Um den inneren Wert einer Aktie zu bestimmen, prüfen die Morningstar-Analysten eine Vielzahl von Faktoren. Dazu gehören beispielsweise die geschätzten zukünftigen Cashflows eines Unternehmens sowie die Wettbewerbssituation im Branchenumfeld. Hinzu kommt der Versuch, den Unsicherheitsfaktor zu bestimmen, der die Annahmen über das betreffende Unternehmen beeinträchtigen kann. Bei Morningstar sind 125 Aktien- und Kreditanalysten beschäftigt. Sie nutzen eine standardisierte Methode zur Bestimmung eines Ratings für rund 1.800 Unternehmen.
Die Analysten sind nach Sektoren aufgeteilt. Sie beobachten ständig die Unternehmen, für die sie verantwortlich sind und revidieren ihre Meinung, wenn neue Informationen den Ausblick für ein Unternehmen ändern. Dazu gehören die Herausgabe neuer Produkte, Fusionen oder Übernahmen oder der Rückzug von Wettberbern aus bestimmten Märkten. Der Prozess zur Erlangung eines Ratings, das seinen Ausdruck in einer Skala von einem bis fünf Sternen findet, sei im Folgenden kurz skizziert:
Fundamentaldaten eines Unternehmens
Die Untersuchung der Fundamentaldaten bildet den Grundstein im Prozess. Dazu gehören die Umsatz- und Ertragszahlen, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie andere Kennzahlen, die aus den Bilanzabschlüssen bzw. Quartalsberichten stammen oder aus anderen Quellen, wie Treffen mit dem Management, Finanznachrichten, Podiumsveranstaltungen usw.
Wettbewerbsstellung eines Unternehmens
Nach der Erstellung der Fundamentalanalyse wird die Wettbewerbsstellung eines Unternehmens ermittelt. Hier wird analysiert, in welchem Ausmaß ein Unternehmen über Wettbewerbsvorteile verfügt. Ein Unternehmen mit einem hohen Wettbewerbsvorteil kann beispielsweise so geringe Preise wie kein anderes Unternehmen anbieten oder über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Oder die Kunden sind an ein bestimmtes Produkt gebunden, und zögern, den Anbieter zu wechseln. Beispielsweise verfügt Amazon über eine herausragende Stellung gegenüber anderen Handelsunternehmen, da es im Online-Handel über eine dominierende Marktposition verfügt. Das Rating für den Wettbewerbsvorteil ist in drei Stufen gegliedert: Stark, schwach und neutral. Ein Komitee aus Senioranalysten bestimmt dieses Rating.
Unser Discounted Cashflow Modell
Um die zukünftigen Cashflows eines Unternehmens zu bestimmen, nutzten die Analysten die Vergangenheitsdaten, das Rating für den Wettbewerbsvorteil sowie Schätzungen über die zukünftige Ertragslage, um mit Hilfe des Models zu einem fairen Wert für ein Unternehmen zu gelangen. Aufgrund von Unterschieden in den einzelnen Branchen gibt es spezielle Modelle für Banken, Versicherer und REITs. Der faire Wert einer Aktie ist eine Aussage des Analysten, wie viel die Aktie momentan wirklich wert ist.
Die unvermeidliche Ungewissheit bei der Ermittlung des fairen Werts einer Aktie
Im nächsten Schritt wird der Versuch unternommen, den Unsicherheitsfaktor mit Blick auf die künftige Entwicklung der Unternehmenssituation zu bestimme. Wie sicher sind die Annahmen im Modell wirklich? Diese Unsicherheit wird mit einer Reihe von Faktoren bewertet, wie die Volatilität der Aktienkurse innerhalb eines Sektors, die Abhängigkeit des Unternehmens vom Wirtschaftszyklus sowie anderen Faktoren, die auf den Aktienkurs einen Einfluss haben können. Der Analyst vergibt je nach Einschätzung einen ‚Unsicherheitsgrad‘. Die Skala ist eingeteilt nach: gering, mittel, hoch, sehr hoch und extrem.
Damit ist eine Art Sicherheitsnetz geschaffen. Die obere und untere Grenze dieses Sicherheitsnetzes wird für alle Unternehmen durch eine festgelegte Formel bestimmt, die sich aus dem Unsicherheitsgrad ergibt. Beispielsweise verfügt Coca-Cola, ein Unternehmen mit einer starken Wettbewerbsposition, über relativ sicher einschätzbare zukünftige Cashflows. Daraus ergibt sich, dass ein Zu- bzw. Abschlag von 20%-25% auf den fairen Wert für einen Verkauf bzw. Kauf zu Grunde zu legen ist. Eine Aktie, die allerdings einen viel höheren Unsicherheitsgrad hat und damit die Cashflows sehr stark schwanken können im Zeitablauf, verlangt damit nach einem Zu- bzw. Abschlag von 50%-70%. Ein Beispiel ist der US-amerikanische Lebensversicherer MetLife, der, wie viele Versicherungsunternehmen auch, eine Vielzahl von Risiken in ihren Bilanzen aufweist. Dazu zählen beispielsweise die Risiken, die sich mit der Investition in Wertpapiere ergibt sowie der Veschuldungsgrad.
Das Morningstar Star-Rating für Aktien
Das Rating trifft eine Aussage, ob der Aktienkurs eines Unternehmens den fairen Wert nach Einschätzung eines Morningstar-Analysten wirklich widerspiegelt. Ein Fünf-Sterne-Rating impliziert, dass die Aktie mit einem hohen Abschlag zu seinem fairen Wert gehandelt wird, während ein Ein-Sterne-Rating impliziert, dass die Aktie überbewertet ist. Das Fünf- bzw. Ein-Sterne-Rating enthalten auch die Preise für einen möglichen Einstieg in eine Aktie bzw. einen Verkauf.
Ein Star-Rating einer Aktie kann sich in Abhängigkeit vom Schlusskurs einer Aktie täglich ändern. In der Abwärtsphase des Aktienmarkts 2008-2009 hatten an einem bestimmten Tag mehr als 600 Aktien ein Fünf-Sterne-Rating, da die Kurse so stark gefallen waren, dass der faire Wert der Unternehmen eindeutig darüber lag. Momentan verfügen rund 50 Unternehmen über ein Fünf-Sterne-Rating. Es ist zu erwähnen, dass entgegen der Morningstar Star-Ratings für Fonds und ETFs, die sich auf die risikoadjustierte Rendite der Vergangenheit im Vergleich zu einer Kategorie beziehen, die Morningstar Star-Ratings für Aktien sich auf den heutigen Aktienkurs im Vergleich zum fairen Wert der Aktie beziehen.
Verwendung von empfohlenen Einstiegs- und Ausstiegspreisen für Aktien
Einige Einstiegs- und Ausstiegspreise für Unternehmen mit einem hohen Unsicherheitsgrad könnten übertreiben erscheinen. Aber Lauren DeSanto, COO Aktien- und Kreditresearch bei Morningstar, stellt klar, dass sich diese Preise aus der hohen Unsicherheit bei der Vorhersage für die Ergebnisse des betreffenden Unternehmens ergeben. Die Ergebnisse können so stark variieren, dass Investoren eine Extraportion Vorsicht walten lassen sollten. De Santo verweist auch auf den stark fallenden Aktienmarkt zwischen 2008-2009, wo sich die meisten Unternehmen in der höchsten Unsicherheitsstufe befanden, da das makroökonomische Umfeld extrem unklar war.