Es hat ein neues Jahr begonnen, und mit dem Jahreswechsel schlagen auch viele Anleger ein neues Investment-Kapitel auf. Es ist die Zeit der Neujahrsvorsätze, die die Fehler der Vergangenheit vergessen lassen sollen. In diesem Sinne starten wir heute eine wöchentliche Artikelreihe, die Investoren helfen soll, häufig begangene Fehler bei der Geldanlage zu vermeiden. Wir geben eine Einführung in die Verhaltensökonomie und zeigen Ihnen die Erkenntnisse aus dieser aufstrebenden Forschungsrichtung. Investoren, die ihre Kenntnisse vertiefen wollen, finden in den Artikeln Links auf weiterführende Literatur. Heute erfolgt eine kurze Einführung in die Materie.
Die heilsame Wirkung der ETP-Industrie auf das Anlegerverhalten
In den vergangenen Jahren haben Investoren immer mehr Gefallen an börsennotierten Indexprodukten (ETPs, steht für Exchange Traded Products) gefunden. Passive Anlagevehikel finden immer mehr Eingang in die Portfolios von Investoren. Gleichzeitig haben aktiv verwaltete Fonds an Popularität verloren. Die Ernüchterung der Investoren mit den Ergebnissen der aktiven Manager hat für ein Wachstum der passiven Produkte gesorgt, die einen Markt abbilden und nicht das Ziel haben, diesen zu schlagen. Mit diesem Rückenwind haben sich ETPs als das passive Investmentvehikel schlechthin entwickelt. Es bringt Anlegern zudem Vorteile, wie etwa geringe Kosten, Transparenz und hohe Liquidität. Diese Merkmale locken die Verfechter des passiven Investments. Allerdings bringen ETPs einen für Anleger weiteren positiven Aspekt mit sich.
Wenn ein Portfolio weniger aktiv verwaltete Produkte enthält, ist das auch ein Ausdruck des Umstands, dass Anleger ihre Portfolios um kognitive Verzerrungen bereinigen. Damit möchte ich nicht die aktiven Fondsmanager kritisieren, die das Ziel verfolgen, die Märkte, in denen sie agieren, zu übertreffen. Kognitive Dissonanzen gehören sogar zum Wesen des Menschen. Sie lassen sich nicht eliminieren. Wer in passive Produkte investiert, dürfte allerdings – bewusst oder unbewusst – sich für die systematische Reduzierung der kognitiven Dissonanzen in seinem Investmentprozess entschieden haben. Die Betonung liegt dabei auf ‚Reduzieren‘. Ein nach vollkommen objektiven ausgestaltetes Portfolio aufzubauen, dürfte kaum möglich sein! Wenn ein Investor sein Portfolio selbst konstruiert, ist er damit auch zugleich sein eigener Manager und damit den gleichen Verhaltensmustern ausgesetzt wie aktive Fondsmanager. Wer sich allerdings dieser Tücken bewusst wird, kann zumindest bessere, im Sinne von bewusstere Entscheidungen treffen als sich auf mehr oder weniger vage Outperformance-Hoffnungen zu stützen.
Einführung in die Verhaltensökonomie
Die Verhaltensökonomie liegt an der Schnittstelle zwischen klassischer Ökonomie und Psychologie. Die Anzahl der wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, die sich diesem Gebiet widmen, steigt stetig an. Diese Forschungsrichtung wird inzwischen für ihre Ergebnisse gelobt, weil sie einige Annahmen der neoklassischen Ökonomie, die auf dem Bild des rational handelnden Homo Oekonomicus fußt, auf den Kopf gestellt hat. Eine dieser weit verbreiteten Annahmen ist die Theorie des erwarteten Nutzens. Sie geht davon aus, dass individuelle Akteure - wie Sie und ich - rational handeln, wenn sie mit unvorhersehbaren oder risikoreichen Ereignissen konfrontiert werden. (Die Welt des Investierens ist nichts anderes als ein Handeln unter unsicheren Bedingungen!) Nach dieser Theorie werden die verschiedenen Wahlmöglichkeiten, die Investoren offen stehen, ermittelt, indem man die möglichen Auszahlungen mit der Wahrscheinlichkeit des Eintreffens dieser Auszahlung multipliziert. Der rationale Investor entscheidet sich dieser Logik folgend für die höhere Auszahlung. Ist diese Annahme in der Realität der Investoren korrekt? Tests haben erwiesen, dass dies nicht der Fall ist. Investoren handeln eben nicht so, wie es die konventionelle Wissenschaft voraussetzt.
Ein Beispiel soll das Dilemma der kognitiven Dissonanz verdeutlichen. Alternative A geht davon aus, dass eine 50%-ige Chance besteht, 1.000 Euro aus einem Investment zu vereinnahmen. Alternative B geht davon aus, dass eine 25%-ige Chance besteht, 2.000 Euro zu gewinnen. Für einen rationalen Investor wäre es gleich, ob er Alternative A oder B wählt, da das erwartete Ergebnis identisch ist, nämlich 500 Euro (0,50*1000 Euro = 0,25*2000 Euro = 500 Euro). Aber die Verhaltensökonomen haben die Grenzen der Nutzentheorie getestet und gezeigt, dass sie nicht immer zutrifft. Nehmen wir ein ähnliches Szenario: Investment-Alternative A bringt mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%, 1.000 Euro Gewinn (erwarteter Gewinn= 500 Euro), Alternative B bringt mit absoluter Sicherheit 450 Euro. Der rationelle Entscheider sollte sich immer für die Alternative A entscheiden. Aber ich, wie die meisten von Ihnen, würde die Alternative B bevorzugen, obwohl die erwartete Auszahlung geringer ist. Das ist eines der ersten Muster, das Verhaltensforscher entdeckt haben und den Grundstein für die Erwartungstheorie von Daniel Kahneman und Amos Tversky legte (lesen Sie hier weiter).
Als Ergebnis dieser und anderer Studien haben Verhaltensforscher folgende Annahme formuliert: Individuen verhalten sich nicht immer rational, wenn die zukünftigen Auszahlungen ungewiss sind. Da dieses Szenario für Investoren fast immer zutrifft, ist es wichtig, die typischen Verhaltensmuster von Anlegern zu kennen. In den nächsten Wochen werden wir genauer verschiedene dieser Muster analysieren. Wir hoffen, dass wir es Ihnen damit ermöglichen, kognitive Investment-Fallen zu umgehen.
Die heutige Einführung war kurz. Wir hoffen aber, damit Ihre Neugier geweckt zu haben. In der kommenden Woche nehmen wir die Erwartungstheorie genauer unter die Lupe und erklären, warum wir zu besseren Investoren werden können, wenn wir die Ergebnisse der Theorie befolgen lernen.