bleibt: Im April hielt Clapp 2,5 Millionen Allianz Aktien, was eine Gewichtung im Portfolio von 1,4% ausmachte (Wert der Position 335 Mio. Euro). Seine Fidelity Fondsmanager Kollegen verbuchten in den Sommermonaten weitere 5 Mio. Allianz Aktien in ihren Fonds (institutionelle Mandate nicht eingerechnet). Der Münchner Versicherer hat 400 Mio. Anteilsscheine emittiert.
Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen für den Versicherer beträgt 3 Mio. Aktien auf Xetra. Der Ein- oder Ausstieg in einen Wert dieser Größenordnung ist in ein paar Handelstagen möglich. Optimalerweise treffen nicht alle Fidelity-Manager die gleiche Entscheidung und der Einfluss eines Positionsauf- oder -abbaus hält sich in Grenzen (Engl. market impact). Dennoch bleibt eine Frage: Selbst wenn ein Fondsmanager in seiner Investmententscheidung richtig liegt, welchen Einfluss können 1,4% auf die Gesamtperformance eines Fonds haben? In der Rangfolge der Holdings steht die Allianz nur an 14. Stelle.
Größe ist eine globale Herausforderung für Fidelity
In der Palette Fidelitys ist der European Growth kein Einzelfall. Auch die US Fonds Magellan und Contrafund oder der von Anthony Bolton gemanagte UK Special Situations haben dank solider Anlageergebnisse signifikante Zuflüsse verbuchen können. Der UK Special Situations wurde in zwei Fonds gesplittet, wobei der eine in britische Aktien und der andere in globale Aktien investiert. Ein Unding, denn der Fondssparer hatte sich für einen UK-Fonds entschieden. In den USA hatte sich Fidelity immerhin 1997 zu einer ersten Schließung des Magellan durchringen können. Auch für Europäer wird es Zeit, die imposanten Namen, Firmenpolitik und hohen Gebühren im Asset Management zu hinterfragen.