Im Schnitt lagen die Spreads des Morningstar Corporate Bond Index und des European Corporate Bond Index in der vergangenen Woche stabil bei plus 192 und plus 223. Es gab die Woche über kaum Schwankungen, und auch am Markt für Neuemissionen war es sehr ruhig. In den Quartalen zuvor hatte es einige Unternehmen gegeben, die nach Veröffentlichung ihrer Ergebnisse Bonds auf den Markt brachten. Dieses Quartal war das aber anders, so dass sich die Anleger ohne diese Ablenkung in aller Ruhe den Unternehmensbilanzen widmen konnten.
Im Großen und Ganzen fielen die von uns analysierten Ergebnisse wie erwartet oder sogar etwas besser aus. Bei den wenigen Unternehmen, die negativ überraschten, lag das offensichtlich an unternehmensspezifischen Gründen und weniger an einer generellen Verschlechterung des Gewinnwachstums. Viele Konjunkturdaten und -indikatoren, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden, waren dagegen schlechter als erwartet, vor allem Daten aus den USA. Aber obwohl sie unter den Schätzungen des Marktes lagen, sind wir der Meinung, dass sie auf ein langsames Wirtschaftswachstum hindeuten.
Mit Blick auf die Unternehmensgewinne und Fundamentaldaten der Bonds bleibt die Lage stabil oder bessert sich sogar etwas. Doch solange Unsicherheit herrscht, welche Folgen die europäische Schuldenkrise und das langsamere Wachstum der Schwellenländer auf den Anleihemarkt haben, stehen wir Unternehmensanleihen neutral gegenüber. Sollte sich die Lage in Europa verschlechtern, die Schwellenländer auf ein „hard landing“ zusteuern oder sich das Wachstum in den Vereinigten Staaten abschwächen, könnte das den Corporate-Bonds-Markt belasten und branchenübergreifend zu einer Ausweitung der Spreads führen. Sollten sich diese Sorgen aber in Luft auflösen, rechnen wir damit, dass sich die Spreads wieder einengen, denn die soliden Unternehmensergebnisse und positive Signale von Seiten der Charttechnik dürften zu einer stärkeren Nachfrage führen.
Dunkle Wolken über Europa und China
Die Konjunktur in Europa und einigen Schwellenländern hat sich weiter verschlechtert. Die Wahlen in Frankreich und Griechenland haben die von vielen Auguren befürchteten Ergebnisse zutage gebracht: Ein Sieg des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten zum einen, massive Einbußen bei den Parteien der Mitte zum anderen.
In Europa sieht es auch mit Blick auf die Konjunktur nicht gut aus: So sank der Einkaufsmanager-Index für das Verarbeitende Gewerbe auf 46 Punkte und gleich mehrere Länder teilten mit, sich nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit rückläufigen Wirtschaftswachstum nun offiziell in der Rezession zu befinden. Großbritannien wies für das erste Quartal, wie schon im Quartal zuvor, ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,2% aus. Das war schlechter als erwartet – Analysten hatten auf ein leichtes Plus von 0,1% gesetzt. Auch Spanien rutschte in die Rezession ab. Nach Angaben der spanischen Nationalbank dürfte das BIP von Januar bis März um 0,4% gesunken sein, nachdem schon im Quartal zuvor ein Rückgang von 0,3% verzeichnet wurde.
Wir erinnern uns: S&P hatte das Länderrating Spaniens um zwei Stufen herunter auf “BBB+“, mit weiterhin negativem Ausblick. Die Marktteilnehmer hatte das zwar zunächst kalt gelassen, da ein solcher Schritt offensichtlich bereits erwartet worden war. Schon seit längerer Zeit rentieren die spanischen Staatsanleihen auf einem Niveau, das eher einem niedrigen Rating entspricht. Die zehnjährigen spanischen Staatsanleihen gingen danach mit 5,88% aus der Woche, und der Spread zwischen den zwei- und den zehnjährigen Titeln betrug 260 Basispunkte. Zwar liegen die Langläufer damit 418 Basispunkte über den deutschen Staatsanleihen, aber die weite Spanne zwischen den spanischen Laufzeiten zeigt, dass die Marktteilnehmer nicht damit rechnen, dass es zu einem baldigen Default Spaniens kommt. Das Downgrade von S&P hat wohl eher Folgen für die spanischen Banken, deren Ratings ebenfalls abgestuft wurden.
Doch es gab in den vergangenen Wochen nicht nur schlechte Nachrichten aus Europa. So schaffte es Italien, am Markt Staatsanleihen mit langer Laufzeit zu platzieren. Die zehnjährigen Bonds Italiens rentieren bei 5,64% und damit klar unter der vielbeachteten Schwelle von 6% (ab diesem Niveau ist die Refinanzierung der Staatsschulden nach Einschätzung des Marktes nicht mehr möglich). Solange die Renditen italienischer und spanischer Staatsanleihen nicht aus dem Rahmen fallen, haben die Länder vielleicht genug Zeit, um die notwendigen Reformen für eine solide Ausgangslage umzusetzen und zurück auf einen Weg des Wirtschaftswachstums zu finden.
In China blieb der Einkaufsmanager-Index für das Verarbeitende Gewerbes unter der wichtigen Marke von 50 Punkten (was auf einen Rückgang hindeutet). Für Indien (wo erst vor zwei Wochen die Zinsen um 50 Basispunkte gesenkt wurden, um der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen) kamen schlechte Nachrichten von der Ratingagentur S&P: Sie setzte den Ausblick des Landes auf „negative“, womit möglicherweise eine Abstufung des Länderratings ansteht. Derzeit wird Indien von S&P mit “BBB-“ bewertet. Sollte das Rating weiter sinken – wofür die Chancen in den kommenden zwei Jahren laut S&P bei 1:3 stehen - würde das Land sein Investment-Grade verlieren und in die Kategorie Junk abrutschen.
Die EZB zeigte sich am Donnerstag von alldem unbeeindruckt: Sie beließ den Zinssatz für die Eurozone bei 1%. Sie wolle abwarten, welche Wirkung ihre jüngsten Geldspritzen für die Banken der Eurozone zeigten und ob sich die Kreditvergabe an die Privathaushalte und die kleinen bis mittelständigen Unternehmen verändere. Es wird allerdings einige Monate dauern, bis man die Folgen richtig abschätzen kann. Im April hatten besonders die aktuellen Einkaufsmanager-Indizes für Unsicherheit gesorgt, die Stimmungsumfragen hatten deutlich nachgegeben. Doch trotz der starken Hinweise, dass auch die Eurozone wieder in eine Rezession rutscht, hielt EZB-Chef Draghi an seiner Einschätzung fest, dass die Eurozone 2012 wieder wachsen wird. Die jüngsten Indikatoren reichten nicht aus, um das grundlegende Szenario der EZB zu ändern, das von einer allmählichen Konjunkturerholung im weiteren Jahresverlauf ausgehe, sagte er.
US-Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs
Auch die Schätzung für das US-BIP wurde kürzlich veröffentlicht, und auch sie lag unter der Konsensprognose. Dennoch wurde die Zahl am Markt weitgehend ignoriert. Nach Einschätzung des Chef-Ökonoms von Morningstar, Bob Johnson, waren die Zahlen, die in die Berechnung der BIP-Schätzung einflossen, nicht so schlecht wie es das Ergebnis vermuten ließe. Er begründet das unter anderem mit guten Nachrichten vom amerikanischen Immobilienmarkt und der steigenden Nachfrage der Verbraucher. Bemerkenswert sei etwa, dass
- die Angaben zum US-Immobilienmarkt, die in das BIP einberechnet wurden, zum zweiten Mal in Folge positive waren und auf Wachstum hindeuten,
- die US-Verbraucherausgaben um 2,9% stiegen,
- sich das Verhältnis von Verbrauch und Lageraufbau verschoben hat, so dass Lagerbestände für das Wachstum eine weniger wichtige Rolle spielten als noch im vierten Quartal.
Vor allem ein Rückgang der Staatsausgaben von 12% drückte auf das BIP. Ohne diesen Faktor hätte das Bruttoinlandsprodukt näher an den Konsensprognosen gelegen. Johnson rechnet weiter mit einem Wirtschaftswachstum in diesem und dem nächsten Jahr von 2,0% bis 2,5%.
Bericht der US-Notenbank ein Non-Event
Die jüngste Erklärung der US-Notenbank wurde an den Anleihemärkten kaum zur Kenntnis genommen. Die Notenbanker machten keine Andeutungen, dass sie wieder am Markt eingreifen könnten und die „Operation Twist“ (die Verkäufe von Bonds mit kurzen Laufzeiten und der Kauf von Bonds mit langen Laufzeiten) soll im Juni abgeschlossen werden. Daneben erhöhte die Federal Reserve ihre Prognose für das BIP-Wachstum in diesem Jahr leicht: Die Notenbanker erwarten nun 2012 ein Wachstum von 20 Basispunkten mehr als zuvor, das entspricht einer Schätzung von 2,4% bis 2,9%. Für die zwei folgenden Jahre reduzierte die Fed ihre Prognose allerdings um zehn beziehungsweise 30 Basispunkte. Grund seien die erwarteten Auswirkungen geringerer Staatsausgaben und die Wahrscheinlichkeit von Steuererhöhungen.
Die Lage am Arbeitsmarkt wurde dagegen etwas positiver eingeschätzt, und die Fed senkte ihre Prognose für die Arbeitslosenquote um 45 Basispunkte auf im Schnitt 7,9%. Die Prognosespannen für 2012 und 2014 wurden ebenfalls etwas niedriger angesetzt. Die Schätzung für die Ausgaben für den persönlichen Konsum wurde um 35 Basispunkte erhöht auf knapp 2,0%; für die zwei folgenden Jahre wurde der untere Wert etwas höher geschraubt. Auch wenn es Investoren festverzinslicher Papiere etwas beunruhigen könnte, dass die persönlichen Konsumausgaben weiter steigen dürften – diese Kennzahl bleibt damit auf dem von der Fed gewünschten Niveau und gibt ihr die Möglichkeit, bei einer Konjunkturschwäche einzugreifen.
Zum Wochenschluss erhielt die positive Stimmung aber noch einen kräftigen Dämpfer: Laut US-Arbeitsmarktbericht stieg die Zahl der Beschäftigten im April nur um 115.000, deutlich weniger als erwartet. Die Arbeitslosenquote sank zugleich aber von 8,2 auf 8,1% und erreichte damit den tiefsten Stand seit drei Jahren.