Infrastruktur – ein breites Feld
Mit Infrastruktur wird gemeinhin alles umschrieben, was Gesellschaft und Wirtschaft zum Funktionieren brauchen. Dies fängt an beim Transport (Straßen, Häfen, Flughäfen, Schienennetz) und geht über die Energie- und Wasserversorgung bis zu Kommunikationssystemen (Telekommunikation, Rundfunk, Kabel) und sozialen Dienstleistungen wie Krankenhäusern oder Schulen. Traditionell ist die Infrastruktur in der Hand des Staa
tes. In den letzten Jahren hat sich dies geändert. Der private Sektor spielt bei der Finanzierung und beim Management eine immer wichtigere Rolle. Hier kommt nun auch Infrastruktur als Anlagemöglichkeit ins Spiel. Wer sich an Infrastrukturprojekten beteiligt, spekuliert auf Wertsteigerungen, aber insbesondere auch auf die laufenden Einnahmen aus deren Betrieb. Für die Anlage stehen verschiedene Wege offen.
Wie in Infrastruktur investieren?
Anfangs investierten Anleger vor allem über geschlossene Fonds, die die eingesammelten Gelder direkt in Infrastrukturprojekte anlegen. Kein einfacher Weg für den normalen Privatanleger, denn das eingezahlte Geld ist langfristig gebunden und generell sind hohe Mindestanlagesummen vorgesehen.
Daneben besteht die Möglichkeit, die Aktien von börsennotierten Unternehmen zu erwerben, die Infrastrukturanlagen bauen und betreiben. Im Englischen spricht man von „Listed Infrastructure“. Solche Gesellschaften stehen auch im Fokus der nun verstärkt neu auf den Markt kommenden Infrastrukturaktienfonds. Wer Anteile eines solchen Fonds besitzt, engagiert sich damit vor allem in Versorgern, Industrie- und Rohstoffwerten sowie Kommunikationsdienstleistern. Daher sollten Anleger bedenken, dass es zu Überschneidungen mit bestehenden Investments kommen kann, wenn bereits Fonds mit Spezialisierung auf die genannten Branchen im Depot vertreten sind.
Charakteristika
Welche Eigenschaften sind typisch für Infrastrukturinvestments und was macht sie in den Augen mancher Marktteilnehmer zu einer eigenen Anlageklasse?
Generell hat man es bei Infrastruktur mit Vermögenswerten zu tun, die eine sehr lange Lebensdauer besitzen. Meist operieren Infrastrukturbetreiber in einem monopolistischen Umfeld, in dem es wenig Konkurrenz gibt. Wo ein Hafen ist, gibt es in der Regel (zumindest in der Nähe) keinen zweiten. Sofern es doch Wettbewerb gibt, sind die Markteintrittsbarrieren angesichts enormer Anfangsinvestitionen sehr hoch.
Infrastrukturbetreiber bieten Dienstleistungen, die für die Gesellschaft mehr oder weniger essentiell sind. Die Nachfrage nach Infrastruktur ist daher relativ stabil und weniger dem Auf und Ab des Konjunkturzyklus ausgesetzt als bei normalen Wirtschaftsgütern. Größere Relevanz haben hier das strukturelle Wachstum einer Wirtschaft und demographische Trends. Dort, wo die die Bevölkerung wächst, zunehmend in die Städte zieht oder die Industrialisierung an Fahrt gewinnt, werden hohe Investitionen erforderlich. Bestes Beispiel sind China oder Indien.
Aufgrund ihres Monopolcharakters und der Bedeutung für die Gesellschaft stehen Infrastrukturbetreiber in vielen Fällen unter enger staatlicher Aufsicht und Regulierung. Die Einnahmenströme können an die Preissteigerungsrate gekoppelt sein, was eine gewisse Inflationssicherheit verspricht.
Was macht Infrastrukturinvestments attraktiv?
Aus den oben genannten Gründen – Monopolstellung, stabile Nachfrage, Regulierung und lange Lebensdauer - versprechen Infrastrukturanlagen langfristige, stetige und berechenbare Einnahmen. Wenn die Anfangsinvestitionen erst einmal getätigt sind, fallen die laufenden Betriebskosten vergleichsweise niedrig aus.
Die geringe Abhängigkeit vom Konjunkturzyklus spricht für Diversifikationsmöglichkeiten. Betrachtet man Indizes, die die Wertentwicklung globaler Infrastrukturaktien abbilden, so bewegten sie sich über einen mehrjährigen Zeitraum nicht im Gleichlauf mit den breiten Aktienmärkten. (Allerdings ist durch die Börsennotierung kaum zu erwarten, dass sich Infrastrukturaktien vom allgemeinen Markttrend jemals wirklich lösen könnten.)
Der Infrastrukturausbau wird in vielen Teilen der Welt, insbesondere in den Schwellenländern, forciert. Aber auch in etablierten Märkten sind steigende Ausgaben dadurch bedingt, dass eine veraltete Infrastruktur in Stand gesetzt oder erneuert werden muss. Wie marode viele Anlagen sind, führte etwa der Einsturz einer achtspurigen Brücke in Minneapolis vor Augen.
Nicht zuletzt wechseln verstärkt Infrastrukturprojekte aus der öffentlichen in private Hände, was ebenfalls für mehr Investitionsmöglichkeiten sorgt.
Jede Menge Gründe also, die für ein Infrastrukturinvestment sprechen und dem Anleger in bunten Fondsbroschüren wortreich ausgemalt werden. Doch wo Vorteile sind, gibt es leider immer auch Nachteile. Nicht jedes Infrastrukturprojekt ist ein Selbstläufer. Man denke an den Eurotunnel, dessen Betreibergesellschaft nahe an der Pleite vorbeischrammte, bevor in diesem Jahr eine Umschuldung gelang.
Wo liegen die Fallstricke?
Staatliche Regulierung bedeutet zwar einen gewissen Schutz und stabile Einnahmen, kann sich aber auch darin äußern, dass Aufsichtsbehörden Preise festsetzen und -obergrenzen definieren. Sie können sich auch dazu berufen fühlen, Tarifsenkungen durchzusetzen. Was dem Verbraucher entgegenkommt, ist dem Betreiberunternehmen schon weniger willkommen. Auch ist die politische Aufsicht in manchen Ländern weniger berechenbar als in anderen. So manches Unternehmen musste feststellen, dass die politischen Unwägbarkeiten in Schwellenländern deutlich höher sind als auf dem Heimatmarkt.
Infrastrukturprojekte werden zudem stark fremdfinanziert. Entsprechend wichtig sind die Refinanzierungsbedingungen und das allgemeine Zinsumfeld.
All diese Besonderheiten führen dazu, dass Infrastrukturaktien in ihrem Risikoprofil irgendwo zwischen Anleihen und „klassischen“ Aktien angesiedelt werden. Sie versprechen Wertsteigerungspotential gekoppelt mit guten laufenden Einnahmen.
Nicht unentdeckt
Auch wenn das Thema derzeit als Fondsneuheit angepriesen wird: Unentdeckt geblieben sind Infrastrukturaktien nicht. Der S&P Global Infrastructure Index bildet die Wertentwicklung von 75 Aktien ab und legte auf Sicht der letzten 5 Jahre um 14% p.a. zu. Zum Vergleich: der MSCI World kommt in diesem Zeitraum auf 9% pro Jahr.
Viel Geld ist also bereits in den Sektor geflossen, was nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage den Preis nach oben und die Rendite nach unten treibt. Die Bewertungen dürften generell nicht mehr besonders günstig sein. Wenn überhaupt sollte man sich auf eine geringe Depotbeimischung beschränken und einen langen Anlagehorizont mitbringen – zumal so manche Infrastrukturfonds auch eine regionale Beschränkung aufweisen. Im Zweifel ist man in einem globalen Aktienfonds besser aufgehoben. Auch hier kann das Fondsmanagement auf Infrastruktur setzen, sofern es aussichtsreich erscheint.
Fondsbeispiele
Die meisten Infrastrukturfonds sind noch relativ neu und weisen damit keine aussagekräftige Historie auf.
Der im Frühjahr 2006 aufgelegte Clariden Leu (Lux) Infrastructure Fund ist noch einer der älteren Fonds dieser Gruppe. Der Fokus liegt auf Kapitalwachstum. Traditionelle, staatlich regulierte Infrastrukturunternehmen finden sich im Portfolio zwar auch, doch interessanter finden die Fondsmanager diejenigen Gesellschaften, denen der Ausbau der Infrastruktur zugute kommt. Daher überrascht es nicht, dass rund die Hälfte des Portfolios auf die Schwellenmärkte entfällt. Viele Aktien platzieren sich in der Morningstar Style Box im Growth-Feld – eher teuer bewertete Unternehmen, denen Analysten aber auch ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum voraussagen. Branchenseitig sind Versorger, Industriewerte, Telekom (insbesondere Mobilfunk) und Rohstofftitel am stärksten vertreten, darunter viele Werte mit mittlerer und geringer Marktkapitalisierung. Versorger wie E.ON und Veolia oder große Rohstoffkonzerne (CVRD) dürften den meisten bekannt sein. Unter den zehn größten Positionen finden sich aber auch weniger geläufige Namen wie der kanadische Düngemittelhersteller Potash Saskatchewan oder das brasilianische Wohnungsbauunternehmen Rossi Residencial. Die höchste Korrelation wies der Fonds bisher mit der Morningstar Aktienkategorie „Industriematerialien“ auf (0,89; Basis 1 Jahr). Diese Kategorie beinhaltet Fonds mit Schwerpunkt auf Rohstoff- und Industriewerten. Der Zeitraum von einem Jahr ist zwar noch nicht sehr aussagekräftig. Allerdings wird deutlich, dass Anleger, die bereits einen entsprechenden Branchenfonds ihr Eigen nennen, die Risikodiversifizierung mit Infrastruktur kaum verbessern konnten. Branchenfonds haben außerdem ihren Preis. Dieser beläuft sich für den Clariden Leu (Lux) Infrastructure Fund auf 2% pro Jahr (Managementgebühr) bzw. 2,36% (aktuellste Gesamtkostenquote).
Der Invesco Asia Infrastructure Fund verbindet die thematische mit einer regionalen Fokussierung. Die Fondsgesellschaft verweist auf den starken Schub, den der Infrastrukturausbau insbesondere in Asien erfahren dürfte. China, Indien und Australien sind die wichtigsten im Portfolio vertretenen Märkte, Japan bleibt außen vor. Australien gilt als einer der Pioniere im Infrastruktursektor.
Die Branchenstruktur ist weniger breit gefasst wie im global aufgestellten Clariden Leu Portfolio. Die Hauptrolle spielen Industriewerte (knapp die Hälfte des Fondsvermögens), etwa vertreten durch den indischen Maschinenbauer Bharat Heavy Electricals oder den Bauwert China Communications Construction. Auch in diesem Portfolio zeichnen sich die Unternehmen generell durch hohe Erwartungen beim Ertragswachstum aus, sind allerdings auch nicht besonders günstig bewertet (Growth-Stil). Seit Auflage Mitte 2006 hat das Management den Fonds zunehmend in Richtung großkapitalisierter Aktien umpositioniert.
Der Fonds unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung zwar deutlich von einem typischen Asienportfolio oder auch dem regionalen Referenzindex MSCI AC Asia Pacific ex Japan, weist aber mit beiden seit Bestehen eine hohe Korrelation auf. Auch hier war (zumindest für diesen kurzen Zeitraum) das Risikostreuungspotential gegenüber einem breiten Asienfonds begrenzt. Die Verwaltungsgebühr beläuft sich auf 1,5% pro Jahr.
Günstiger zu haben ist da schon der iShares FTSE/Macquarie Global Infrastructur 100 (Gesamtkostenquote 0,65%). Der börsengehandelte Indexfonds bildet die Wertentwicklung der weltweit größten Infrastrukturunternehmen nach. Dies bedeutet allerdings auch, dass Anleger damit sehr stark in die großen, etablierten Versorgerkonzerne investieren, was bereits an den 10 größten Positionen abzulesen ist. Die höchsten Gewichtungen entfallen auf E.ON, Suez, Iberdrola und ENEL. Aktiv gemanagte Fonds bieten im Vergleich die größere Branchenvielfalt und mehr Zugang zu Emerging Markets Aktien sowie den kleinen und mittleren Unternehmen des Infrastruktursektors.