Die Kapitalmärkte spielen in diesen Tagen das Lied der Konjunkturerholung. Auch wenn die politischen Entscheidungsträger in Europa nach wie vor um eine Lösung der Schuldenkrise ringen, zeigen die Erholungstendenzen an den Aktienmärkten, dass die Akteure an den Märkten davon ausgehen, dass die Kernschmelze im globalen Finanzsystem verhindert werden kann. Bereits seit einigen Tagen sind die Aktienkurse im Aufwind; zuletzt haben die Optimisten zusätzlichen Rückenwind durch Konjunkturdaten aus den USA erhalten. So fiel etwa der Anfang des Monats vorgelegte ISM-Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe besser aus als erwartet.
Wir sind allerdings skeptisch, dass die europäische Politik eine gleichermaßen schnelle wie umfassende Lösung der Schuldenproblematik für den Kontinent finden kann. Auch wenn die wiederholten Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Notwendigkeit, schnell zu handeln, darauf hindeuten, dass die Politik den Ernst der Lage erkannt hat, ist nach wie vor nicht erkennbar, wie und wann die Entscheidungsträger über die deklaratorische Ebene hinauskommen werden. Den regulatorischen Instanzen wurden bisher keine konkreten Beschlussfassungen vorgelegt, geschweige denn den nationalen Gesetzgebungsinstanzen Pläne zur Abstimmung vorgelegt. Auch wenn die Kapitalmärkte heute der Politik einen Vertrauensvorschuss gewähren, erwarten sie natürlich unverändert schnelle und entschiedene Reformschritte.
Es mehren sich indes die Hinweise, dass die Schuldenkrise in Europa sich eher verschärft. So hat Anfang des Monats die Rating-Agentur Moody´s das Rating für italienische Staatsanleihen gleich um drei Stufen von Aa2 auf A2 gesenkt. Die Dimension dieser Herabstufung ist erstaunlich, selbst dann, wenn man sich die Rating-Praxis bei Unternehmensanleihen vergegenwärtigt. (Theoretisch sollten Veränderungen in den Ratings von staatlichen Emissionen weniger volatil verlaufen als bei Unternehmensanleihen!) Schlimmer noch: Moody´s hat bereits angekündigt, dass auch andere europäische Staaten unterhalb der Rating-Stufe „AAA“ mit Herabstufungen rechnen können.
Ein weiterer Hinweis auf die eher prekäre Lage in Europa ist die beschlossene Zerschlagung und Verstaatlichung der Großbank Dexia, die in ihre jeweiligen belgischen und französischen Aktivitäten zerlegt wird. Auch wenn wir mit einer anstehenden Rekapitalisierung von Dexia gerechnet haben, scheint diese Zuspitzung der Lage bei Dexia viele Marktteilnehmer überrascht zu haben.
Nicht zuletzt hat die Europäische Zentralbank (EZB) in Gestalt ihres Ende Oktober aus dem Amt scheidenden Präsidenten Jean-Claude Trichet vor verstärkten systemischen Risiken gewarnt. Auch wenn die EZB auf ihrer jüngsten Sitzung die Leitzinsen unverändert ließ, zeigt die Öffnung der Schleusen für weitere Liquiditätsfazilitäten, dass der Druck auf die Banken weiter zunimmt.
Diese Signale bestärken unsere bisherige Linie, die wir im Morningstar Bond Strategist vom 23. Mai 2010 dargelegt haben, in zweierlei Hinsicht: Zum einen ziehen wir unverändert Unternehmensanleihen Staatsanleihen vor. Zum anderen sind wir unverändert der Meinung, dass sich die US-Kreditmärkte besser entwickeln werden als die in Europa. Auch wenn die Fundamentaldaten der von unserem Research abgedeckten Unternehmen in Europa nach wie vor prinzipiell solide aussehen, räumen wir amerikanischen Unternehmensanleihen so lange bessere Chancen ein, bis sich die europäische Politik dazu durchringt, einen konkreten Fahrplan für die Stabilisierung der prekären gesamtwirtschaftlichen Lage vorzulegen. Es erscheint allerdings fraglich, ob dies kurzfristig passieren wird.